Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
Produkten wahrscheinlich auch etwaige volkswirtschaftliche Risiken sowie das Vorhandensein einer ausreichenden institutionellen und rechtlichen Infrastruktur. Es besteht folglich sowohl hinsichtlich der schuldnerspezifischen Risiken (insb. Kreditausfallrisiken) als auch hinsichtlich der sonstigen Risiken eine erhebliche Informationsasymmetrie zwischen der Anbieterseite und den Nachfragern (Investoren). Zusätzlich besteht eine solche Asymmetrie zwischen den kreditgebenden Banken und den anderen Zwischenbeteiligten. Der Informationsasymmetrie können die Beteiligten zwar durch die Einrechnung einer „Misstrauensprämie“173 Rechnung tragen, doch ändert dies nichts daran, dass insbesondere die Investoren ihre Annahmen zur Risikostruktur des erworbenen Produktes nicht ohne Weiteres überprüfen können.
Das Vorhandensein einer Informationsasymmetrie zum Vorteil der beteiligten Banken impliziert nicht in jedem Fall, dass die Banken sich diese Informationsasymmetrie zunutze machen. Hiergegen können z.B. Reputationserwägungen für den Fall sprechen, dass eine Risikoverlagerung später publik wird; davon abgesehen sind regulatorische Vorgaben zu beachten.174 Zudem sind ABS-Produkte in der Regel nur handelbar, wenn sie von einer Ratingagentur als neutraler Bewertungsstelle mit einem Rating versehen worden sind. Allerdings führt der Informationsvorsprung der kreditvergebenden Banken dazu, dass ihrer Risikobewertung eine entscheidende Bedeutung zukommt. Das ist insbesondere bei CDO relevant, da es sich hierbei um ABS handelt, die typischerweise mit wenigen und großen Forderungen unterlegt sind.175 Dagegen müssen Ratingagenturen und Aufsichtsbehörden ihrer Risikoeinschätzung in mehr oder weniger großem Umfang Annahmen zugrunde legen, die nicht unabhängig von den Annahmen der an der ABS-Transaktion beteiligten Banken oder der im Übrigen Markt vorherrschenden, aber möglicherweise verfehlten Risikoeinschätzung sind.
bb) Verhältnis: Kreditnehmer – Emittenten usw.
Die beteiligten Banken sind davon abgesehen selbst einer Informationsasymmetrie ausgesetzt, und zwar sowohl im Verhältnis der Kreditnehmer zu den kreditgebenden Banken als auch innerhalb der weiteren Produktions- und Vertriebskette. Diese Informationsasymmetrien lassen sich grundsätzlich wie bei sonstigen unverbrieften oder verbrieften Krediten im Rahmen der Kreditvergabe einpreisen. Allerdings ist mit dieser Feststellung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass sich insbesondere Fehlbewertungen der Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer auswirken können, entweder aufgrund unzureichender Informationen zur Kreditwürdigkeit oder aufgrund einer fehlerhaften Verarbeitung der Informationen im Rahmen der Risikobewertung (d.h. einer Realisierung von Modellrisiken).
In der jüngsten Finanzkrise haben Informationsasymmetrien im Verhältnis der Kreditnehmer zu den kreditgebenden Banken im Rahmen von ABS-verbrieften Krediten vor allem deshalb zu Problemen geführt, weil im ganzen Markt falsche Vorstellungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Kreditnehmer (= U.S.-Hypothekenschuldner) bestanden. In diesem Fall kam es zu Fehlern in der Risikobewertung der Banken, die sich in den weiteren Gliedern der Vertriebskette bis hin zu den Emittenten und über diese bis zu den Investoren fortgesetzt haben.176 Fehlbewertungen können unter solchen Umständen zur Folge haben, dass Ausfallrisiken aus den Krediten, die den ABS-Produkten zugrunde liegen, übernommen und schließlich im Handel mit den ABS an andere Marktteilnehmer weitergereicht werden, ohne dass den Beteiligten diese Risikoabwälzung bewusst wird. Dieses Problem kann seine Ursache aber bereits in der Kreditvergabe haben und nicht lediglich in der Verbriefung der Kredite im Rahmen einer ABS-Struktur.
b) Moralische Risiken
Das Risiko des einzelnen Investors dürfte sich bei ABS zwar grundsätzlich, wie bei sonstigen Anleihen, auf das eingesetzte Kapital beschränken. Jedoch dürfte eine Fehlbewertung auch zur Entstehung moralischer Risiken beitragen können. Insbesondere liegt nahe, dass Banken aufgrund einer fehlerhaften Bewertung von Kreditrisiken die bei einer ABS-Transaktion eingesetzte Zweckgesellschaft mit zu wenig Eigenkapital ausstatten. Im Fall einer Realisierung von Ausfallrisiken kann es somit dazu kommen, dass die Eigenkapitalpuffer der Zweckgesellschaft schneller als erwartet aufgebraucht werden. Außerdem sinkt das Interesse der Banken an einer wirksamen Kontrolle der laufenden Kreditbeziehungen, wenn sie grundsätzlich Risiken über ABS auf Dritte verlagern können.177 Eine Realisierung falsch bewerteter Ausfallrisiken kann unter diesen Umständen auf die an der ABS-Transaktion beteiligten Banken zurückschlagen, da sie das Vertrauen in die Risikobewertung und die Risikotragfähigkeit der betreffenden Banken untergräbt.
2. Marktübergreifende Risiken
Darüber hinaus ist denkbar, dass Fehlbewertungen bei ABS abhängig von deren Refinanzierung dazu führen bzw. beitragen können, dass Risiken von einem Markt in andere Märkte übergreifen. Insbesondere ist denkbar, dass Risiken von den Kapitalmärkten in die Geldmärkte (und umgekehrt) übergreifen können. Sofern ABCP im Rahmen einer Master-Trust-Struktur zur Refinanzierung eingesetzt werden, besteht das Risiko, dass der ABCP-Markt austrocknet, wenn eine ABCP in größerem Umfang emittierende Zweckgesellschaft als Gegenpartei als ausfallgefährdet erscheint, weil ihr Eigenkapital oder die refinanzierten langfristigen Papiere (z.B. CDO) nicht mehr sicher erscheinen. Daneben können Verluste aus dem ABCP-Geschäft auch in die Kreditmärkte übergreifen.
Diese Erwägungen sind vor dem Hintergrund der letzten Finanzkrise erneut nicht nur theoretischer Natur: Es zeigte sich in der Krise vielmehr, dass Investoren mit U.S.-Subprimepapieren eine Klasse von ABS-Produkten kauften, die ein weitaus höheres Risiko aufwies als gemeinhin angenommen wurde.178 Die eingesetzten Zweckgesellschaften waren erheblich unterfinanziert. Der amerikanische Hypothekenfinanzierer Freddie Mac hat im Gegenzug die abgefragte Kreditinformationen auf solche Informationen reduziert, die für den gesamten Darlehenspool relevant waren. Außerdem stellte es sich bei Wiederverbriefungen als schwerwiegender Fehler heraus, dass unterstellt worden war, dass alle Ausfallrisiken unabhängig voneinander seien und sich somit bei Ausbruch der Krise nicht parallel entwickeln würden.179
Besonders schwer abzuschätzen ist zuletzt die Risikostruktur eines Marktes, auf dem neben rein privatwirtschaftlich generierten ABS auch die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen SBBS gehandelt werden. Hier könnte es zunächst zu einer Verminderung von makroökonomisch relevanten Risiken kommen. Denn Banken könnten sich als wichtige Investoren durch Anlagen in SBBS aus ihrer Abhängigkeit von einzelnen Euro-Mitgliedstaaten lösen. Eine solche Abhängigkeit besteht bislang, weil Banken bisher bevorzugt Staatsanleihen des eigenen Landes erwerben.180 Allerdings wird der als Junior-Tranche vorgesehene Risikopuffer als möglicherweise zu gering zum Schutz der Inhaber der Senior-Tranche angesehen. Zu bedenken sei, dass Krisen in einzelnen Euro-Mitgliedstaaten sich im Falle volkswirtschaftlicher Risikokorrelationen wechselseitig verstärken können. Dies könne die gesamte Euro-Zone in Mitleidenschaft ziehen.181 Auf der anderen Seite dürfte es nur begrenzt Möglichkeiten geben, um über die Ausgestaltung der SBBS auszuschließen, dass die Inhaber der Senior-Tranche im Falle einer systemischen Krise in Mitleidenschaft gezogen werden.
148 Im Deutschen spricht man auch schlicht von „Verbriefungen“, abgeleitet von „securitization“, der englischen Bezeichnung für die Strukturierung von Finanzprodukten. Der Begriff „Verbriefung“ ist im Kontext dieser Arbeit jedoch missverständlich, da er sich auch auf die Ausstellung eines Wertpapiers beziehen kann. Der Begriff „Verbriefung“ wird hier deshalb nicht zur Bezeichnung von ABS verwendet. 149 IWF, Global Financial Stability Report: Containing Systemic Risks and Restoring Financial Soundness, April 2008, S. 56. 150 Krieger (Thomson Reuters), Debt Capital Markets Review, Managing Underwriters, Full year 2018, abrufbar: http://dmi.thomsonreuters.com/Content/Files/4Q2018_Debt_Capital_Markets_Review.pdf. 151 Dazu Bechtold/Glüder, ZfgK 2006, 37 (38f.); Bosak/Weller, ZfgK 2006, 1026ff.; Schiessl, ZfgK 2006, 1065 (1066f.); siehe auch Asmussen, ZfgK 2006, 1016 (1917f.); Weimar, ZfgK 2006, 1022 (1023f.). 152 Hermann in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 88.