Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen. Sebastian Louven

Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen - Sebastian Louven


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Insofern wenig klarstellend ist der Verweis auf das Regelbeispiel als Grundlage innovationsfreundlicher Interoperabilitätsverfügungen aufgrund eines festgestellten Verstoßes gegen das Marktmachtmissbrauchsverbot in der Microsoft-Entscheidung der Kommission bei Huttenlauch/Lübbig, in: Loewenheim et al., Kartellrecht, Art. 102 AEUV, Rn. 265, da der Verweis auf die Vorschrift des Art. 102 UAbs. 2 lit. b AEUV (zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Art. 82 lit. b EGV) in der Entscheidung nicht konstitutiv ist, siehe hierzu ausdrücklich Kommission, Entsch. v. 24.5.2004 – COMP/C-3/37.792 (Microsoft), ABl. L 32, Rn. 18: „Die Informationsverweigerung von Microsoft führt zu einer Einschränkung der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher, was insbesondere gegen Artikel 82 Buchstabe b verstößt.“ Aufgrund des Wortlauts „insbesondere“ ist von einem allgemeinen und von den Regelbeispielen losgelösten Prüfkonzept auszugehen. 236 Bulst, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, Art. 102 AEUV, Rn. 186; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, Art. 102 AEUV, Rn. 347; Holzweber, in: Maute/Mackenrodt, Recht als Infrastruktur für Innovation, 2019, S. 41 (44). 237 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16 (Coty Germany), ECLI:EU:C:2017:941, MMR 2018, 77 (m. Anm. v. Hoeren) = NZKart 2018, 36 = GRUR 2018, 211 (m. Anm. v. Funke/Neubauer) = ZVertriebsR 2018, 52, wonach es nicht lediglich auf den Schutz des Preiswettbewerbs ankommt, sondern ebenso Aspekte des Qualitätswettbewerbs relevant sind; vgl. weiter hierzu auch EuGH, Entsch. v. 25.10.1977 – Rs. 26/76 (Metro SB/Kommission), ECLI:EU:C:1977:167, NJW 1978, 480; EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C-439/09 (Pierre Fabre Dermo-Cosmétique), ECLI:EU:C:2011:649, Slg. 2011, I-9447 = EuZW 2012, 28. 238 Kommission, Entsch. v. 18.2.2010 – COMP/M.5727 (Microsoft/Yahoo! Search Business), http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/M5727_20100218_20310_261202_EN.pdf (abgerufen 29.11.2018), Rn. 109f. 239 Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, 2014, S. 124.

       IV. Zusammenfassung der Beobachtungen

      Plattformen können also nach den bisherigen Untersuchungen grundsätzlich über das Konzept der mehrseitigen Märkte, bzw. Wirtschaftszweige, beschrieben werden. Entscheidend ist die Wirkung indirekter Netzwerkeffekte zwischen den Nutzern. Diese machen sich Plattformen zu eigen und modulieren ihre Preisstruktur hiernach, um die verschiedenen Nutzergruppen für sich zu gewinnen. Eine Plattform-Preisstruktur kann unentgeltliche Leistungen umfassen, um weitere Nutzer zu gewinnen oder zu halten.

      240 Weitere nicht abschließend aufgezählte Beispiele finden sich in der Regierungsbegründung zur 9. GWB-Novelle, BT-Drs. 18/10207, S. 49. 241 Budszinski/Lindstädt, WiST 2010, S. 436 (437); Luchetta, JCLE 2013, S. 185 (197); Assion, Must Carry, 2015, S. 111; Vgl. hierzu auch Bundeskartellamt, Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz v. 1.10.2015, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/AK_Kartellrecht_2015_Digitale_Oekonomie.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 11. 242 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (1013); Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 22. 243 Filistrucchi et al., JCLE 2014, S. 293 (298); Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, S. 387 (388f.). 244 Bundeskartellamt, Arbeitspapier – Marktmacht von Plattformen und Netzwerken v. 9.6.2016, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Berichte/Think-Tank-Bericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 20. 245 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, S. 387 (389). 246 Bundeskartellamt, Arbeitspapier – Marktmacht von Plattformen und Netzwerken v. 9.6.2016, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Berichte/Think-Tank-Bericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 23ff. 247 Bundeskartellamt, Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz v. 1.10.2015, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/AK_Kartellrecht_2015_Digitale_Oekonomie.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 8.

       C. Annäherung an einen Innovationsbegriff


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