Kann Mahler Monroe lieben?. C.-A. Rebaf

Kann Mahler Monroe lieben? - C.-A. Rebaf


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er nicht leicht zu übervorteilen. Er war eben auch einer von der Sorte ‚Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps‘! Gründlich begutachtete er meine mitgebrachten Kartoffeln und wartete ab, welchen Tausch ich ihm anbieten würde.

      „Davon habe ich noch drei Zentner eingelagert, die ich gerne gegen einen stabilen Ofen eintauschen würde.“

      „A was!“, war seine knappe Antwort, mir weiterhin immer listig die Rede überlassend. Ich wollte schließlich etwas von ihm, also überließ er mir zunächst die Gesprächsführung.

      „Haben Sie denn schon ausreichend Vorräte?“, versuchte ich, ihn aus der Reserve zu locken. „Mit Kartoffeln kann man sicher gute Geschäfte machen!“

      „Wie maanenS’?“, kam es aus ihm heraus, und er tat plötzlich sehr geistesabwesend.

      Aber auch ich verspürte kaum Lust, weiter in ihn zu dringen, da mir plötzlich der Fremde und der Metallzylinder wieder einfielen. Der Unbekannte, der mir mit seinem Fahrer in dem roten Paco entgegengekommen war: Was wollte der? Ein Reisender auf dem Weg nach Polling? Ich starrte vor mich hin ins Leere, und das Gespräch stockte ganz plötzlich. Mayr wurde es auf einmal sichtbar ungemütlich, da ich mich weigerte, weiter zureden.

      „Scheesanns’, Ihre Kartoffeln.“ Ich war sehr überrascht, seine Stimme so klar und deutlich zu hören. Sie riss mich geradezu aus meiner Grübelei.

      „Gelt?“, strahlte ich ihn an und versuchte, ihn mit meinem verführerischsten Schlafzimmerblick von der Seite anzuschauen! Hatte ich ihn jetzt?

      „Ja, an was für’n Offa hätt’n S’ dann gedacht, gnäd’ge Frau?“ Aha, mein Blick zeigte Wirkung! Es funktionierte doch immer wieder, das schöne Spiel zwischen den Geschlechtern!

      „Na, einen aus Eisen für unser Schlafzimmer. Da ist es im Winter immer so kalt. Holz zum Heizen haben wir ja genug.“

      „Ich hätt’ da schon was füa Eana. Aber drei Zentna sann ned fuil! Und der Offa is’ no’ an oiled Qualidäd!“

      War doch nicht tief genug, mein Blick, und mir war klar, nachzulegen nützte jetzt wenig; jetzt musste ich mich bewegen.

      „Ich hab leider nicht mehr an Kartoffeln. Die restlichen brauchen wir selbst.“

      „Na, Gnäd’ge, mehr Klöß’ ess i über d’ Winder au ned. Aber s´nächst Joahr wär’n Reiberdatschi a ned bläd! Und ’s Joahr druff au ned.“

      „Nächstes Jahr!“, stieß ich überrascht hervor und schluckte. „Weiß ich, wie die Ernte dann ausfällt? Das kann ich Ihnen doch guten Gewissens nicht zusagen.“ Jetzt war ein weiteres verführerisches Lächeln angesagt, und ich schenkte es ihm. Dankbar nahm er es auf.

      „Also guad. Sechs Zentna in de nächst’ Joahr! Da kimm i Eana weid entgegn!“ Aha, jetzt begann das Feilschen!

      „Aber, Herr Mayr“, ich himmelte ihn geradezu an, „Sie wollen mich doch nicht übers Ohr hauen, oder?“ Und ich erhob schelmisch meinen warnenden Zeigefinger. In Mayrs Gesicht erkannte ich, dass es ihm doch jetzt peinlich wurde. Gut, ich war meinem Ziel einen deutlichen Schritt näher gekommen und hatte wieder einen Punkt für mich gewonnen.

      „Ich schlage vor, Sie zeigen mir erst einmal den Ofen, und dann reden wir weiter“, versuchte ich, den Handel wieder auf eine sachliche Ebene zu heben, was Mayr sehr dankend annahm, traten denn auch schon kleine Schweißperlen auf seine Stirn.

      „Gnäd’ge Frau, das is’ a goada Vorschlag.“ Schon ging er voraus in sein Lager, das auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes gelegen war. Er holte sein riesiges blau-weißes Karo-Sacktuch aus der Krachledernen, tupfte aufgeregt die Stirn ab und wischte sich über den Stiernacken.

      Das Anwesen war wohl ein sehr alter Bauernhof mit Wohnhaus, Stall und Scheune, die um den quadratischen Hof angeordnet und mit einer hohen Mauer eingezäunt waren. Durch die Katastrophe war es völlig ausgebrannt und mit Zeltplanen, Blechen, Strommasten als Stahlträgern und allerlei weiterem improvisierten Material wieder notdürftig aufgebaut. In der Scheune befand sich sein Lager, im Stall rechts daneben standen wieder Tiere, es roch nach Schweinen, Schafen, Ziegen und Hasen.

      Sein riesiger Paco-Paco, ein Dreiachser mit einem Dreizylinder-Dieselmotor und großer Ladefläche, stand im Hof. Der Holzvergaser nahm bei diesem Gefährt die Stelle des Beifahrersitzes ein und konnte so vom Fahrer auch während der Fahrt leicht beheizt werden.

      Trotz seiner kurzen Beine war Mayr flink, so dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Als wir an dem Fahrzeug vorbei kamen, ließ ich eher beifällig fallen: „Dürfte ich Sie bitten, auch den Transport des Ofens zu übernehmen? Bei der Rückfahrt könnten Sie ja gleich die Kartoffeln mitnehmen.“ Er tat, als ob er es überhört hätte, aber ich wusste, er hatte es sehr wohl auf geschnappt.

      Wir stöberten kreuz und quer durch sein Lager. Mayr kam noch mehr ins Schwitzen, denn er fand den Ofen nicht auf Anhieb und musste ständig Dinge aus dem Weg räumen, da er dachte, er würde den Ofen dahinter finden. So wertvoll, wie er tat, schien das angepriesene Stück also nicht zu sein! Endlich hatte er ihn gefunden.

      „Na, Gnäd’ge, hoab ich z‘vuil vasproacha?“

      Der Ofen war ziemlich verrostet, aber mit alten gusseisernen Platten und Verzierungen versehen. Wenn wir den reinigen würden, wäre er schon richtig. Ich fuhr mit der Hand über seine Oberfläche, und Staub wirbelte auf. Übertrieben spielte ich in dieser Szene die Rolle der Naserümpfenden und brachte sogar einen einigermaßen glaubhaften Niesanfall zustande. Verächtlich wendete ich meinen Blick von dem guten Stück ab und drehte mich entrüstet meinem Begleiter zu: „Nein, Herr Mayr, diese Dreckstück bieten Sie mir für meine wunder-schöne Kartoffeln an?“

      Mayr zuckte etwas zusammen.

      „Und Sie wollen dafür sogar sechs Zentner Kartoffeln verlangen?“ Ich schaute ein wenig mütterlich-tadelnd von oben auf ihn herab. Dieser Rollenwechsel von der zuvor Verführenden zur jetzt strengen Mutter war strategisch sehr wirkungsvoll.

      Ich tat so, als wollte ich mich gerade abwenden, als er mir in die Augen schaute und leise sagte: „Fünf Zentna.“ Jetzt hatte ich ihn soweit!

      „Vier“, kam es scharf aus meinem Mund.

      Er tat, als ob er einen Schlag erhalten hätte, und sagte seine Standardformel auf: „Gnäd’ge, Se ruiniere ma!“

      Ich wusste, dass das sein Okay war, und setzte noch drauf: „Aber ich erhalte noch einen Rest hitzebeständige Eisenfarbe, damit wir das gute Stück nach der Bearbeitung auch ins Schlafzimmer stellen können.“

      Er war einverstanden und fügte hinzu: „I bring Eana des Ding nächst’ Woch’.“

      Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich freute mich innerlich, doch einen guten Handel abgeschlossen zu haben.

      Es war doch kein Fehler von meinem Vater als Heranwachsende einiges gelernt zu haben. Darunter war neben einem großen Wissen um die klassische Musik auch das Feilschen: Er brachte mir alle Tricks bei, die Männer so beim Aushandeln von ‚Deals‘ drauf haben, um sich dabei gegenseitig über‘s Ohr zu hauen. Meine Mutter sagte damals zu ihm nicht nur einmal: „Mein Gott, sie ist doch ein Mädchen, Du erziehst sie wie einen Jungen!“

      Jetzt wurde es schon langsam dunkel, und ich begab mich schnell und zufrieden auf den Rückweg in mein Dorf.

      Zu Hause fand ich den Metallzylinder in meinem Rucksack wieder und betupfte die Fuge des Schraubverschluss mit etwas Essig. Es zischte, nach ein paar Tropfen Öl und mit etwas Geduld, konnte ich ihn endlich drehend öffnen.

      Darin befand sich ein Kinoplakat aus Zeiten vor der Katastrophe. Es war eine blonde Frau mit einem großen Busen in einem weißen Neckholder-Kleid zu sehen. Sie stand auf einem Gitterschacht, aus dem wohl ein Luftzug nach oben wehte und ihren weiten leichten Rock in die Höhe hob. Das Gesicht der Frau zeigte, dass sie zwar erschrocken versuchte, aus Scham ihren Rock nach unten zu ziehen, die schelmische Komponente ihres Lächelns signalisierte dem Betrachter jedoch deutlich, dass sie dem Windhauch aus dem


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