Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов
oder die Frage des Feldzugangs, betreffen zwar die Datenerhebung und könnten damit auch der Mikroebene zugeordet werden; doch reichen die ethischen Entscheidungen auch in andere Phasen des Forschungsprozesses hinein (z.B. die kommunikative Validierung oder die Präsentation der Ergebnisse), sodass es stringent erscheint, sie an dieser Stelle im Verbund mit den anderen Entscheidungen auf Makroebene anzusprechen.
4.1 TexteText, DatenDaten und DokumenteDokumente als Forschungsgrundlage
Michael K. Legutke
Ziel des folgenden Beitrags ist es, drei Schlüsselbegriffe zu bestimmen, deren Bedeutung in der Forschungsliteratur selten geklärt, sondern anscheinend als allgemein bekannt vorausgesetzt wird. Mit diesen Begriffen werden in der fremdsprachendidaktischen Forschung die Belege bezeichnet, die ihr als Forschungsgrundlage dienen. Während Daten nur in der empirischen Forschung Verwendung finden, sind Texte und Dokumente für alle drei Forschungstraditionen von Bedeutung: für die historische, die theoretische und die empirische Forschung (s. Kapitel 3).
4.1.1 Texte als Forschungsgrundlage
Unabhängig davon, welcher Forschungstradition oder welchem Forschungsparadigma der Forscher oder die Forscherin verpflichtet ist, sie/ er wird auf jeden Fall (meist zu Beginn der Arbeit) das Vorhaben im wissenschaftlichen fremdsprachendidaktischen Diskurs verorten und dabei oftmals nicht nur einen Literaturbericht liefern (s. Kapitel 6.3), sondern bereits eigene Hypothesen entwickeln und Positionen formulieren, um den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit zu markieren. Grundlage solcher Bemühungen sind vorwiegend schriftliche wissenschaftliche Texte, wobei zwischen primären TextenTexteprimäre (umfassende Studien) und sekundäre TextenTextesekundäre (Zusammenfassungen und Überblicksdarstellungen) unterschieden wird (s. Kapitel 5.2.2).
Neben primären und sekundären wissenschaftlichen Texten können auch andere Textgenres die Grundlage theoretischer Forschungtheoretische Forschungsarbeiten bilden (s. Kapitel 3.2). Je nachdem welcher Teildisziplin der Fremdsprachendidaktik (z.B. Sprach-, Literatur-, Kultur- oder Mediendidaktik) die einzelne Forschungsarbeit zuzuordnen ist, werden bestimmte Textgenres eher als andere die Grundlage des Forschungsbemühens sein. Für kultur- und literaturdidaktische Arbeiten könnten beispielsweise klassische literarische Texte (Kurzgeschichten) oder multimodale literarische Texte (multimodale Jugendromane), Animationsfilme oder Lehrmaterialien die zentrale Forschungsgrundlage bilden. Aber angesichts der Komplexität des Gegenstandsbereichs und abhängig von der Fragestellung wird es meist darum gehen, ein Ensemble verschiedener Texte zusammenzustellen und auszuwerten.
4.1.2 Dokumente als Forschungsgrundlage
Auch Dokumente sind Texte; sie unterscheiden sich jedoch von den oben genannten wissenschaftlichen Primär- und Sekundärtexten insofern, als sie nicht im Kontext wissenschaftlicher Arbeit entstanden sind, sondern einem anderen Zweck dienen. Der Begriff ‚Dokument‘ wird dabei allgemein im Anschluss an McCulloch verstanden als „a record of an event or process“ (McCulloch 2011: 249). Dokumente können verschiedene Erscheinungsformen haben. Sie stehen nicht nur als gedruckte Texte, sondern in vielfältig medialen Realisierungen zur Verfügung (Bilder, Fotografien, Filme). In der fremdsprachendidaktischen Forschung werden Dokumente nach den Urhebern, nach dem Vertriebsweg und ihrer Zugänglichkeit unterschieden: offizielle DokumenteDokumenteoffizielle (z.B. Gesetze der Bundesländer, Stellungnahmen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK), Expertisen des Europarats, Lehrpläne), halboffizielle DokumenteDokumentehalboffizielle (z.B. schulinterne Curricula, Arbeitspapiere von Lehrergruppen, Konferenzprotokolle, ‚graue Papiere‘) und private DokumenteDokumenteprivate (Tagebücher, Briefe, aber auch Stundenvorbereitungen von Lehrkräften oder Hausaufgaben der Schüler). Als öffentlich werden Dokumente dann bezeichnet, wenn sie in der einen oder anderen Form veröffentlicht wurden und deshalb leicht zugänglich sind. 1
Für die Fremdsprachenforschung von Interesse sind unter anderem die Dokumente, die als unterrichtsbezogene Produkteunterrichtsbezogenes Produkt entstehen. Obwohl im öffentlichen Kontext Schule situiert, sind sie private Dokumente von Lehrenden und Lernenden. Ihr Spektrum reicht von unterschiedlichen schriftlichen und mündlichen Sprachhandlungsprodukten der Lehrkraft oder der Lernenden (schriftliche Unterrichtvorbereitungen, Tafelanschriebe, Plakate oder Präsentationen von Einzelnen und von Gruppen, Aufzeichnungen von Rollenspielen) über Bewertungen unterschiedlicher Provenienz (Verbalbeurteilungen, Kommentare zu Einzelarbeiten) bis hin zu Tagebuchnotizen (s. Kapitel 5.2.7).
Für die historische Fremdsprachenforschung liefern Dokumente die entscheidende Forschungsgrundlage (Kapitel 3.1 und 5.3.1). Dokumentenanalyse kann jedoch auch ein Teil theoretischer Forschung sein oder im Kontext empirischer Studien erfolgen.
4.1.3 Daten als Forschungsgrundlage
Auch Daten lassen sich mit der allgemeinen Definition „a record of an event or process“ (McCulloch 2011: 249) bestimmen. Diese Definition geht auf Gregory Bateson zurück, der wie folgt formulierte: „[…] ‚data‘ are not events or objects but always records or desricptions or memories of events or objects“ (Bateson 1973: 24). Was Daten jedoch von Dokumenten unterscheidet, ist ihre Entstehung, denn sie werden durch die eingesetzten Erhebungsverfahren erst hervorgebracht, d.h. sie werden geschaffen. Daten sind demnach das Produkt von Forschungshandlungen. Die Ausprägung von Daten kann entweder qualitativer oder quantitativer Art sein, ihr Inhalt wird durch die Forschungsfrage und die Datenquellen bestimmt. In der fremdsprachendidaktischen Forschung wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärdaten unterschieden. PrimärdatenPrimärdaten sind sprachliche Rohdaten (z.B. Videodaten einer Unterrichtsstunde, Ergebnisse eines Prä- oder Posttests). SekundärdatenSekundärdaten sind alle Verarbeitungsstufen der Rohdaten (z.B. kodierte Daten, Transkripte, skalierte Testergebnisse). TertiärdatenTertiärdaten schließlich sind alle Metadaten zu den vorangegangenen Datentypen (z.B. Angaben zum Kontext, zur Entstehungszeit; s. auch Kapitel 5.2.6; 5.3.8).
Häufig wird in der allgemeinen Forschungsliteratur nur zwischen Primär- und Sekundärdaten unterscheiden. Erstere bezeichnen dann Daten, die bei der Datenerhebung unmittelbar geschaffen werden, letztere hingegen solche, die von anderen Forschern oder von Institutionen erhoben wurden: Beispiele sind das Statistische Bundesamt, Statistische Landesämter, Ministerien, die OECD, die UNO, die Weltbank (vgl. O’Leary 2014: 243–273).
Quantitative DatenDatenquantitative sind das Ergebnis eines Transformationsprozesses, in dem Belege zu Sachverhalten, Ereignissen, Prozessen und Objekten in eine Zahlenform verwandelt werden. Man spricht deshalb auch von numerischen Daten. Sie bilden die Grundlage für den Einsatz statistischer Verfahren und sind das Herzstück einer quantitativ-hypothesenprüfenden Fremdsprachenforschung, die sich um objektiv überprüfbare und repräsentative Ergebnisse sowie validierbare Verallgemeinerungen bemüht (s. Kapitel 3.3). Datenquellen sind zum Beispiel Tests aller Art (Sprach-, Kompetenz- oder Intelligenztests), strukturierte und kontrollierte Messungen bestimmter Phänomene (Reaktionszeiten bei der Bearbeitung von Online-Aufgaben) oder Fragebögen. Quantitative Daten verdichten komplexe Zusammenhänge zu messbaren Einheiten. Eine vertiefende Einführung liefern die Kapitel 5.3.9 bis 5.3.11.
Qualitative DatenDatenqualitative sind Belege zu Sachverhalten, Ereignissen und Prozessen, die in unterschiedlicher Text- und Medienform die Grundlage rekonstruktiv-qualitativer Fremdsprachenforschung bilden. Ihre Interpretation liefert nicht repräsentative oder generalisierbare Erkenntnisse, sondern erschließt, was konkrete Menschen in spezifischen sozialen und institutionellen Kontexten tun, wie sie interagieren, wie sie ihr Handeln verstehen und bewerten. Folgende Datentypen seien hier als Beispiele, d.h. ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt. Die Bezeichnungen bieten eine grobe Orienteirung und sind nicht trennscharf:1
Deskriptive DatenDatendeskriptive: Daten, die Verhalten von Menschen, Ereignisse, Institutionen und konkrete Settings repräsentieren. Erhoben werden diese durch Beobachtungen aller Art mit Hilfe von (Feld-)Notizen, Tagebüchern, Beobachtungsprotokollen.
Narrative DatenDatennarrative: Diese repräsentieren biographische und berufliche Erfahrungen. Erhebungsinstrument sind narrative Interviews.
Introspektionsdaten: