Verwildert. George Monbiot
ausgeschickt wurde, um der Sichtung eines Löwen in einem Spa in Leamington nachzugehen. Auf seiner Runde hielt er an und fragte einen Milchmann, ob er das Tier gesehen habe. Kurz darauf, so schrieb er in seinen Bericht, »nahm ich einen vorbeihuschenden Schatten wahr und ein plötzliches Gewicht« im Fond des Wagens. »In einer fließenden Bewegung war der Löwe durch das Hinterfenster auf die Rückbank gesprungen.« Ohne Weiteres machte sich das Tier dort breit und der Beamte fuhr es zur Wache, wohl wissend um den Atem in seinem Nacken.
Nach einer Reihe von Viehrissen fing 1980 in Easter Ross, Schottland, ein Landwirt ein Pumaweibchen in einer Köderfalle. Anfangs schien es sich um ein wildes und bösartiges Tier zu handeln, das seine Häscher anfauchte und anspuckte. Aber dies legte sich schnell, als der Puma im Highland Wildlife Park in Kincraig untergebracht worden war. Harpur berichtet, wie das Tier, sobald sich jemand seinem Käfig näherte, zu schnurren begann und sich an den Stäben rieb. Offenbar gehörte die Berglöwin zu einem Paar, das in den Highlands von einem Mann, der ins Gefängnis musste, freigelassen worden war. Das andere Tier war später in der Nähe von Inverness tot aufgefunden worden.
Seither wurde nur ein einziges großes Raubtier gefangen, obwohl hunderte ähnlicher Fallen aufgestellt worden waren. Ein Kryptozoologe namens Pete Bailey, der schon fünfzehn Jahre lang auf der Jagd nach dem Beast of Exmoor war, kroch in eine seiner Fallen, um den Köder zu wechseln, und löste den Mechanismus aus. Zwei Nächte lang saß er dort fest, bevor er befreit wurde, und aß das rohe Fleisch, das er für die Katze ausgelegt hatte. Wir jagen das Biest, doch das Biest sind wir selbst.
Was ist dabei herausgekommen? Keine Fotos, keine Fänge, kein Kot, keine Kadaver (bis auf ein paar Schädel, die, wie sich später herausstellte, in die Wildnis geraten waren, nachdem sie sich von einem Leopardenfell und einer Wandtrophäe entfernt hatten), nicht einmal ein eindeutiger Fußabdruck. Die Biester Großbritanniens sind einer fünfwöchigen Jagd durch Royal Marines, Polizeihubschraubern und bewaffneten Einsatzkräften (was über die Ermittlungsanstrengungen bei Autodiebstählen weit hinausgeht), einer Reihe von Großkatzenexperten und Schatzsuchern und dem massiven Einsatz der besten Verfolgungs-, Anlock- und Aufspür-Techniken entwischt, über die der Mensch verfügt. Anderswo hat diese Technik funktioniert, hier jedoch nicht.
1995 schickte die Regierung zwei Ermittler in das Bodmin-Moor nach Cornwall, wo es angeblich die meisten Belege für das Vorkommen von Großkatzen gibt. Sie verbrachten sechs Monate mit Feldarbeit, untersuchten Kadaver und Fährten, erkundeten die Stellen, an denen das Biest von Bodmin gesichtet und fotografiert worden war. Die Unternehmung trägt Züge einer königlichen Untersuchungskommission des neunzehnten Jahrhunderts. Der Bericht enthält Fotografien eines strammen Kerls mit einem großen Schnauzbart und einer Messlatte in der Hand, der die Höhe der natürlichen Begebenheiten demonstriert, an denen das Biest aufgenommen worden war.7 Der Text dazu liest sich stellenweise wie die letzten Kapitel von Der Hund von Baskerville. Der Bericht ist gründlich, erschöpfend und niederschmetternd für diejenigen, die zwar der Meinung sind, dass es andere angebliche Großkatzen wohl nicht gibt, aber von der Existenz des Biests von Bodmin überzeugt sind. Die Ermittler untersuchten die berühmte, überall im Fernsehen ausgestrahlte Videosequenz, die eine Katze beim Sprung über eine Trockenmauer zeigt. Das sieht beeindruckend aus, bis man den vom Ministerium abgestellten Mann mit seiner Messlatte neben der Mauer stehen sieht und realisiert, dass das Hindernis kniehoch ist. Eine monströse Katze, die auf einem Torpfosten hockt, schrumpft von einer Schulterhöhe von knapp einem Meter auf dreißig Zentimeter, sobald die Messlatte in die Nähe kommt. In einem Fall, in der das Biest beim Überqueren eines Felds gefilmt wurde und keine zweckdienlichen Landmarken zur Verfügung standen, mit denen man es hätte vergleichen können, brachten die Ermittler eine schwarze Hauskatze an den Ort des Geschehens, setzten sie an der gleichen Stelle ab und fotografierten sie aus der Perspektive, aus der das Video aufgenommen worden war. Die Miezekatze sieht etwas größer aus als das Monster. (Unverdrossen insistieren die Verfechter des Biests von Bodmin nun darauf, dass die Originalbilder Baby-Großkatzen zeigen, deren Eltern rätselhafterweise nicht mit im Bild sind. Standbilder aus diesen Videos werden in Britannien noch immer als Beweis angeführt, dass Großkatzen durch die Insel streifen.)
Die Ermittler verglichen eine schauerliche nächtliche Nahaufnahme des Biests mit dem Bild eines echten schwarzen Panthers und bemerkten ein offenkundiges, aber bislang unbemerktes Problem. Der Panther im Käfig besitzt wie alle Großkatzen runde Pupillen, während die Kreatur auf der Fotografie vertikale Schlitze hat, ein Merkmal, das nur bei den kleineren Arten wie etwa der Hauskatze vorkommt. Sie untersuchten die drei Gipsabgüsse, die von im Moor gefundenen Trittsiegeln abgenommen worden waren. Zwei stammten von einer Hauskatze, eines von einem Hund. Sie suchten die grausigen Schafkadaver auf, die, wie die Ortsansässigen unbeirrt behaupteten, von dem Biest zerfetzt worden seien. Dass sie zerfetzt waren, daran bestand kein Zweifel, aber die Bösewichte waren Krähen, Dachse, Füchse oder Hunde gewesen (deren Spuren um manch eines der Gerippe buchstäblich überall verteilt waren), und in den meisten Fällen waren die Schafe zerrissen worden, nachdem sie aus anderen Gründen verendet waren. Die Wissenschaftler räumten zwar ein, es sei unmöglich zu beweisen, dass keine Großkatze existieren würde, aber sie waren auch auf keinen eindeutigen Beweis gestoßen, der für das Gegenteil sprach. Die regierungsamtliche Organisation Natural England sowie die durch die Waliser Regierung einberufene Großkatzen-Sichtungs-Einheit – beide hatten Sichtungen in Großbritannien untersucht – waren zu dem gleichen Schluss gekommen. Ich würde noch einen Schritt weiter gehen: Wenn eine lebensfähige Population dieser Tiere existieren würde, gäbe es häufig genug eindeutige Beweise. Wenn diese Beweise fehlen, spricht das dafür, dass eine solche Population nicht existiert. Mit der verschwindend geringen Ausnahme der hin und wieder entlaufenen Exemplare (die allesamt rasch wieder eingefangen oder zur Strecke gebracht worden sind und von denen kein Einziges schwarz war) sind die Biester, die von so vielen vernünftigen, aufrichtigen, seriösen Leuten beobachtet wurden, reine Imagination. All dies hat aber nicht die geringste Wirkung gezeitigt, weder was die Anzahl der Sichtungen anbelangt noch im Hinblick auf die atemlose Leichtgläubigkeit, mit der die Zeitungen darüber berichteten. Ein Artikel in der Daily Mail behauptete, dass »riesige Tatzenabdrücke« im Schnee »endlich den Beweis erbringen« könnten, dass das Biest von Stroud existiert.8 Die Frau, die auf sie gestoßen war, erzählte der Zeitung, das Ganze sehe aus, als »hätte jemand an jeder Zehenspitze, wo seine Klauen eine Vertiefung in den Schnee gedrückt haben, einfach einen Pfeil geworfen.« Dies bestätigt, was die Fotos nahelegen: die Fußabdrücke stammten von einem Hund. Katzen ziehen beim Gehen ihre Klauen ein. Ein langer Bericht im Scotsman mit dem Titel: »Gigantische Pfotenabdrücke – streift eine Großkatze in der Hauptstadt umher?«, behauptete, dass von einem Rentner gesichtete Spuren im Schnee nahelegten, auch Edinburgh werde nun wie London von einer monströsen Raubkatze heimgesucht.9 Ein »Experte«, der eigens konsultiert wurde, meinte, »es ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen«, dass die Fußabdrücke von einem Biest verursacht worden seien. Wenn, dann dürfte es sich um eine furchterregende Kreatur gehandelt haben: ein einbeiniger Nachtmahr, der auf seinen Zehenspitzen durch die Straßen hüpft. Oder es war jemand, der schlicht seine Finger in den Schnee gedrückt hatte.
Ein ebenso plausibler Artikel stand im Guardian. Er berichtet von einem Mann, der behauptet, vom Panther von Sydenham angegriffen worden zu sein.10 Das Biest »sprang auf meine Brust, riss mich zu Boden«, erzählte er.
Ich sah seine riesigen Zähne und das Weiße seiner Augen nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Es fauchte und knurrte und ich war mir sicher, gleich würde es mich ernsthaft verletzen. Ich versuchte, es loszuwerden, aber ich konnte mich nicht rühren, es war schwerer als ich.
Ein Bericht der BBC behauptete, dass der Panther den Mann »für etwa 30 Sekunden in seinen Klauen« hatte und er deshalb »überall am Körper zerkratzt« war.11 Wäre er wirklich so von einem Leoparden angegriffen worden, wäre seine Kehle durchbissen gewesen, bevor er überhaupt mit den Augen hätte blinzeln können.
Meine Lieblingsgeschichte aus der Daily Mail trägt den Titel: »Ist dies das Biest von Exmoor? Kadaver eines rätselhaften Tiers am Strand angespült.«12 Begleitet von einer Fotografie eines verwesten Kopfes (und einer weiteren eines fauchenden schwarzen Panthers) stand in dem Bericht, dass »große