Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
und Transaktionen mit exotischen Optionen im Grundsatz ähnlich wie beim Einsatz von Standardoptionen. Eine Herausforderung stellt im bilateralen Verhältnis die Risikobewertung dar. Denn der Verkäufer muss hier nicht nur die Möglichkeit berücksichtigen, dass die Option ausgeübt oder eben nicht ausgeübt wird (asymmetrisches Risikoprofil). Daneben muss er gegebenenfalls auch Marktveränderungen berücksichtigen, die Einfluss auf die optional eingeräumten Ansprüche haben. Dem steht für den Käufer der Vorteil gegenüber, durch den hintereinander geschalteten Einsatz solcher Instrumente Marktpreisschwankungen berücksichtigen und hieraus folgende Absicherungsmöglichkeiten bzw. Kurschancen nutzen zu können (dynamisches hedging).408 Ein erhöhtes Risiko kann mit exotischen Optionen einhergehen, die in Fremdkapitalprodukte hineinstrukturiert sind, sodass sich für den Investor, abhängig von den Ausübungsbedingungen, die Möglichkeit des Verlusts seines Anlagebetrags eröffnet. Dies ist bei bestimmten strukturierten Anleihen der Fall, die in Abschnitt L (S. 122) näher betrachtet werden (sog. Zertifikaten).409
Ein signifikanter Beitrag der genannten Instrumente zur Erhöhung makroökonomischer Risiken (z.B. durch Risikoexternalisierung) wird üblicherweise nicht diskutiert. Dies mag sich bei Zinsbegrenzungsgeschäften daraus erklären, dass der Optionskäufer typischerweise ein eng definiertes Interesse zur Absicherung gegen Kursschwankungen verfolgt. Exotische Optionen sind dagegen oft Teil komplexerer Finanzprodukte, deren Risiko sich durch die Option durchaus erhöhen kann.
393 Clouth (Fn. 98), S. 50. 394 Henssler (Fn. 58), S. 630. 395 Diese Strategien gelten zumindest nach dem U.S.-Recht ebenfalls als Finanzinstrumente (swaps); siehe § 1a des Commodity Exchange Act (7 U.S.C. § 1a(47)(A)); § 2(a)(17) des Securities Act (15 U.S.C. § 77b(a)(17)); § 3(a)(68)-(69) des Securities Exchange Act (15 U.S.C. § 78c(a)(68)-(69)). Die Definitionen des Finanzinstruments im EU-Recht sind insofern offen; siehe z.B. Anhang I Abschn. C der RL 2014/65/EU; Anhang I Abschn. C der Richtlinie 2004/39/EG. 396 Clouth (Fn. 98), S. 57. 397 Clouth (Fn. 98), S. 58. 398 Clouth (Fn. 98), S. 57f. 399 Clouth (Fn. 98), S. 59. 400 Monopolkommission, XX. Hauptgutachten (Fn. 64), Tz. 1428 m. Fn. 124. 401 Clouth (Fn. 98), S. 62, 67. 402 Clouth (Fn. 98), S. 69. 403 Auer/Schuster, Wi. S.t 2013, 497 (498ff.). 404 Auer/Schuster, Wi. S.t 2013, 497 (500). 405 Auer/Schuster, Wi. S.t 2013, 497 (500). 406 Auer/Schuster, Wi. S.t 2013, 497 (498). 407 Siehe nachfolgend Abschn. L.I.2 (S. 123) zu Zertifikaten. 408 Sernetz (Fn. 8), S. 96; Clouth (Fn. 98), S. 111 (mit Beispiel); siehe auch unten Abschn. P (S. 156) mit einem eigenen Beispiel für ein dynamisches hedging. Der Begriff ist hier übrigens nicht mit dem „dynamischen Hedging“ im bilanzrechtlichen Sinne gleichzusetzen; dazu unten Kap. 6.B.II.2.b) (S. 787). 409 Siehe insb. Abschn. L.I.2, II und III.1 (S. 123ff.).
L. Kombinationsprodukte
I. Merkmale und Arten
Die in den vorstehenden Abschnitten vorgestellten Finanzinstrumente kommen nicht nur in Reinform, sondern auch in einer Vielzahl von Kombinationen vor. Einige Kombinationsmöglichkeiten wurden abhängig vom Sachzusammenhang zuvor bereits angesprochen.410 Hier sollen darüber hinaus gehende Kombinationsprodukte in Form strukturierter Fremdkapitalinstrumente angesprochen werden, die typischerweise zu Finanzierungszwecken emittiert werden (Wandelanleihen, strukturierte Anleihen)411. Häufig wird dem Käufer solcher Instrumente ein zusätzliches Recht oder ein zusätzlicher Schutz eingeräumt. Andere Produkte bauen auf einer Derivatstruktur auf und werden mit dem Ziel eingesetzt, einen Vermögenswert mit oder ohne bestimmte Risiken zu erwerben (Asset-Swaps).
1. Wandelanleihen
Wandelanleihen sind Anleihen mit einer Option auf Umwandlung in ein Eigenkapitalinstrument. Die Möglichkeit zur Emission von Wandelanleihen ist im deutschen Recht explizit anerkannt (§§ 221 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 2 AktG). Eine Vielzahl von Mezzanine-Produkten dürfte sich als Wandelanleihe einordnen lassen (zumindest solche mit equity kicker).412 Eine Sonderform stellen die so genannten Pflichtwandelanleihen dar, die Banken zur Stärkung ihres aufsichtsrechtlich anerkannten Eigenkapitals ausgeben können (Contingent Convertibles – CoCos). Dabei handelt es sich um Verbriefungen von Fremdkapital, welches bestimmte Voraussetzungen erfüllt und erst im Fall eines gesetzlich festgelegten Auslöseereignisses in Eigenkapital umgewandelt wird. Die Umwandlung erfolgt in diesem Fall, anders als bei sonstigen Wandelanleihen, ohne Wahlmöglichkeit.413
2. Strukturierte Anleihen/Zertifikate
Als „strukturierte“ Anleihen werden Anleihen mit einer derivativen Komponente bezeichnet. Hierzu zählen z.B. die schon erwähnten FRN, d.h. Anleihen, die über Optionsgestaltungen eine variable Verzinsung erlauben.414 Ein anderes Beispiel sind kurz- oder mittellang laufende Anleihen mit erhöhtem Ertrag, typischerweise jedoch unterhalb eines caps (Accelerated Return Notes – ARN). Zu den strukturierten Anleihen zählen ferner Doppelwährungsanleihen (multicurrency notes), bei denen der Emittent Kapital in einer Währung aufnimmt und in einer anderen Währung zurückzahlt. Solche Anleihen können dem Emittenten auch einen Kreditrahmen (Kreditfazilität) einräumen. Dieser Kreditrahmen kann z.B. so ausgestaltet ein, dass der Emittent wählen kann, welche Währung jeder Refinanzierungsperiode zugrunde gelegt werden soll, während der Investor die Währung wählen kann, in welcher der von ihm eingesetzte Betrag zurückgezahlt werden soll.415
Eine große Gruppe innerhalb der strukturierten Anleihen bilden die so genannten Zertifikate. Dabei handelt es sich um von einer Bank zu Refinanzierungszwecken emittierte Anleihen, deren Wertentwicklung über eine Optionsgestaltung von der Wertentwicklung anderer Finanzprodukte abhängt. Zumeist ist die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals über eine oder mehrere (exotische) Option(en) an eine Vielzahl von Bedingungen, Märkte und Referenzwerte geknüpft.416 Zum Kapitalschutz kann zudem ein Kreditderivat in das Instrument hineinstrukturiert sein (z.B. ein CDS).417
Innerhalb der Gruppe der Zertifikate lassen sich verschiedene Arten unterscheiden.418 Anlageprodukte können ein gegenüber einer Direktinvestition in den Referenzwert reduziertes Verlustrisiko aufweisen (z.B. Discount-, Bonus- oder Kapitalschutzzertifikate).419 Ein zusätzlicher Investorenschutz besteht bei besicherten Zertifikaten, deren Marktwert vollständig mit einem Portfolio aus sicheren Wertpapieren (z.B. Staatsanleihen) unterlegt ist.420 Partizipationszertifikate erlauben es handelsorientierten Investoren, produktspezifisch bestimmte Marktbewegungen auszunutzen (z.B. Tranchen-, Index- oder Basketzertifikate). Auch diese Zertifikate können besichert sein; ihre Laufzeit ist häufig endlos. Hebelzertifikate wiederum erfordern nur einen verminderten Kapitaleinsatz, weisen aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Hebels bzw. wegen eines oder mehrerer hineinstrukturierter knock-outs in der Regel auch deutlich erhöhte Verlustrisiken auf (z.B. Turbo- oder Bandbreitenzertifikate). Schließlich können Investitionen in Zertifikate auch über die Emission von Anteilen an einem Zertifikate-Fonds ermöglicht werden.421
Zertifikate