Schnee am Strand. Rohan de Rijk
kochte über und fand sein Ventil in Damians Zeigefinger. Er zog den Abzug der Pistole durch.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Jedes Mal hämmerte ein metallischer Ton durch den Kassenraum der Tankstelle, wie ein Abgesang, der das Leben in Tod umwandelt. Während der letzte Ton dieser unwirklichen Szene verhalte, hatte sich Damian in die Hosentasche gegriffen und ein volles Magazin daraus hervorgeholt.
»Jetzt weißt du, wozu ich fähig bin«, raunzte er dem Mann ins Ohr und drückte das Magazin in den Schacht der Pistole.
»Aber ich gebe Dir eine Möglichkeit, mich zu besänftigen«, dabei schaute Damian den Mann mit einem sanften Blick an, um den Sarkasmus zu unterstreichen.
»Was willst du, du Arsch«, der Mann hatte ein Stück seiner Fassung wiedererlangt.
»Na na na, wir werden doch unsere Kinderstube nicht vergessen haben. Oder kennt ein Hurensohn wie du so etwas nicht.« Mit diesem Worten entsicherte Damian die Waffe, lud sie durch und zielte auf den Kopf des Tankwarts.
»Peng«, schrie er und der Mann zuckte zusammen.
»Also, meine Geduld ist hier und jetzt zu Ende. Geld her oder wir werden sehen, wie brav du in deinem Leben warst. Du verstehst, was ich meine: Himmel oder Hölle.«
Der Tankwart öffnete die Kasse und schmiss ein paar Scheine in eine mit Kaffeeflecken übersäte Papiertüte. Diese drückte er Damian in die Hand.
Feiner Staub wirbelte auf, bis die breiten Reifen von Damians Wagen auf dem losen Untergrund Halt fanden.
Damian riss das Steuer herum, bis der Wagen wieder in der Spur war. Als er in den Rückspiegel blickte, kam der Tankwart mit einer abgesägten Schrotflinte aus dem heruntergekommenen Haus gerannt.
»Duck dich«, schrie Damian und drückte Ashleys Kopf tief in den Fußraum des Beifahrersitzes. Keine Sekunde zu spät. Die Schrotladung traf den Wagen und riss den Außenspiegel von der Fahrertür ab.
Ashley schrie.
Eine zweite Ladung verfehlte den Wagen, der immer noch mit dem losen Untergrund der entlegenen Landstraße zu kämpfen hatte.
»Das war knapp«, sagte Damian und sah die Tankstelle im Rückspiegel immer kleiner werden.
»Knapp? Der Scheißkerl hätte um ein Haar unsere Gehirne in diese gottverlassene Gegend gepustet.«
»Hat er aber nicht, dafür habe ich das«, sagte Damian und schmiss Ashley eine Papiertüte in den Schoß.
»Ganz schön viel Geld für eine scheißverlassene Gegend?«, sagte Ashley, als sie einen Blick in die Tüte geworfen hatte.
»Keine Ahnung. Vielleicht hat er Schnaps gebrannt und an die Hill Billys verkauft. Wen interessiert es, jetzt ist es unser.«
Ashley hatte sich mittlerweile von dem Schrecken erholt und starrte in die trostlose Einöde hinaus.
»Sehen so unsere Ferien aus, Damian?«
»Du wolltest doch was erleben und das eben war ein echtes Abenteuer. Aber wenn es dich beruhigt, wir werden mit dem Geld unseren Spaß haben. Versprochen.«
»Du hast ja Recht, Damian. Und eigentlich war es auch ein riesiger Spaß.«
»Sag ich doch«, mit diesem Worten griff Damian unter den Fahrersitz und holte eine von den Tütchen mit Speed heraus.
»Ich glaube, wir haben uns eine Nase verdient«, mit diesem Worten warf er das Tütchen zu Ashley herüber.
Ashley klappte das Handschuhfach auf und fand einen kleinen silbernen Spiegel. Vorsichtig ließ sie das weiße Pulver auf die ebene Fläche rieseln. Damian versuchte, den Wagen so ruhig wie möglich zu steuern, damit von dem kostbaren Pulver kein Krümelchen daneben fiel.
Als Ashley das Speed zerkleinert und zwei Linien gezogen hatte, reichte sie den Spiegel Damian hinüber. Der lenkte den Wagen mit den Knien und zog gierig die Linie ein.
Als das Speed zu wirken begann, ging die Sonne glutrot hinter der flachen Landschaft unter. Die Hitze ließ langsam nach und man konnte ahnen, dass die Nacht die ersehnte Abkühlung bringen würde.
Ashley und Damian hingen ihren Gedanken nach, niemand sagte ein Wort.
Erst als die Dunkelheit die Straße und das Auto einhüllte und die Welt nur noch durch die zwei Lanzen der Scheinwerfer zu erkennen war, drehte sich Ashley zu Damian um und gab ihn einen Kuss auf die Wange.
»Lass uns weitermachen Damian, ich fühle mich gut dabei.«
»Ich werde dich beschützen. Lass uns die Zeit zu einem riesigen Abenteuer machen.«
Ashleys Hand wanderte langsam von Damian Brust nach Süden, bis sie die Beule in der Hose spürte.
Damian gab Gas und der Staub der Landstraße wurde von den breiten Reifen aufgewirbelt.
Kapitel 6
»Sei mal ruhig«, sagte Ashley und versuchte mit dem alten, abgenutzten Volume-Regler dem Radio mehr Lautstärke abzuringen.
»… hatte das Pärchen eine Tankstelle in Carlington überfallen. Die beiden Jugendlichen sind dabei mit äußerster Brutalität vorgegangen«, krächzte der Nachrichtensprecher mit atmosphärischen Störungen aus den Lautsprechern.
»Sie wurden zuletzt in einem roten Chevrolet Camaro Baujahr 1992 gesehen. Der Wagen besitzt ein kalifornisches Nummernschild mit der Aufschrift XF1313Z, die vermutlich gestohlen worden sind.«
»Sind sie«, schrie Damian und fuhr an den Straßenrand. Er versuchte, den Sender schärfer einzustellen, aber die Nachrichten waren vorbei, nach einem kurzen Wetterbericht dröhnte Country-Musik aus der Anlage.
»Scheiße, wir sind am Arsch. Jetzt weiß jeder Cop, welches Auto wir fahren. Wir müssen die Karre loswerden«, sagte Damian.
Ashley wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn, massierte die Schläfen und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Nebelhafte Versatzstücke der letzten Stunden trieben wie Treibholz durch ihre Synapsen. Eckten hier und dort an, ohne ein klares Bild zu ergeben. Das erotische Gefühl bei den Überfällen, das entsetzte Gesicht des alten Mannes pulsten wie dominante Hormone durch ihre Venen und malträtierten ihren Unterleib mit winzigen elektrischen Impulsen. Ashley war nicht bereit, hier und jetzt ihr Abenteuer aufzugeben. Das Auto musste weg, es war der einzige Hinweis auf ihre Identität, die die Cops hatten.
»Damian, du hast gesagt, dass das Nummernschild nicht gestohlen ist? Also wissen die Cops, dass das Auto dir gehört.«
»Die wissen gar nichts«, Damians breites Grinsen malte eine gewisse überlegene Fröhlichkeit auf sein Gesicht.
»Meinst du, ich würde so einen alten Schrotthaufen fahren? Wir haben nicht die Nummernschilder geklaut, wir haben direkt die ganze Karre mitgenommen.«
Damian zog, wie zum Beweis, ein paar blanke Kupferkabel unter dem Armaturenbrett des Camaro hervor.
»Und die Schlüssel?«
»Das ist ein wenig blöd gelaufen, als ich den Wagen kurzgeschlossen hatte, fiel mir ein, hinter der Sonnenblende nachzusehen und genau dort waren sie. Mann, du musst einen ganz schönen Filmriss gehabt haben, wenn du dich daran nicht mehr erinnern kannst.«
Damian lächelte süffisant.
Ashley versetzte Damian mit der Faust einen Hieb auf dem Oberarm.
»Ja, so mag ich es, meine wilde, rote Hexe.«
Ashley strich mit ihrer Hand über den Schritt von Damian und merkte, wie sich unter den Zähnen des Reißverschlusses Druck aufbaute. Damian versuchte, die Hose zu öffnen, aber Ashley hielt ihn davon ab.
»Erst kommt der Camaro weg, dann spielt die rote Hexe mit dem kleinen Damian«, Ashley strich noch einmal über die Wulst in Damians Schritt und drehte dann den Zündschlüssel.