Harry in love. Christina Masch
Gedanken, die mir auf der Seele brennen und vielleicht kannst Du sie auch ein wenig verstehen … Denn dieser Brief scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, mich Dir mitzuteilen, nachdem Dein Vater mich letzte Nacht recht forsch der Tür verwiesen hat. Ich kann es sogar nachvollziehen, denn bislang verlief irgendwie so ziemlich alles anders als erwartet; falls man das überhaupt so bezeichnen kann?
Isabel. – Ein wirklich schöner Name …
Es tut mir übrigens leid. Es tut mir leid, dass bei unserem ersten Aufeinandertreffen Deine Spieluhr zu Bruch gegangen ist. Ich weiß, ich kann dies unmöglich wieder gut machen und noch weniger kann ich die Zeit zurückstellen, was ich am liebsten täte.
Ich denke, für uns beide war dies kein guter Tag. Ich war in Eile und Du schienst auch schon vor meinem Rempler gereizt. Ich war dann nur noch das I-Tüpfelchen des Ganzen.
Ich möchte mich diesbezüglich auch noch einmal in aller Form bei Dir entschuldigen.
Und auch, wenn Du mich für einen arroganten Pinsel hältst, muss ich dazu sagen, dass ich Dir nur deshalb nicht geholfen habe, weil ich so perplex über Deine Ausdrucksweise und Deine Schimpftiraden war: So hatte noch nie jemand mit mir gesprochen – nicht einmal meine Großmutter! Du hast mich einfach so verwirrt, dass ich nur wie ein kleiner dummer Junge daneben stehen und Dich anstarren konnte.
Das mit Deiner Spieluhr habe ich auch erst viel später mitbekommen, als ich über ihre Reste gestolpert bin. Es befinden sich noch immer der Holzsockel und das Spieluhrmagazin in meinem Besitz. Ich würde sie Dir gerne persönlich wiedergeben.
Beim letzten Mal wurden wir ja leider dabei unterbrochen.
Apropos letztes Mal:
Es muss Dir wirklich schon sehr merkwürdig vorkommen, dass egal, wo Du hingehst oder hinschaust, ich ständig Deinen Weg kreuze …
Eines sei Dir aber versichert, es ist alles nur reiner Zufall; keine Angst, ich verfolge Dich nicht und lasse Dich auch nicht mehr beschatten! Das gestern im Club war auch nur ein Zufall.
Ich bin recht oft dort, da ich den Besitzer zu meinem Freundeskreis zählen darf. Er war auch derjenige, der vorgeschlagen hat, dass ich den Hauptpreis überreichen soll. Ich muss gestehen, als ich erfuhr, wer gewonnen hat, konnte ich dem auch nicht widerstehen.
Bitte verzeih!
Und falls ich Dich etwas zu grob angefasst haben sollte, tut es mir leid. Aber Du hattest keinen Grund davonzulaufen! Ich wollte Dir wirklich nur Deinen Preis übergeben und Dir gratulieren.
Übrigens, ich kann mich nur wiederholen: Du tanzt gut. Es hat mir sehr gefallen, was Du und Deine Freundin vorgeführt habt. Ich hoffe, Du lässt den Gutschein nicht verfallen. Denn nicht ich habe ihn gesponsert, sondern der Club! Ich war dort gestern auch nur ein Gast.
Aber das nur nebenbei.
Solltest Du tatsächlich bis hier gelesen haben, möchte ich Dir noch eines mitteilen: Falls Du nämlich der Meinung sein solltest, dass ich diesen Brief nur deshalb geschrieben habe, um so mein Gewissen zu beruhigen und an Deines zu appellieren, dass Du Dich nicht doch noch an die Presse wendest, sei Dir gesagt, dass ich es a) eh nicht verhindern könnte, wenn Du dieses wolltest und b) es mir nun auch egal wäre. Doch ich vertraue Dir.
Warum, weiß ich selbst nicht so genau; aber ich weiß, dass es so ist!
… und so bleibt nur noch eine Frage offen:
Bist Du gewillt, mir noch einmal gegenüberzutreten, damit ich Dir die Reste der Spieluhr übergeben kann? Ich weiß, ich könnte Sie Dir auch per Post schicken, oder gar über den Boten, der Dir diesen Brief überbracht hat, zukommen lassen. Doch um ehrlich zu sein, habe ich Angst, dass sie so noch gänzlich verschüttgehen. (Auch wenn das im Grunde völliger Blödsinn ist.) Der eigentliche Grund ist der, dass ich gerne noch einmal ein paar Worte mit Dir würde wechseln wollen …
Wie auch immer Deine Antwort ausfallen sollte. Es wäre nett, wenn Du sie mir in irgendeiner Form zukommen lassen könntest.
Danke, Harry.
Kapitel 4
„Onkel Harry, Onkel Harry! Zum Karussell! Ich will zum Karussell!“, schrie Klein Marie und zog energisch an dem Arm von Prinz Harry, der Marybeth wie versprochen zum Kinderrummel eine Woche vor Weihnachten begleitete.
Nachdem Marybeth bereits zum vierten Mal mit ein und demselben Kinderkarussell gefahren war, rannte sie nun herüber zu den Ponys. „Ich auch! Bitte, Onkel Harry! Mami, darf ich?!“, bettelte Marie. Prinzessin Jane lachte und ließ Harry mit seiner Nichte allein.
Während Harry darauf acht gab, dass Marybeth nicht vom Pferd fiel, wanderte Jane durch die aufgestellten Pavillons und machte eine Entdeckung: Um zwei Uhr gab es im großen Zelt eine kleine Zirkusvorstellung, gefolgt von einer Märchenstunde, die eine gewisse Lindsay Canningham durchführte. Canningham? So hieß doch auch Isabel mit Familiennamen! Jane lächelte verschmitzt, denn sie hatte so eine Vorahnung und lief zu ihrer Tochter und Harry herüber. „Marie, dort drüben kommen gleich die Clowns, die magst Du doch so gerne. Wollen wir hinübergehen?“
„Au ja!“, erwiderte Marybeth begeistert.
Harry seufzte. „Oh weh, was tust Du mir nur an, Jane?!“
„Was hast Du denn? Lachen ist gesund! Im Übrigen könntest Du auch mal wieder ein paar Glückshormone ganz gut gebrauchen. Und ich denke, Marie ist die beste Ablenkung für Dich!“, erklärte Jane simpel.
„Danke, das ist zu gütig von Dir! – Ich wäre ja schon froh, wenn ich wüsste, ob Isabel meinen Brief wenigstens gelesen oder gleich zerrissen hat …“
„Harry, sei nicht so ungeduldig! Lass ihr Zeit. Wenn Du sie bedrängst, bewirkst Du doch nur das Gegenteil von dem, was Du eigentlich willst.“
Bevor Harry erneut etwas darauf erwidern konnte, rief Marybeth bereits wieder nach ihnen: „Onkel Harry, Mami … die Clowns!!!“
Gemeinsam betraten sie das Festzelt.
Während sich Marie in die erste Reihe zu den anderen Kindern setzte, machten es sich Jane und Harry im hinteren Bereich auf einer der Bänke bequem. Zu Janes Freude amüsierte sich Harry genauso köstlich wie ihre Tochter über die zwei Kasper in der Mitte der Manege. Doch plötzlich wurde es dunkel im Zelt und man konnte an der Decke goldene Sterne tanzen sehen. Es war Zeit für die Märchenstunde.
Eine Dame mittleren Alters, mit goldenem, langem Haar, einem spitzen Hut mit Schleicher, sowie einem seidigen Kleid wurde von zwei Pagen in die Manege getragen. In einer Hand hielt sie einen Feen-Zauberstab und in der anderen ein dickes Märchenbuch. Harry lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Endlich saß Marybeth einmal völlig ruhig und gespannt auf dem Boden und sah erwartungsvoll wie alle anderen Kinder die Märchenfee an. Doch abrupt öffnete Harry die Augen wieder, als er die Stimme der Märchenfee hörte. Irritiert sah er der Frau in der Mitte des Zeltes ins Gesicht. Harry sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen.
Während die Märchenfee den kleinen Kindern das Märchen vom Nussknacker erzählte, beobachtete Jane Harry ganz genau. „Was ist los?“, flüsterte sie.
„Die Frau da vorne spricht genauso wie Isabel, und sie sieht, einmal abgesehen von den Haaren, auch fast aus wie sie; nur halt älter“, sagte Harry zu Jane.
„Bist Du Dir da ganz sicher?“
„Ich denke schon …“
Während Harry weiter darüber grübelte, ob es sich bei der Frau um eine Verwandte von Isabel handeln könnte, schaute die Märchenfee parallel ebenfalls in regelmäßigen Abständen zu Harry herüber.
Nachdem das Märchen vorbei war, wurde das Zelt wieder hell erleuchtet und die Kinder strömten schnell wieder nach draußen. Außer Marybeth, sie saß noch immer gebannt vor der Frau in der Manege. „Bist Du wirklich eine Fee?“, fragte Klein Marie auch sogleich die Geschichtenerzählerin.
Die Dame lächelte: „Schon möglich. Hast Du denn einen Wunsch, der erfüllt