Mittendrin und am Rande – Lebenserinnerungen eines Vertriebenen. József Wieszt
heraus.
Heuernte
Im Juni mähten unsere Hausleute ihre Wiesen. Das geschah mit einem „Mähbalken“, in dem ein Messer ständig hin und her lief und das Gras abmähte. Er war an einer Maschine angebracht, die von Kühen gezogen wurde. Otto saß auf einem Sitz zwischen den Rädern und hob und senkte den Balken mit einem Hebel. Das Gras blieb zum Trocknen in der Sonne liegen, bis es trocken war. Bei heißem Wetter wurde es mittels Rechen täglich gewendet, damit auch die Rückseite zu Heu trocknen konnte. Wenn das Heu fertig war, wurde es in lange Reihen zusammengerecht, die dann von den Männern mit Heugabeln auf einen Leiterwagen geladen wurden. Auf dem Wagen sorgte die Tochter Frieda dafür, dass es richtig verteilt wurde. Auch mein Bruder und ich halfen beim Wenden und auf dem Wagen. War ein Wagen voll, so wurde das Heu mit einem langen Rundholz, dem „Heubalken“, der längs über dem Wagen lag und hinten und vorne mit Seilen oder Ketten gespannt wurde, befestigt. Dann wurde das Heu in die Scheune auf dem Hof gefahren. Die Wege, die dabei gefahren werden mussten, waren mehrere Kilometer lang. Eine solche Fahrt dauerte jeweils über eine Stunde. Wir Kinder durften dabei oben auf dem Wagen mitfahren. Wir lagen auf dem Rücken in der Sonne, inmitten des duftenden Heus und atmeten die würzigen Sommergerüche tief ein. Für mich zählen diese Fahrten zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen an Berghofen. In der Scheune wurde das Heu vom Wagen direkt auf den Heuboden verladen. Das Auf- und Abladen war eine schwere Arbeit. Danach ging’s wieder zurück auf die Wiese, und die Arbeit begann von Neuem. Am Nachmittag fand eine kurze Erholungspause auf der Wiese statt. Zur Stärkung hatte die „Giwwelstante“ Kuchen und Pfefferminztee mitgebracht. Auch an diese Pausen erinnere ich mich gern zurück.
Otto, der Wagenlenker
Der Wagenlenker bei all den Fahrten auf die Felder und Wiesen war Otto, der Sohn der Hausleute. In der rechten Hand hielt er die Peitsche, die er nur sehr sparsam einsetzte, sozusagen nur zur Erinnerung, damit die Kühe beim Ziehen nicht einschliefen. Leicht ließ er das Seilende über den Rücken der Tiere streifen. Die Ahnung, dass er auch schmerzhaft zuschlagen könnte, beschleunigte für eine Weile ihren Schritt, bis sie wieder langsamer wurden. Dann wiederholt sich alles wieder. Otto dirigiert die Tiere meistens mit Sprache: „Oaar“ hieß links, „hott“ hieß rechts, „brrr“ anhalten, „hüüüh“, hieß „Los, los!“ War er zufrieden, klang seine Stimme versöhnlich, wenn er den Namen der Tiere aussprach: Sie hießen „Bless“, „Liese“ oder „Braune“. Gingen sie nicht so, wie sie sollten, schrie er „Schinnoos“, „Brauner Deivel“, „Deer weer ich hälfe“, dann schlug er nach ihnen. Er war jähzornig. Diese Wutanfälle waren sozusagen das ergänzende Verhalten zu seiner sonst überwiegenden Ruhe.
Giebels haben sich nie einen Traktor angeschafft, auch keinen Selbstbinder. Das Geld dazu fehlte immer. Auch an einen „Gummiwagen“ kann ich mich nicht erinnern, so wurden Wagen mit Gummi bereiften Rädern genannt. Giebels Wagen hatten Holzspeichenräder mit einem Stahlband drum herum. Die Lauffläche war im Sommer silbrig glänzend vom Gebrauch mit Kratzspuren überfahrener Steinchen. Der Seitenrand kontrastierte dazu rostig-schmutzig. In Berhofen gab es keine Ochsen, es gab nur junge Bullen, die bald geschlachtet oder verkauft wurden, und den Deckbullen, der für Nachwuchs sorgte. Die Kühe waren rechts und links der Wagendeichsel festgemacht. Sie zogen mit einem „Kummet“, das vor die Stirn der Tiere mit Riemen geschnallt wurde und an dem die Zugketten befestigt waren. Die Ketten liefen über eiserne Führungsringe, die an breiten ledernen Leibriemen an den Außenseiten der Tiere befestigt waren. Sie waren an jeweils einer „Runge“ befestigt, die ihrerseits mittels Ring und Öse an der „Waage“ festgemacht war. Sie wurde über einen starken Bolzen geschoben, der in eine Halterung am Ende der Deichsel eingelassen war. Er stellte die feste Verbindung zum Wagen dar. An ihm hingen die komplette Zugvorrichtung und damit das ganze Gewicht des Wagens.
Gelenkt wurden die Tiere mittels langer Lederriemen, der „Korschel“, die jeweils an der äußeren Seite des Kummets der Zugtiere befestigt waren. In den Händen des „Kutschers“ liefen die Riemen zusammen. Ein kurzer Ruck am rechten Riemen und die Tiere fuhren rechts heran oder bogen rechts ab. Ein Zug nach links und das Gleiche geschah in der umgekehrten Richtung. Wurden beide Riemen gezogen, fast immer verbunden mit einem lauten „brrrrrh“, blieben die Tiere stehen. War die Straße abfallend, mussten sie die Beine spreizen und sich gegen das Gewicht des nachschiebenden Wagens stemmen, um anzuhalten. Ging‘s zu steil abwärts, zog Otto die Bremsen des Wagens an und entlastete damit die Tiere. Die Bremse war ein mit Gummi beschlagener Holzkeil, der mittels einer Gewindestange auf die Lauffläche der Räder gepresst wurde. Dann entstand ein kratzendes, zuweilen quietschendes Schleifgeräusch. Je schwerer der Wagen beladen war, desto lauter und störender wurde es. Drehte er die Bremse wieder auf, rollte der Wagen leiser weiter.
Angespannt wurden in der Regel nur ältere, bewährte Kühe, die keine Kälber mehr bekamen. Sie zogen die Wagenfracht. Solange eine Kuh noch säugte, wurde sie im allgemeinen als Zugtier nicht benutzt. Nur in Ausnahmefällen, für leichtere Ladungen und wenn die Stammtiere einen schwereren zweiten Wagen zu ziehen hatten, wurde auch eine säugende Kuh mit angeschirrt. War das Kälbchen noch so jung, das es nicht allein im Stall zurückbleiben sollte, lief es während der Fahrt neben seiner Mutter her, munter und ausgelassen, ohne sein späteres Schicksal schon auch nur ahnen. Als die ersten Autos nach dem Krieg wieder auf den Landstraßen fuhren, wurde das Kälbchen hinten am Wagen mit einem Strick angebunden.
Auf der Asphaltstraße war das Fahrgeräusch kaum wahrnehmbar, ein leises Rollen nur, das vom regelmäßigen, leisen Aufklatschen der Hufe begleitet wurde. Diese Ruhe wurde von Ottos immer wiederkehrenden Befehlen an die Tiere unterbrochen: „Schnäller!“, „Schloof nit eeh!“, „Werds baole!“ („Schneller!“, „Schlaf nicht ein!“, „Wird’s bald!“). Auf den Feldwegen war es anders. Da rüttelten die Schlaglöcher den Wagen durcheinander, er rumpelte, rappelte und knarrte, dumpf und hell. Waren die Wege aufgeweicht, schmatzten die eisenbeschlagenen Reifen in dem weichen Lehm, schlürften und saugten sich durch den Matsch. Bei der Getreideernte im Juli waren die Feldwege trocken, dann lief der Wagen leichter.
Getreideernte
Das Getreide wurde geerntet, zunächst Hafer und Gerste und danach der Roggen. Weizen wurde in Berghofen kaum angebaut. Das Klima und der Boden waren nicht entsprechend. Während der langen Schulferien im Sommer halfen wir Kinder auch bei der Getreideernte mit. Das war eine unangenehme Tätigkeit. Otto schnitt mit seinem Mähbalken das Getreide ab, und die übrigen Helfer, Frauen und Kinder, mussten es aufnehmen und zu Garben zusammenbinden. Das geschah mittels gedrehten Strohs, das als Band diente. War eine Garbe fertig, wurde sie beiseitegelegt und die nächste kam dran. Ganz zum Schluss wurden die Garben zu „Hicheln“, in unserem Dialekt hießen sie „Manderl“, zusammengestellt. Eine Garbe wurde wie ein Dach auf jeden Hichel gesteckt. Es sollte das Wasser abhalten, falls unerwünschter Regen kam. Die Hichel blieben zum Nachtrocknen auf dem Feld und die Garben wurden später aufgeladen und in die Scheune gebracht, wo sie bis zum Dreschen lagerten. Dabei mussten die Bauern darauf achten, dass die Ähren nicht zu trocken waren, damit die Körner nicht vor dem Dreschen herausfielen.
Die Kartoffeln müssen raus
Ende Oktober begannen die Kartoffel- und Rübenernten, die sich bis weit in den November hineinzogen. Die Kartoffeln wurden mit dem „Roder“ aus dem Boden geackert und mittels eines sich drehenden Gabelrades mit langen gebogenen Zinken auf dem Acker verteilt. So lagen sie gut sichtbar auf einem Streifen von etwa einem Meter ausgebreitet. Frauen und Kinder lasen die Kartoffeln auf und legten sie in Körbe. Uns schmerzte dabei sehr schnell der Rücken. Waren die Körbe voll, wurden sie in bereitgelegte Säcke geschüttet. Die vollen Säcke standen in langen Reihen auf dem Acker, wurden mit Seilen zugebunden und mit dem Wagen abtransportiert.
Wenn der Wagen mit Kartoffeln oder Rüben voll beladen war, kamen die Zugtiere nur mühsam voran. Dann mussten die Mitfahrer abspringen und schieben helfen, auch wir Kinder. Gelegentlich blieb der Wagen auch ganz stecken. Dann wurden Männer und Frauen von den benachbarten Feldern zum Schieben dazu gerufen. Wenn auch das nicht half, spannten die Bauern weitere Zugtiere vor den Wagen. Waren keine in der Nähe, wurde ein Teil der Ladung unter Fluchen und Verwünschungen abgeladen. Dabei war es zumeist nasskalt, es nieselte oder regnete, die Klamotten waren verdreckt und durchweicht, die Schuhe hielten