Der Milliardär und der Mechaniker. Julian Guthrie

Der Milliardär und der Mechaniker - Julian Guthrie


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zu konzentrieren. Der Refrain hatte inzwischen die Qualität eines Gassenhauers. Jozo sagte zu seinem Sohn, dass er zu lange und zu hart gearbeitet hätte, um seinem Sohn das Geschäft wie selbstverständlich zu überlassen. Madeleine ging die Sache auf ihre Weise an. Sie wollte verstehen, womit ihr Mann es zu tun hatte. Also besorgte sie sich das Buch »Der Unterschied zwischen Gott und Larry Ellison: Gott glaubt nicht, dass er Larry Ellison ist«. Sie würzte ihr abendliches Bettgeflüster mit Leckerbissen aus der Lektüre: »Der Oracle-Weg … war der zum Sieg«, las Madeleine laut vor. »Wie das Ziel erreicht wurde, war nebensächlich.« Sie fuhr fort: »Während Ellison absolute Loyalität verlangte, gab er sie nicht immer zurück. Die Menschen, die er am meisten mochte, waren jene, die etwas für ihn taten. Die Leute, die er anheuerte, waren alle Genies bis zu dem Tag, an dem sie aufhörten, für ihn zu arbeiten. Dann waren sie Idioten oder Schlimmeres.« Er hatte nie einen College-Abschluss gemacht. Madeleine staunte. Er war zwei Jahrzehnte nach einem 1200-Dollar-Investment in ein Startup-Unternehmen namens Software Development Laboratories, dem Vorgänger von Oracle, zum Milliardär geworden. In seinem früheren Leben bis Mitte 20 schienen alle Menschen um ihn herum besorgt gewesen zu sein, dass er keine Ahnung davon hätte, wie man Geld verdient. »Das ist nicht ohne Ironie«, sagte Madeleine. Larrys erste Frau Adda Quinn war es gewohnt, dass Larry in seiner haltlosen Art von einem Computer-Programmierjob zum nächsten stürmte. Sie wurde dessen überdrüssig und trennte sich, als er Tausende Dollar borgte, um ein 34-Fuß-Segelboot zu kaufen, obwohl das alte 24-Fuß-Boot noch nicht einmal abbezahlt war.

      Der hochfliegende Milliardär war dreimal verheiratet gewesen und hatte sich dreimal scheiden lassen, bemerkte Madeleine. Er fuhr Ferraris, stieg dann auf Bentley-Cabrios und Acura-NSX-Sportwagen um. Er verbrachte Wochenenden mit seinem Sohn und veranstaltete Schein-Luftkämpfe über dem Pazifik. Norbert beendete das Bettgeflüster und sagte seiner Frau, dass er sich sein Urteil aufsparen würde, bis er den Mann persönlich kennenlernen würde. In Norberts Augen war Mr. Ellison, wie er ihn nannte, aus dem Nichts gekommen und hatte aus seinem Leben einen Erfolg gemacht. Norbert schaute den Menschen lieber direkt in die Augen und bildete sich seine eigene Meinung.

      Einen Monat später stand Norbert in seinem Haus in Larkspur vor dem Spiegel im Badezimmer und probte die Rede, die er an diesem Abend halten wollte. Zuvor hatten sie alle Mitglieder mit einer Benachrichtigung an die anstehende Vollversammlung erinnert. Außerdem hatte man eine Handvoll Freiwilliger aufgelistet, die eine Telefonkette starteten, um die Mitglieder vorzuwarnen, dass eine »wichtige Diskussion über die Zukunft des Clubs« auf dem Programm stand.

      Norbert und Madeleine kamen frühzeitig in den Club, um die Bestände der Bar zu überprüfen und mit dem neuen Teilzeitgeneralmanager Bill Chow zu sprechen. Nur eine Handvoll Leute wusste von der Bedeutung dieses Abends. Er war eine Art letzter Test für Norbert und den Golden Gate Yacht Club – Bill Erkelens wollte sehen, ob die Clubmitglieder die Idee der Partnerschaft mit Oracle unterstützten. Falls Erkelens Bedenken wahrnehmen würde, war der Deal geplatzt. Norbert hatte keine Chance, die Reaktionen der Mitglieder im Voraus zu antizipieren. Insbesondere nicht die der älteren.

      Als sich etwa 80 Leute im Speisesaal versammelt hatten, sagte Norbert, dass er eine Rede über die »großartige kleine Club-Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft« halten wolle. Er schaute Madeleine an, die mit Gastmitgliedern der Küstenwache am Kommodore-Tisch saß. Er sprach über die Traditionen der Arbeiterklasse in der Stadt. Und über die Italiener, Iren, Deutschen, Kroaten und andere Immigranten, die auf der Suche nach einem besseren Leben an diesen »himmlischen Flecken Erde am Meer« gekommen waren. Der Golden Gate Yacht Club war ursprünglich am 15. September 1939 als Puerta de Oro Yacht Club gegründet worden. Den Namen Golden Gate Yacht Club hatte bereits ein anderer Verein mit seinem Copyright belegt. Zweieinhalb Jahre später war der Name aber am 14. März 1942 in Golden Gate Yacht Club umgeändert worden, weil der andere Verein den Namen freigegeben hatte. Nach dem ersten Leitbild sollte es ein »Yacht-Club der Arbeiterklasse« sein. Norbert erklärte: »Einer der Hauptgründe für den Eintritt vieler Menschen in diesen wunderbaren Club war der Ausblick, den wir auf den Hafen, die Golden Gate Bridge und die Bucht genießen. Unsere Aufnahmegebühren und die Mitgliedsbeiträge sind vergleichsweise niedrig, wenn man die Immobilie bedenkt, auf der wir gebaut wurden. Unsere Bloody Marys kosten drei Dollar und 50 Cent. Und wir wissen, wie man es sich gut gehen lässt!« Er lächelte und entdeckte dabei Bonny Almeida, einen 74-jährigen ehemaligen Mechaniker und Fischer aus Portugal. Bei ihm war Primo, ein Sittich, der auf seiner Hand saß und auf Befehl Küsschen geben konnte. »Es ist viel mit diesem Club geschehen, seit er 1939 mit zehn Booten durchgestartet ist«, fuhr Norbert fort, »die gestiegenen laufenden Kosten und die sich fortwährend ändernden Ansprüche an das Management haben die Landschaft für uns verändert. Wir müssen unsere Zukunft selbst gestalten, zur Überwindung der Hindernisse zusammenarbeiten und dürfen nie den Blick für die Vision der zehn Gründer verlieren, die vor uns kamen und die Idee zu diesem Club hatten.«

      Norbert konnte erkennen, dass ihn alle mit dem gleichen Gedanken anstarrten: »Also doch, der Club wird geschlossen, und wir sind hier, um die Flagge einzuholen.« Es war an der Zeit, die Neuigkeiten zu verkünden. Er holte tief Luft und sagte: »Um unsere Existenz auch für die Zukunft zu sichern, haben wir einen entscheidenden Schritt getan. In den vergangenen Wochen haben wir über eine Allianz mit Oracle Racing verhandelt, um eine Herausforderung im America’s Cup abzugeben. Wenn wir gewinnen, dann bringen wir den Cup zurück nach Amerika, wo er hingehört, und werden ihn in der Bucht von San Francisco verteidigen.«

      Zunächst herrschte absolute Stille. Einen Moment später brach tosender Jubel im Raum aus.

      Als der Beifall und die Freudenpfiffe schließlich abebbten, konnte Norbert nicht anders, als unterwürfig zu lächeln, als er die erhobene Hand eines Mitglieds sah, das immer gegen alles war. Widerstrebend erteilte er ihm das Wort.

      »Wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte der Mann, »wir müssen uns nicht in einen großen schicken Club verwandeln. Was haben wir mit dem America’s Cup zu tun? Wenn das passiert, werden wir nicht einmal mehr unseren eigenen Club nutzen können.«

      Norbert lächelte und sagte: »Sie verstehen das nicht. Das ist die letzte Chance für diesen Club. Wir sind nicht auf dem richtigen Weg. Larry Ellison rettet diesen Club. Es wird keinen Golden Gate Yacht Club mehr geben, wenn dieser Deal nicht umgesetzt wird, wenn er nicht jetzt in Kraft tritt. Und natürlich werden wir unseren Club nutzen können. Es handelt sich um einen Rettungsanker, der unserem Club zugeworfen wird. Lasst es mich also noch einmal ganz deutlich sagen: Wenn wir es nicht machen, wird es keinen Golden Gate Yacht Club mehr geben. So einfach ist das.«

      Der Ehren-Kommodore Dave Haskins erhob die Stimme: »Wir schreiben Geschichte! Ich hörte, dass unserem Nachbar-Club nicht gefiel, wie Larry seine Boote nennen wollte. Verdammt, der Golden Gate Yacht Club hätte nicht das geringste Problem damit, wenn als Name Oracle auf dem Boot stehen würde. Unsere Haltung ist: Nenn es, wie du willst. Wir sind nicht übermäßig anspruchsvoll. Wir werden da draußen sein und die Boote polieren, wenn das gefragt sein sollte.«

      Der Applaus schwoll wieder an. Erkelens lächelte Norbert zu, und die beiden Männer schüttelten sich die Hände. Clubmitglieder umkreisten Erkelens, boten ihm die Hand, Umarmungen und Ideen, wie sie dem Team helfen könnten.

      Etwas abseits stand Dave Miller mit seiner Frau Lydia. »Wer hätte das gedacht?«, fragte er, während ihm die Tränen in die Augen stiegen. Über Jahre war Miller, der ein Unternehmen aufgebaut hatte, das Häuserdächer mit Oberlichtern verkaufte, der stille Engel des Clubs gewesen, der den Golden Gate Yacht Club aus schwierigen Situationen herausgehauen hatte. Wenn das Dach leckte, dann bezahlte er für die Reparatur. Wenn die Fenster repariert werden mussten, dann kümmerte er sich darum. Miller und seine Frau waren russische Juden und Kinder von Eltern, die in China als Missionare tätig gewesen waren. Sie kamen nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Seeweg nach San Francisco. Sie lebten in Daly City, und Daves ganzer Stolz und Augenstern war eine 42-Fuß-Viking, die er über Jahre restauriert hatte.

      Matlin fand Norbert und sagte: »Mann, das ist die Rettung des Lebens. Wir haben es geschafft! Du hast es geschafft!« Allein die Mitglieder-Vereinbarung mit Oracle Racing würde ihre Schulden halbieren.

      Norbert zuckte mit den Achseln und lachte: »Yogi Berra sagte: ›Wenn du an eine Straßengablung


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