Kettenwerk. Georgian J. Peters

Kettenwerk - Georgian J. Peters


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und der Schubertring. Kleine Vorgärten und akkurat geschnittene Hecken zieren einheitliche Reihenhäuser. Flache, dunkelbraune Jägerzäune schließen den äußeren Ring und zweireihige Steinplattenwege führen bis zu den Haustüren.

      Für großstadtmüde Familien ist das eine willkommene Alternative.

      Sein vollständiger Name ist Hans-Peter Kesslin.

      Nur Georgie und Betty dürfen ihn Kessie nennen.

      Er wohnt nicht in der verschlafenen Siedlung, aber er ist am längsten mit Georgie befreundet. Sie waren schon im Kindergarten beste Freunde. Jedoch blieb er dort wohnen, dort in der Nähe des Kettenwerks, zusammen mit seiner Mutter. Kessie ist von normaler Statur, nicht wirklich sportlich, aber auch nicht dicklich, auch nicht zu groß. Er war immer einen halben Kopf kleiner als Georgie und tendierte mehr zu einem „Schwarzkopf“, wie Georgie ihn gerne ärgerte, weil er tatsächlich pechschwarze Haare hatte, dazu dunkelbraune Augen, aber dafür eine unpassend helle, fast schweinsfarbene Haut.

      Die Jungs aus der Siedlung, die Clique der FÜNF, durften ihn nach längerem Hin und Her auch Kessie nennen, da ihm „Schwarzkopf“ so gar nicht behagte.

      Nach dem Realschulabschluss bewarb er sich bei einem Maklerbüro in Hamburgs Innenstadt und wurde sofort genommen. Während der Lehrzeit arbeitete er sich schnell in die Materie ein. Er bewies Umsicht und zeigte einen wachen Verstand. Vornehmlich lag es aber an seinem Auftreten. Kunden trat er mit freundlicher Zurückhaltung entgegen. Er konnte gut zuhören, verlor niemals den Überblick. Stets behielt er das Ziel im Auge. Schon bald bekam er eigene Mandanten, wickelte Vermietungen ab und brachte Verkaufsabschlüsse ein. Durch die Provisionen machte er gutes Geld. Sein Spezialgebiet wurden Grundstücke, Reihenhäuser und Doppelhäuser. Schon nach zwei Jahren hatte er ein beachtliches Guthaben auf seinem Konto, sodass er größere Geldbeträge auf das Konto seiner Mutter überwies. So sparte er Steuern. Er machte wertvolle Anschaffungen, bezahlte die Miete und konnte seiner Mutter sogar einen Urlaub ermöglichen.

      Kessie gehörte niemals wirklich zu der Clique der FÜNF.

      Gleich im vorderen Abschnitt der Siedlung wohnen die Kahlerts. Der älteste von fünf Brüdern heißt Stefan. Kurz und knapp wird er Kahli genannt. Kahli ist beachtlich groß für sein Alter und er ist kräftig. Er hat dunkelbraune, halblange Haare und einen „Pony-Haarschnitt“ wie alle seine Brüder. Er gehört nicht wirklich zur Clique, da er nicht so oft mit den Anderen herumhängen darf. Seine Eltern sehen eine Gefahr im Umgang mit den Jungs aus der Siedlung. Oft hat er Stubenarrest. Er ist eben für etwas Besseres auserwählt, weil der Vater Professor an der Hamburger Universität ist. Also ziemt es sich nicht, mit solchen üblen Jungs zu verkehren. Doch bis kurz vor seinem Tod ist er für die Clique der FÜNF ein verlässlicher Kamerad.

      Im hinteren Teil wohnen die Holmers. Jens Holmer, genannt Holmi, ist ein hochgewachsener, kräftiger Junge von 13 Jahren und somit der älteste in der Clique der FÜNF. Er hat volle, dunkle, halblange Haare mit unbändigen Wellen, was eigentlich äußerst ungewöhnlich ist, da seine Eltern sehr streng sind und lange Haare eigentlich nicht dulden würden. Sie waren irgendwie anders streng … Georgie nennt es immer „bauernstreng“. Sie sind dick und einfältig, was Holmis Entwicklung jedoch keinen Abbruch macht. Also, lange Haare sind nicht das Thema. Zwar wird er wegen jeder Kleinigkeit bestraft, doch er ist hart im Nehmen. Früh hat er sich ein dickes Fell zugelegt. Er und Georgie gehen in den Sportleistungskurs und obwohl Holmi Unmengen von Süßigkeiten in sich hineinstopft, ist er nicht dick. Im Geräteturnen sind sie mit Abstand die Besten in der Schule und auch in der Leichtathletik haben sie immer Bestnoten. Schwimmen und Handball gehören natürlich ebenfalls zu ihren Favoriten.

      Der Anführer der Clique ist Georg Kirchner, von allen Georgie genannt. Er ist ein aufgeweckter und scharfsinniger Junge von 12 Jahren, mittelgroß und kräftig. Er hat dunkelblonde, halblange Haare und auffallend angenehme Gesichtszüge.

      Seine Augen stechen blaugrau von der dunkleren Hautfarbe ab, was ihm einen fast magischen Ausdruck verleiht. Er hat einen klaren, durchdringenden Blick, der in vielen Augenblicken töten könnte.

      Im Sport hat er die besten Noten, während er in den übrigen Fächern eher schwächelt, was aber eher daran liegt, dass er nur etwas mit Hingabe und Erfolg erledigt, das ihn wirklich interessiert.

      Vor zwei Jahren sind er und seine Eltern in die Siedlung gezogen. Schnell freundete er sich mit den Jungs an und bald darauf gründete sich die verschworene Clique der FÜNF … Holmi, Tommi, Ulli, Matjes und Georgie.

      Die zwei Brüder Ulli und Matjes mit Nachnamen Palme, wohnen hinter der zweiten Biegung des kleineren Schubertrings. Sie wachsen ohne Vater auf, aber warum die Mutter alleine ist, interessiert niemanden. Dieser Umstand hat eher einen Vorteil. Sie dürfen einen Clubraum im Keller des Palme-Hauses einrichten.

      Dort ist ihre Kommandozentrale. Poster von Led Zeppelin, Pink Floyd und Deep Purple hängen an den Wänden und an der Tür ein übergroßes Poster von Ian Anderson, dem Frontmann von Jethro Tull. Er spielt Querflöte und auf der Bühne steht er immer auf einem Bein.

      Ian Anderson ist Matjes’ großes Idol, noch dazu sieht er ihm täuschend ähnlich. Matjes ist der Klügste von allen. Er geht aufs Gymnasium, ist ebenfalls 13, nur fünf Monate jünger als Holmi. Von allen hat er die längsten Haare, die in dichten Wellen über die Schultern fallen. Aber sportlich gesehen ist er ein totaler Tiefflieger, dafür ist er brillant im Ausarbeiten von Schlachtplänen. Mit Georgie teilt er den Hang zur Rock-Musik.

      Ulli dagegen ist ein hoffnungsloser Witzbold und seine Eigenschaften sind breit gefächert – einige zeichnen ihn aus, andere sind weniger von Nutzen. Sein großes Interesse gilt der einfachen Elektronik, was die Mechanik zwangsläufig mit einbezieht, wobei seine Mutter kein Verständnis für dieses Interesse zeigt, da es den Verbrauch von Stromsicherungen ins Uferlose katapultiert.

      Und er hat einen einzigartigen Tick: Überall trägt er einen hellbeigen Parka. Sogar im Sommer bei größter Hitze. Und dann setzt er noch die Kapuze auf. Allen Ernstes ist er davon überzeugt, dass der Parka sehr gut vor den Sonnenstrahlen schützt und er keineswegs schwitzen würde. Die Menschen in China würden das ja schließlich auch so machen.

      Der Fünfte im Bunde ist Thomas. Thomas Koschinski. Der verfressene Fettmolch Tommi mit den 599 Sommersprossen, der rötlichen Schweinshaut und dem rostroten Krauskopf. Die Sommersprossen wurden einst in mühseliger Kleinstarbeit ermittelt … im Gesicht, am Hals, auf den Schultern, der Brust und den Armen … indem jede einzelne Sommersprosse mit Tinte markiert und gezählt wurde. Matjes war derjenige, der den Plan ausklügelte und diesen dann mit der Hilfe der anderen erfolgreich, wenn auch nervenaufreibend ausführte.

      Auf dem ersten Blick gleicht Tommi einem Ferkel mit Haarteil. Meistens verbirgt er die Haare unter einer dunkelblauen Schirmmütze. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie auf seinem Kopf festgewachsen. Sie gehört zu ihm wie der Hammer zum Nagel. Sie verleiht ihm, wie er sagt, ein besseres Denkvermögen. Mit ihr fühlt er sich einfach sicherer. Sie gibt ihm Selbstvertrauen.

      Wegen seiner Leibesfülle wird er von anderen Kindern und von den älteren Jungs natürlich gehänselt. Er ist nicht sportlich, aber dafür kräftig, wie ein Bär … nur weiß er diese Kräfte absolut nicht einzusetzen. Bei den Mädchen hat er schon gar keine Chancen.

      Nur die Jungs der Clique akzeptieren ihn so, wie er ist.

      Deshalb sind die Fünf für ihn wie eine Familie.

      Er wohnt mit seiner Mutter auf der Stirnseite des Mozartwegs.

      Beide sind unverbesserliche Amerika-Fans.

      Einmal war er schon dort … Verwandte in Chicago besuchen.

      Natürlich war er auch in New York-City.

      Erscheinungen II.

      Irgendwann 1960

      Kapitel 5

      Aufgeschreckt fuhr Georgie herum. Der Lichtstrahl folgte zeitgleich, raste an den Blechspinden entlang, fing jedoch nichts ein, was dort nicht hingehörte. Sofort suchte der Lichtstrahl die schlammigen Fußspuren, als hoffte er, sie würden sich plötzlich in


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