Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3. Holger Dahl
Ergebnisse einer jährlichen Leistungsbeurteilung und seine Position innerhalb der Gehaltsbandbreite maßgebend. Die Umsetzung der Gehaltserhöhungen erfolge durch Betriebsvereinbarungen mit dem örtlichen Betriebsrat. Die Arbeitgeberin entschied, einen Geschäftsbereich von der Gehaltsanpassung auszunehmen, ohne dabei den Betriebsrat zu beteiligen. Die Arbeitgeberin hatte die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe bei der Entscheidung, ob Arbeitnehmer eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Gehaltanpassung ausgenommen werden, kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.
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Das BAG bejahte hingegen das Mitbestimmungsrecht und wies daher die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin im Ergebnis als unbegründet zurück. Es handelte sich bei der Entscheidung, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltserhöhung auszunehmen, um die Änderung eines Entlohnungsgrundsatzes.
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Bei einer Gehaltsanpassung richtet sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs nach dem mit dem Betriebsrat für die Umsetzung der Gehaltsanpassung vereinbarten Verteilungsschlüssel. Dieser legt – in Abhängigkeit der jährlichen Leistungsbeurteilung und der Position der Arbeitnehmer innerhalb des Gehaltsbandes – fest, um welchen Prozentsatz das Gehalt der Arbeitnehmer mindestens und höchstens ansteigt. Damit bildet der in der Betriebsvereinbarung bestimmte Verteilungsschlüssel einen Entlohnungsgrundsatz i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, nach dem sich die Höhe der Vergütung abstrakt bemisst. Gleichzeitig legen die Betriebsparteien mit dem Verteilungsschlüssel den relativen Abstand der einzelnen Vergütungen im Betrieb zueinander fest. Nimmt die Arbeitgeberin Beschäftigte eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Umsetzung einer nachfolgenden Gehaltsanpassung im Betrieb aus, sind deren Gehälter von einer weiteren prozentualen Steigerung – wie sie dem neuen Verteilungsschlüssel entspräche – ausgeschlossen. Dies hat zugleich zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer im Betrieb zueinander zwischen derjenigen Arbeitnehmergruppe, die von der Gehaltsanpassung ausgenommen wurde, und den übrigen Arbeitnehmern, für die aufbauend auf den bisherigen Entlohnungsgrundsätzen der vorangegangenen Betriebsvereinbarung eine Steigerung um neue, weitere Prozentsätze vereinbart werden soll, ändert.
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Aus diesem Grund steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei einer Gehaltserhörung innerhalb eines Gehaltsbandes zu.
b) LAG Düsseldorf, Beschluss vom 10.8.2016 – 4 TaBV 135/15
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Das LAG Düsseldorf hatte sich im Beschluss vom 10.8.2016 mit der Frage zu beschäftigen, ob auch Bandbreitenregelungen und die Art und Weise der Bewegung oder Festlegungen im Band mitbestimmungspflichtig sind. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob solche Bandbreitenregelungen als Entlohnungsgrundsätze anzusehen sind und ob speziell in diesem Fall § 77 Abs. 3 BetrVG der Mitbestimmung entgegensteht.
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Die Arbeitgeberin gehört zum Konzern der Deutschen Bahn AG. Bei ihr gelten u.a. der Manteltarifvertrag (MTV FWD) sowie der Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB Fahrwegdienste GmbH (ETV FWD). Im ETV FWD hatten die Tarifparteien im Unternehmen u.a. ein „Tarifgruppenverzeichnis“, eine „Monatsentgelttabelle“ sowie „Erschwerniszulagen“ für die Beschäftigten vereinbart. Vorgaben, wie mit Ersteingruppierung und konkreten Gehaltsfestlegungen innerhalb einer Ebene zu verfahren sei, enthielten die Regelungen nicht.
Mitte 2013 erfuhr der Betriebsrat, dass die Vergütung eines Beschäftigten an den oberen Rand des Gehaltsbandes angehoben wurde, ohne hierzu den Betriebsrat zu beteiligen. Der Betriebsrat war der Auffassung, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.
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Das LAG sprach dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht sowohl bzgl. der inhaltlichen Ausgestaltung als auch der Festlegung von Kriterien und Grundsätzen für die Ersteingruppierung und die Änderungen innerhalb eines Gehaltsbandes zu.
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Wendet man die oben ausgeführten Grundsätze an, handelt es sich bei den vorliegenden Bandbreitenregelungen um ein abstraktes System, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll und damit um einen Entlohnungsgrundsatz. Das Beteiligungsrecht umfasst die inhaltliche Ausgestaltung der Entgeltgruppen nach abstrakten Kriterien einschließlich der abstrakten Festsetzung der Wertunterschiede nach Prozentsätzen oder anderen Bezugsgrößen. Der Aufstellung eines Entlohnungsgrundsatzes steht es nicht entgegen, dass der Arbeitgeber innerhalb der Gehaltsbänder nicht gebunden ist, sondern die Festlegung des konkreten Entgeltes innerhalb der Gehaltsbänder dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 BGB unterliegt.
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Bei der Ausfüllung der Gehaltsbänder handelt es sich auch ohne Weiteres um einen kollektiven Tatbestand. Der Regelungsbedarf entspricht gerade dem Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, Gehaltstransparenz herzustellen. Das Mitbestimmungsrecht beziehe sich nicht auf die konkrete Lohnhöhe, sondern ausschließlich auf die Festlegung der Kriterien, die für die Zuordnung der Arbeitnehmer auf der Breite ihres Gehaltsbandes entscheidend seien.
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Weiter wird das Mitbestimmungsrecht nicht durch § 77 Abs. 3 BetrVG gesperrt. Die schlichte Regelung des Beginns und des Endes eines Gehaltsbandes für definierte Tarifgruppen schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus.
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Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass – ausweislich der Entscheidung des LAG – dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der inhaltlichen Ausgestaltung und der Festlegung von Kriterien für die Ersteingruppierung und für Änderungen/Wandlung in Bezug auf die Breite des Gehaltsbandes zusteht.
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Es drängt sich die Frage auf, ob der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Aufstellung eines Gehaltsbandes zusteht.
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Überlässt ein Tarifvertrag den Einzelvertragsparteien die Vereinbarung der Höhe des Entgelts, ohne selber eine Entgeltordnung aufzustellen, unterliegt die Festlegung und Gewichtung von Kriterien für eine betriebliche Lohnstruktur dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Zu den mitbestimmungspflichtigen Entgeltfindungsregeln gehört der Aufbau von Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsgruppenmerkmale.49
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Schaut man sich den Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG an, lässt sich eine solche einschränkende Auslegung allerdings nicht erkennen. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Wenn unter Entlohnungsgrundsatz nach einhelliger Auffassung die Schaffung eines abstrakten Entgeltsystems verstanden wird, dann muss darunter auch die Erstellung eines Gehaltsbandes subsumiert werden können. Durch die Aufstellung eines Gehaltsbandes wird die Bandbreite von Grundgehalt über weitere Gehaltsbestandteile wie Prämien und sonstige monetäre Leistungen bis zur Obergrenze der Entlohnung für eine Tätigkeit festgelegt. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um ein abstraktes Entgeltsystem und damit um einen Entlohnungsgrundsatz. Für diese These spricht auch, dass der Gesetzgeber durch § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein umfassendes Mitbestimmungsrecht schaffen wollte, um alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung unter Einschaltung des Betriebsrats regeln zu können.
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Dem Betriebsrat muss daher auch ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Erstellung eines Gehaltsbandes zustehen. Haben die Betriebsparteien eine Vergütungsordnung vereinbart, hat der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber einen auf die Festsetzung der Ausgangs-/Grundvergütung gerichteten Anspruch.50
4. Mitbestimmung bei dem Verhältnis zwischen Festvergütung und variabler Vergütung
a) BAG, Beschluss