Wozu ein Himmel sonst?. Norman G. Dyhrenfurth

Wozu ein Himmel sonst? - Norman G. Dyhrenfurth


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langer Zeit erreichen sie die oberste Terrasse der Lhotse-Flanke und spannen ein Geländerseil für den Quergang zum „Gelben Band“. Dann bleiben sie lange unbeweglich und steigen schließlich ab, nach einem Drittel der Distanz zum Südsattel! Zwei Spitzenleute mit Sauerstoff kehren um – niemand weiß, was das bedeuten soll.

      Gleichzeitig ist Chevalley mit einem Sherpa von Lager 5 aus nach oben aufgebrochen. Nach kurzer Zeit bleibt einer der beiden sitzen, der andere steigt in schnellem Tempo zum Lager 6 auf, kehrt dann zurück – ist es ein Unfall? Nein, beide steigen nun ab. Wenn der Sitzende nur nicht Erfrierungen davonträgt, wir haben nachgerade genug Unfälle. Am Nachmittag eine Notiz von Chevalley: Er hat sich eine zu schwere Last aufgeladen und ist steckengeblieben. Er war es also. Der Kampf geht aber weiter.

      Am 18. ein weiterer Tag voller Geheimnisse: Keine Bewegung in Lager 7, hingegen einige Sherpas, die zwischen 5 und 6 pendeln. Nachricht aus Lager 5: Buzio ist allein dort, Chevalley und Reiss sind aufgestiegen.

      Am 19. November soll der Südsattel erreicht werden. Lambert, Reiss und Tensing, gefolgt von sieben unserer besten Sherpas – Pemba Sundar, Ang Temba, Topkie, Ang Nima, Goumdin, Ang Namgyal und Pemba – verlassen Lager 7. Lambert vermerkt in seinem Tagebuch: „Reiss und Tensing traversieren das Couloir und spannen weitere 200 Meter Seil, während die Sherpas und ich auf der obersten Terrasse der Lhotse-Flanke warten. Das Wetter ist herrlich; wenn alles gut geht, sollten wir den Südsattel heute am Spätnachmittag erreichen.“

      Als sie gegen 17 Uhr dort ankommen und ihren Lagerplatz vom Frühjahr beziehen, haben Wind und Kälte derart zugenommen, dass es ihnen kaum noch gelingt, die Zelte aufzustellen. Der Sturm wird zum Orkan, die Nacht für alle zur Hölle. Schwer angeschlagen entschließen sie sich am nächsten Morgen trotzdem zum weiteren Vorstoß.

      „Mit größter Anstrengung queren wir den Südsattel und steigen über vergletscherte Hänge auf. Wir bewegen uns entsetzlich langsam. Nasen und Fingerspitzen verlieren jegliches Gefühl. Trotz bester Ausrüstung dringt der Wind bis auf die Haut durch. Sogar Tensing ist stark angeschlagen, und die Sherpas hinter uns kommen kaum vom Fleck. Bei etwa 8150 Meter halten wir an. Es ist einfach unmöglich, bei diesen Wetterverhältnissen und in der Höhe weiterzumachen!“

      Das war der erste und der letzte Gipfelversuch. Auch Lambert, Reiss und Tensing müssen einsehen, dass es einfach nicht geht, ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Weder wir Sahibs noch die Sherpas sind in der Lage, diesen ungleichen Kampf weiterzuführen. Selbst ein vorübergehender Rückzug, um Kräfte zu sammeln, wäre sinnlos.

      Am 25. November sind wir im Standlager versammelt. Ein Festessen erwartet uns, das ich nie vergessen werde: Yakfleischsuppe, Schaffleisch, Bohnen, Kartoffeln, Kuchen und Tee. Wie sehr uns frische Nahrung oben gefehlt hat, erkennen wir erst jetzt. Abends liegen wir in einem nicht vom Wind gerüttelten Zelt mit zwei Kerzen – welch ein Luxus! Wir husten noch alle – Nachwirkungen der Höhe auf die gereizten Organe.

      Anderntags wird zusammengepackt. Wir fühlen uns wie im Frühling, und die Freude, wieder in wärmere Gegenden zu kommen, überstrahlt alles andere. Wir können froh sein, mit Ausnahme einiger angefrorener Nasen und Fingerspitzen heil davongekommen zu sein. Zwar liegen noch gut 19 Tagesmärsche vor uns, doch was tut’s: Wir gehen nach Hause!

      Der Weg zurück

      Dichter Regenwald weicht offenen Grashängen. Der schmale Pfad verliert seine Steilheit. Gabriel Chevalley und ich wandern am Ende der Kolonne. An diesem Morgen, als die Sonne über einem Wolkenmeer aufstieg und die Berge von Solu Khumbu in markantem Relief erscheinen ließ, haben wir das Kloster von Taksindu hinter uns gelassen.

      Es ist der 7. Dezember 1952, ein klarer, wunderschöner Tag im Himalaya, wie geschaffen zum Vor-sich-hin-Träumen. Unsere Füße bewegen sich in monotonem Rhythmus, wie die wohl geschulter Lasttiere. Sie haben dieses Jahr viel geleistet und große Distanzen hinter sich gebracht.

      Eine verwitterte Mani-Mauer kommt in unser Blickfeld. Gabriel hält plötzlich an. Beinahe laufe ich in ihn hinein, denn meine Gedanken sind weit weg. Unter uns wogen sanfte Hügel bis zum Horizont. Immer höher und wilder werden sie bis zu den großen Gipfeln mit ihren schimmernden Gletschern und kühnen Graten: Jugal und Langtang Himal, Gaurisankar, Cho Oyu und viele andere. Und dahinter schließlich unser Berg, dunkel, abweisend und fern, in endgültiger, souveräner Geste nach dem Himmel greifend: Chomolongma, die Göttin-Mutter des Landes!

      Still nehmen wir unsere Rucksäcke ab und rasten inmitten von Bergblumen. Die weichen, braunen Moospolster sind ein willkommenes Lager nach den windgepeitschten Flanken des Mount Everest. Es ist schön, am Leben zu sein. Wir starren zum fernen Horizont und durchleben noch einmal die vergangenen Wochen und Monate. Es war ein harter Kampf. Und nun liegt all das hinter uns.

      Ich erinnere mich nicht, wie lange wir auf jenem Hügel unter der Mani-Mauer verweilten, den wärmenden Sonnenschein genossen und auf eine frühere Phase unseres Lebens zurückblickten. Da war der Everest: dunkel, fern und unwahrscheinlich hoch. Sogar aus dieser Entfernung konnte man deutliche Zeichen wilder Höhenstürme sehen. Die berühmte Schneefahne erstreckte sich kilometerweit gegen Osten. Und dennoch blickten wir auf „unseren“ Berg mit unendlicher Sehnsucht. Er war ein schrecklicher, übermächtiger Gegner, aber jetzt, da wir ihn verlassen mussten, konnten wir uns der Tränen kaum erwehren. Keiner sagte etwas – jeder war allein mit seinen Gedanken.

      Im folgenden Jahr, 1953, waren die Briten an der Reihe. Ihre Erfolgsaussichten waren gut. Aber selbst wenn ihr Besteigungsversuch scheitern sollte, hatte die Regierung von Nepal das Jahr 1954 bereits für die Franzosen reserviert.

      „Les avant-premières à l’Everest – c’est tout, on n’aura plus de chance.“

      Gabriels leise, traurige Worte entsprachen meinen eigenen Gefühlen. Wir waren tatsächlich nur Vorläufer, und nun würde es jemand anderem vorbehalten sein, die Endrunde zu laufen. Es war wie ein Staffellauf, bei dem der Stab von einer Mannschaft an die andere weitergegeben wird. Und so soll es wohl auch sein.

      „Eh bien, mon cher, on-y-va?“

      Es war schon spät, als sich zwei müde Männer zum Weitergehen aufrappelten. Das Ende eines großen Abenteuers war nahe. Nur noch zehn Tage auf dem Weg nach Kathmandu, dann der lange Rückflug in die Heimat, in das „andere“ Leben. In diesem Augenblick schien es beinahe unerträglich, daran zu denken. Ein letzter Blick – dann war der Everest nicht mehr zu sehen. Wir waren auf dem Heimweg.

      Aber ich wusste schon damals, dass ich wiederkommen würde.

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