Little Pearl. Madlen Schaffhauser

Little Pearl - Madlen Schaffhauser


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ich für Sie tun?«

      »Du klingst genervt.«

      Beinahe lasse ich mein Smartphone fallen. Gleich wenn ich aufgelegt habe, werde ich Dylan einen Klingelton zuordnen, damit ich das nächste Mal, wenn er mich anruft auf seine Stimme gefasst bin.

      »Hey, Dylan. Das bin ich vielleicht auch.«

      »Dann ruf mich zurück, wenn du es nicht mehr bist.«

      »Nein!« Ich schnappe nach Luft. Habe ich jetzt wirklich so verzweifelt geklungen, wie ich es glaube? Ich denke schon und laufe rot an. Bin ich froh, dass mich niemand sehen kann.

      Ich will nicht, dass er schon wieder auflegt, jetzt wo ich endlich wieder den Klang seiner Stimme höre. »Warum hast du mich angerufen?«

      »Warum bist du angepisst?«

      Ich seufze. »Weil ich Hunger habe und ich immer wieder beim Essen unterbrochen werde.«

      »Dann solltest du vielleicht das Telefon nicht abnehmen, wenn du nicht gestört werden willst.«

      »Kann ich nicht. Ich habe ein B&B, schon vergessen? Also, was wolltest du?«

      »Iss weiter.«

      »Wie?« Verdutzt starre ich auf die umliegenden Bäume.

      »Ich kann reden und du isst währenddem.«

      Bei seinem Vorschlag wölben sich meine Mundwinkel. Trotzdem ... »Das ist unanständig.«

      »Warum?«

      »Sind wir hier in einem Fragespiel?«

      »Vielleicht. Jetzt beiß endlich in dein Steak, oder was immer du zu Mittagessen hast.«

      »Es ist nur Salat.«

      »War ja klar.«

      »Wieso?«

      »Typische Frauenkost. Magst du kein Fleisch?«

      »Doch, hatte nur keine Zeit mir ein richtiges Essen zuzubereiten.« Ich hebe die Gabel, an der nach wie vor Salatblätter hängen und stopfe sie mir in den Mund, auch wenn es mir etwas peinlich ist, dass mir jemand beim Essen zuhört. Aber ich hab echt Megahunger, außerdem wird der Salat langsam schlapp.

      »Willst du morgen vorbeikommen und dir den Schrank ansehen?«, möchte er wissen, als ich einen weiteren Biss nehme.

      »Bist du etwa schon fertig?«, frage ich überrascht, nachdem ich heruntergeschluckt habe.

      »Nein, das geht noch ein paar Tage. Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren, wie er mittlerweile aussieht.«

      Zum Glück habe ich im Moment nichts im Mund, ich hätte mich bestimmt verschluckt.

      Dylan fragt mich doch tatsächlich, ob ich bei ihm vorbeikommen will. Klar, es geht nur um seine Arbeit, dennoch habe ich nie im Leben mit so etwas gerechnet. Mir erscheint er eher so, als könne er es kaum erwarten, dass die Kundschaft wieder raus aus seiner Werkstatt ist und ihn seine Arbeit tun lassen.

      »Sehr gern«, antworte ich, als ich meine Stimme widergefunden habe. »Wann soll ich kommen?«

      »Wann du willst.«

      »Okay, dann ...« Ich nehme das Handy vom Ohr und starre auf das Display. Dylan hat schon aufgelegt. Verwirrt über den Typ schüttle ich den Kopf – aber mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht. Ich ordne ihm einen persönlichen Klingelton zu, ehe ich das Telefon in meine Hosentasche zurückstecke und schließlich fertig esse.

      Kapitel 5

      Everly ist schon wieder weg, als ich das Frühstückszimmer aufräume. Ich habe sie früher nach Hause geschickt, weil sie gestern für mich eingesprungen ist. Das B&B ist mindestens die nächsten fünf Tage ausgebucht, was viel Arbeit von mir abverlangt. Doch ich bin froh darüber. Vor allem heute, da ich eine Verabredung mit Dylan habe. Er würde es nie als solches bezeichnen, aber insgeheim wünsche ich mir, dass er es auch ein bisschen als Date ansehen mag.

      Die Arbeit lenkt mich ab und sorgt dafür, dass ich nicht wie ein großes Nervenbündel im Haus herumirre. Ich schinde extra noch etwas Zeit heraus, damit Dylan nicht das Gefühl bekommt, ich hätte das Treffen nicht erwarten können. In Wahrheit wäre ich am liebsten schon zu ihm gefahren, als mich mein Wecker aus dem Schlaf gerissen hat.

      Es ist fast elf, als ich saubergemacht und die Betten frisch bezogen habe. Wäsche ist in der Waschmaschine, die in einer guten Stunde fertig sein wird. Miss Winkel hat ausgecheckt und kurz nach dem Mittag müsste ein junges Paar eintreffen.

      Ich schnappe mir den Schlüsselbund, schließe hinter mir ab und gehe aufgeregt zum Toyota.

      Mein Herz beginnt zu hämmern, als ich die Brücke überquere und schlägt immer schneller, während ich nun am Waldrand entlangfahre und meinem Ziel näher komme. Mit stetem Blick auf den Tacho ermahne ich mich, das Gaspedal nicht zu sehr durchzudrücken. Ich möchte endlich bei ihm sein und doch brauche ich noch Zeit, um mich zu sammeln.

      Ich glaube, ich war das letzte Mal so nervös, als ich aufs College kam. Alles war neu. Ich kannte niemanden und war zum allerersten Mal weg von Little Pearl, von meiner Familie. Ich habe mir fast in die Hose gemacht, als ich vor das Wohnheim gefahren bin und mich andauernd gefragt habe, was für eine Mitbewohnerin ich wohl bekommen würde.

      Jetzt braucht es nur einen Kerl, der mich auf die gleiche Weise verunsichert.

      Ich biege auf Mr. Moores Grundstück. Wie schon vor ein paar Wochen steht Dylans Pick-up unter der Eiche. Ich parke neben ihm und gehe zur Werkstatt. Dieses Mal klopfe ich an, ehe ich eintrete. Aber Dylan hat mich gar nicht gehört. Er hat einen

      Gehörschutz auf und schleift irgendwas. Ich nehme an, es handelt sich um etwas von meinem Kasten.

      Unschlüssig was ich tun soll, bleibe ich schließlich beim Eingang stehen und sehe mich um. Das Sofa, das ich das letzte Mal schon gesehen habe, glänzt mit dem Tisch daneben um die Wette. Der rotweiße Stoff wurde durch einen weißen ersetzt. Ich sehe Cleopatra, wie sie auf einer solchen Couch die Beine von sich gestreckt hat. Was vor wenigen Tagen wie ein Möbelstück für den Müll ausgesehen hat, wirkt auf einmal wieder wertvoll und exquisit. Es ist wunderschön geworden.

      Ich bewundere Dylans Arbeit. Man sieht, er versteht was davon. Mr. Moore hat mir nicht zu viel versprochen.

      Mein Kasten – ohne Schranktür -, sieht neben dem polierten Tisch und dem frisch gepolsterten Sofa alles andere als pompös aus. Er wirkt blass. Ich schätze, Dylan hat ihn rundum abgeschliffen, um ihn später wieder anzustreichen.

      »Ich werde heute mit malen beginnen.«

      Erschrocken drehe ich mich um und schlage mir die Hand auf die Brust. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er aufgehört hat zu schleifen.

      »So schreckhaft?« Dylan zieht für eine Millisekunde einen Mundwinkel hoch, dann ist sein amüsierter Gesichtsausdruck auch schon wieder verschwunden. »Leider siehst du noch nicht, wie er nachher scheinen soll.«

      Ich begegne Dylans braunen Augen, weshalb ich kaum genug Luft in meine Lunge kriege. Er ist so unverschämt schön. Seine markanten Gesichtszüge, sein geschwungener Mund, seine Augen ... O diese Augen, die ständig finster dreinblicken. Ich könnte darin versinken, wenn er mich nicht wie jedes Mal aus meinem Starren herausholen würde.

      »Vielleicht hätte ich dich erst morgen herbitten sollen. Dann hättest du mehr von meiner Arbeit sehen können.« Er fährt sich durch sein widerspenstiges Haar.

       Vielleicht hättest du dich weniger mit der Schwarzhaarigen abgeben sollen, dann wärst du jetzt weiter. Und ich wäre nicht eifersüchtig auf sie, weil sie dich küssen durfte, während du bei mir auf Abstand gehst.

      »Nein, nein«, sage ich schnell, um meine Gedanken zu stoppen. Womöglich kamen meine Worte etwas zu schnell, denn Dylan sieht mich mit schräggelegtem Kopf aufmerksam an. »Es ist interessant zu sehen, wie du arbeitest.


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