Die Engel der Madame Chantal. Kurt Pachl

Die Engel der Madame Chantal - Kurt Pachl


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Nein. Er war nass.

      »Leck‘ das ab! Sofort!!!«

      Chantal schloss die Augen, als sie wieder die Peitschenhiebe hörte. Aber etwas in ihr zwang sie, die Augen wieder aufzureißen. Der Gedemütigte kroch auf allen Vieren heran.

      Er beugte sich über den Stiefel, und begann …

      Nein. Nein. Nein. Das war zu viel. Das konnte sie nicht länger ertragen.

      Die Voyeurin presste ihre Hand vor den Mund. Laut würgend stürmte sie aus der dunklen Kammer. Zitternd saß sie eine Zeitlang im Büro ihrer Freundin. War das wirklich ihre Freundin? War das soeben Iris? Die gleiche Iris, mit der sie schon so viel erlebt hatte?

      Chantal wollte weinen; musste weinen; erlösend weinen. Doch es kamen keine Tränen;

      so sehr sie sich bemühte. Sie war im Begriff, sich zu übergeben. Sie stürzte zur Toilette. Es würgte sie. Doch nichts. Auch das gelang ihr nicht. Sie wankte wieder ins Büro zurück. Dort saß sie immer noch, wie erstarrt, als Iris mit ihrer Peitsche hereinkam. Sie wirkte müde und ausgewrungen. Doch sie lachte.

      »Bist du noch ganz sauber?!«, entfuhr es Chantal. »Wie kannst du nach einer solchen Scheiße noch lachen?«

      Iris gab ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange.

      »Ich ziehe mich jetzt rasch um. Bin gleich zurück. Und dann gehen wir zusammen einen trinken«, sagte sie gutgelaunt, und verließ das Büro. Das dumpfe Stapfen der Stiefel war noch lange zu hören; bohrte sich in Chantals Seele.

      Minuten später, es war eine Ewigkeit, kam Iris zurück. Sie hatte sich in enge Jeans und eine Bluse mit tiefem Ausschnitt gezwängt. Es hatte den Anschein, dass ihr großer Busen nach Luft schnappte, um der Enge zu entfliehen.

      »Komm«, säuselte die wie von Zauberhand verwandelt wirkende Freundin, und hakte sich bei Chantal unter.

      »Es wartet eine kleine Überraschung auf dich.«

      Neben dem unscheinbaren Haus mit den sechs Folterkammern, wie Iris zuvor berichtet hatte, befand sich ein kleines und modern eingerichtetes Café. Die Frau mit dem stattlichen Busen steuerte zielsicher auf einen Tisch in der Ecke zu. Dort saß ein adrett gekleideter Mann. Der sicher sündhaft teure, maßgeschneiderte Zweireiher milderte die Korpulenz des grinsenden Wesens raffiniert ab.

      »Stanislav. Darf ich dir meine Freundin Chantal vorstellen«, begrüßte Iris den Korpulenten. Dieser erhob sich lächelnd, verbeugte sich artig vor Chantal, und gab ihr einen angedeuteten Handkuss. Fast devot blickte er dabei nach oben.

      »Chantal? Doch nicht etwa die Madam Chantal?«, fragte er mit ekelhaft heller Stimme.

      Chantal nickte einige Male; fast automatisch. Der Versuch eines Lächelns misslang ihr.

      »Das freut mich außerordentlich, Sie einmal persönlich kennen zu lernen«, sagte der Dicke. In dieser Antwort schwang etwas mit, das sie aufhorchen ließ. Doch darüber wollte, darüber konnte sie plötzlich nicht weiter nachdenken.

      »Ach du Scheiße«, schrie es in ihr. Erst jetzt erkannte sie den Mann, den sie noch vor wenigen Minuten gesehen hatte – in der Folterkammer. Wie in Trance ließ sie sich auf einen modernen und ungemütlichen Sessel sinken. Wie in Trance sah sie, dass dieses dicke Wesen sich schmunzelnd zu Iris hinüberbeugte, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken. Mit leiser Stimme flüsterte er:

      »Du warst wieder einmal himmlisch. Ich danke dir.«

      Kapitel 6

      Drei Wochen später wartete eine weitere Überraschung auf Chantal, als sie mit Iris und Manuela in einem noblen Restaurant saßen.

      »Ich habe dich vor drei Wochen nicht wiedererkannt«, seufzte Chantal und blickte Iris vorwurfsvoll in die Augen. »Warum tust du dir diese Sauerei an?«

      »Das ist eine verdammt gut bezahlte Dienstleistung. Wenn ich es nicht mache, streichen andere Ladies das schöne Geld ein.«

      Die Domina-Expertin strich sichtlich belustigt mit beiden Händen über ihr mittellanges blondes Haar.

      »Und du steckst diese ganze Scheiße so mir nichts dir nichts weg? Das glaub‘ ich dir nicht!« Chantal zuckte mit den Schultern, und zog ihre Augenbrauen nach oben.

      Iris lehnte sich in den gemütlichen Sessel zurück. Ihr Gesichtsausdruck verwandelte sich schlagartig. Sie wirkte enttäuscht.

      »Im Grunde genommen bist du die Patin dieser Sauerei, wie du meine gutbezahlte Passion zu nennen pflegst.«

      »Iiich?! Entschuldige. Du bist doch nicht ganz sauber.« Chantal war kurz davor, sichtlich verärgert aufzuspringen.

      »Wir sind Liebesdienerinnen. Was wir tun, müssen wir mit Leib und Seele tun. Unsere Kunden müssen nicht nur körperlich, sondern auch darüber hinaus zufriedengestellt werden.« Der Zeigefinger der Domina richtete sich anklagend auf Chantal. »Das waren vor zehn Jahren deine Worte. Unter dem Strich hast du das aus mir und Manuela gemacht, was wir heute sind. Dafür bin ich dir dankbar.«

      »Blödsinn! Ich habe niemals an Peitschenhiebe oder andere ekelhafte Spielchen gedacht.«

      »Du scheinst das letzte Mal, in diesem Café, du erinnerst dich, nicht richtig zugehört zu haben«, blaffte Iris. »Du selbst hast doch gehört, dass sich dieser Fettwanst bei mir bedankt hat. Er hat mich dabei angehimmelt. Ich habe ihm eine Last von seiner verdammten Seele genommen.«

      »Mir zittern noch heute die Knie«, stöhnte Chantal, und blickte hilfesuchend nach oben.

      Die Augen von Manuela flitzten zwischen ihren beiden Freundinnen hin und her.

      »Du bist doch so stolz darauf, eine intelligente und kluge Frau zu sein.«

      Iris faltete ihre Hände, und drückte sie an ihren großen Busen.

      »Du hast dich doch in diese Wälzer über Psychologie vertieft. Da drin steht mit Sicherheit, dass es sich bei diesen Kerlen um halbe Irre handelt. Auf alle Fälle sind es arme Schweine. Selbst gute Seelenklempner stoßen da an ihre Grenzen. Viele dieser armen Wesen fangen irgendwann an zu saufen. Oder sie knüpfen sich einfach auf. Ist dir das lieber? Dann rücken andere Spinner nach, und die Welt dreht sich weiter.«

      Iris grinste ihre zunehmend nachdenklich dreinschauende Freundin mit zugespitzten Lippen an. Hierbei rieb sie ihren Daumen und Zeigefinger aneinander.

      »Es gibt Tage, da lassen diese armen reichen Schweinchen weitaus mehr springen als deine Kunden. Und das will weiß Gott was heißen. Natürlich hast du recht, dass ich mir dieses schöne Geld manchmal hart verdienen muss.« Sie lachte dunkel auf, verschränkte ihre Hände hinter dem Kopf und lehnte sich genüsslich zurück.

      »Zugegeben. Ab und zu gehe ich danach in eine Disco. Dort reiße ich mir einen Burschen auf, der danach aussieht, als hätte er viel Hunger im Gepäck. Dann lasse ich mich so richtig durchvögeln, und habe das Gefühl, wieder neunzehn zu sein.«

      »Zum Schluss auf dem Rücksitz von einem alten Karren«, kicherte Chantal.

      Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie sich wenig feinfühlig verhalten hatte.

      »Klar. Das kommt schon mal vor. Zur Not lege ich mich auf die Motorhaube. Auf alle Fälle lasse ich die Kerle arbeiten. Sie bekommen ihren Spaß schließlich kostenlos. Danach lasse ich mich zuhause von einer Flasche Gin inspirieren und schaue mir eine alte Schnulze an. Und am anderen Tag kaufe ich mir ein tolles Kleid.«

      »Wozu brauchst du ein neues Kleid? Ich habe dich in letzter Zeit nur in Jeans und gewagten Blusen gesehen?«

      Ich sammle eben neue Kleider. Irgendein Hobby muss schließlich jeder haben.«

      »Ach du lieber Himmel.« Chantal presste kurz ihre beiden Hände vor den Mund.

      »Was hast du eigentlich mit den Männern angestellt, die ich zu dir weitergeleitet habe? Ich hoffe, dass du sie nicht so empfangen hast.« Sie musterte Iris auffällig von oben bis unten.


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