Der Milliardär und der Mechaniker. Julian Guthrie
in der Folge des 11. September Larrys volle Aufmerksamkeit hatte. Also wechselte er das Thema und berichtete von einigen Ergebnissen des Teams im Rahmen der Match Races vor der Küste Venturas. Im Einsatz waren die beiden AmericaOne-Boote mit den Segelnummern 49 und 61. Erkelens hatte verschiedene Kombinationen von Booten, Ausrüstung und Seglern ausprobiert und sich die Rennen oft vom Schiedsrichterboot aus angesehen. Erkelens berichtete Larry, dass das erste Rennen von einer gebrochenen Segellatte und einem Riss im Großsegel ausgebremst worden war. Im zweiten Rennen war Cayard als Steuermann an Bord von Boot Nummer 61 im Einsatz, Holmberg als Taktiker. Cutler steuerte die 49 mit Dickson als Taktiker. Cayard und Holmberg gewannen souverän. Im dritten Rennen stand Cayard am Steuer der 61, und Cutler war sein Taktiker, während Dickson die 49 steuerte und Holmberg die Taktik ansagte. Cayard und Cutler übernahmen die Führung früh und schlossen das Rennen mit einem eindeutigen Sieg ab. In einer weiteren Serie von Round-Robin-Runden, in denen der beste Steuermann ermittelt werden sollte, verbuchte Holmberg zehn Siege bei zwei Nieder lagen. Cayard hatte sechs Siege und sechs Niederlagen. Dickson hatte wie Cutler vier Siege und acht Niederlagen.
Erkelens nutzte die Statistik, um seine Zweifel in Bezug auf Dickson anzuschneiden. »Mir ist klar, dass du als Steuermann auf SAYONARA mit Dickson als Taktiker sehr viele Erfolge hattest«, sagte Erkelens, »er ist ein Perfektionist und könnte der beste Segler der Welt sein.« Das Problem sei aber, so Erkelens, dass Dickson andere Menschen nicht dazu motivieren könne, mit ihm zu arbeiten. An jedem beliebigen Tag würde Dickson seine eigenen Crew-Kameraden aus heiterem Himmel anschreien, die man daraufhin davon zurückhalten musste, auf ihn loszugehen. Er war der John McEnroe der Segelwelt, Talent und Störfaktor in Personalunion.
»Großartig«, sagte Larry, »ich habe als Teamchefs also Cayard, der ein Arschloch ist, und Chris, der verrückt ist. Ein Arschloch und einen Verrückten. Perfekt.«
»Ja, aber du hast auch eine ganze Menge guter Jungs«, sagte Erkelens.
»Schau mal«, sagte Larry, »Ich bin ja nicht da. Ich kann die Situation nicht einschätzen. Ich weiß nicht, wer aus deiner Sicht den Platz von Chris einnehmen könnte. Mach, was du für richtig hältst.«
Eine Bedingung jedoch hatte Larry: Zuerst müsse Cayard das Boot verlassen. Nachdem er mit ihm einige der ersten Rennen mit SAYONARA absolviert hatte, hatte Larry beschlossen, nie wieder mit Cayard zu segeln. Er war einer der besten amerikanischen Segler mit viel America’s-Cup-Erfahrung und solider Erfolgsbilanz, doch Larrys Erinnerungen waren aus den falschen Gründen sehr lebendig. Während SAYONARAS erstem Rennen, damals eine Sieg- und Rekordfahrt in einem Küstenrennen von San Francisco nach Catalina Island, war Cayard an Deck und erzählte der Crew Geschichten, während Larry steuerte. Eine ganz bestimmte Geschichte handelte von Cayard, der von einem Industriekapitän dafür bezahlt wurde, dessen Regattayacht zu steuern, und der gleichzeitig mit beiden Töchtern des Mannes schlief. Larry hat selbst eine Tochter. Er hörte die Geschichte und folgerte daraus, dass Cayard ein kolossaler Schwachkopf sei. Später beobachtete Larry im Transpac Race von Los Angeles nach Hawaii, wie Cayard viel zu viel Zeit auf die Suche nach Flügen ab Hawaii verschwendete, anstatt sich auf den Sieg im laufenden Rennen zu konzentrieren. Anstatt den kürzesten Kurs von Los Angeles über den Großkreis nach Hawaii zu nehmen, riskierte SAYONARA einen Schlag nach Süden. Cayard hatte erwartet, dort mit mehr Wind belohnt zu werden. Stattdessen aber hatten sie viele Extrameilen absolviert, um sich schließlich in noch flaueren Winden wiederzufinden. Die Zockerei kostete SAYONARA das Rennen. Sie wurden Zweite. Larry nahm die Niederlage übel. Und fand, dass Cayard das Verlieren zu leicht nahm.
Erkelens wusste, dass viele Segler, insbesondere jene, die sich loyal mit dem St. Francis Yacht Club verbunden sahen, spekuliert hatten, dass Larry niemals wirklich Cayard als Steuermann eingeplant, sondern ihm lediglich goldene Handschellen angelegt hatte, damit er nicht für andere Teams segeln konnte.
Larry fand diese Gerüchte lächerlich. Er sagte Erkelens, dass er nie beabsichtigt habe, Cayard aus dem Wettbewerb zu nehmen. »Ich wäre glücklich gewesen, wenn Paul bei einem anderen Team unterschrieben hätte«, sagte Larry, »unglücklicherweise aber erlauben es die Cup-Regeln nun einmal nicht, dass Leute die Teams während einer laufenden Kampagne wechseln. Es ist nicht wie im Baseball: Mit dir kann nicht gehandelt werden.«
Larry sagte Erkelens, dass Cayard auch weiterhin sein volles Gehalt bekommen, aber auf einen Posten an Land zurückgestuft werden würde. »Du musst ein Meeting mit Cayard anberaumen und ihm mitteilen, dass er weiter voll bezahlt wird, aber nicht mehr an Bord ist.«
Mitte Oktober traf sich Erkelens widerstrebend auf einen Kaffee mit Cayard, während das Team die letzten Reisevorbereitungen für den Umzug nach Neuseeland traf. Er hatte versucht, Larry zu überreden, Cayard an Bord zu behalten. Während er seinen Kaffeebecher in der Hand hielt, unterrichtete Erkelens Cayard von Larrys Entscheidung. Er konnte sehen, dass Cayard die Hintergründe der Entscheidung nicht verstand. Selbst mit einem beträchtlichen Ego ausgestattet, weigerte sich Cayard einzusehen, dass er in der früheren Zusammenarbeit mit Larry Fehler gemacht hatte. Fehler, die Larry nicht bereit war zu vergessen.
Anschließend traf sich Erkelens mit Dickson, um diesen davon zu unterrichten, dass sich sein Aufgabengebiet reduzieren würde. Erkelens hatte ihn aufgrund seines launischen Verhaltens an Land verwarnt. Er erklärte Dickson, dass Larry entschieden hätte, Cayard nicht mit nach Neuseeland zu nehmen, und dass John Cutler Cayards Platz als Segeldirektor einnehmen würde. Erkelens warnte Dickson auch, dass er seinen Job verlieren würde, wenn er weiter diese Anfälle bekäme. Im weiteren Gesprächsverlauf erläuterte Erkelens Dickson sein neues Arbeitsfeld. Er würde auch künftig Mitglied des Segelteams und der Afterguard sein. Er würde während der Test- und Trainingsrennen einer der beiden Hauptsteuerleute des Teams und dabei direkt John Cutler unterstellt sein. Er würde die Autorität über sein Boot haben, während er steuerte, doch Cutler würde das tägliche Segelprogramm des Teams mit allen Vollmachten und Autorität auch über ihn, Dickson, haben.
Energisch fügte Erkelens hinzu: »Du wirst seinen Anweisungen auf dem Wasser und an Land folgen.«
Dickson hatte schon eine Weile mit dem gerechnet, was Erkelens nun für ihn bereithielt. Aber er würde sich in seinen Bemühungen um den Sieg im internen Kampf um die Position des Steuermanns nicht austricksen lassen. Er hatte seine Strategie zur Verteidigung seiner Top-Position längst im Kopf.
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