Kartellrechtliche Schadensersatzklagen. Fabian Stancke

Kartellrechtliche Schadensersatzklagen - Fabian Stancke


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zwingend zu erwarten gewesen.

      dd) Tibor-Trans, Erfolgsort: Marktort, an dem der Schaden eintritt

      Im Jahr 2019 folgte ein weiteres Urteil des EuGH zur Auslegung des Ortes der unerlaubten Handlung im Sinne der EuGVVO. Die Europäische Kommission hatte festgestellt, dass fünf Hersteller von Lkw, darunter DAF Trucks, wettbewerbswidrige Absprachen über Preise für Lkw getroffen hatten. Das ungarische Transportunternehmen Tibor-Trans hatte im Kartellzeitraum Lkw von in Ungarn ansässigen Vertragshändlern bezogen und erhob 2017 in Ungarn eine Schadensersatzklage gegen DAF-Trucks. Nach einer Zuständigkeitsrüge durch DAF-Trucks leitete das ungarische Berufungsgericht ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH ein. Die Vorlagefrage lautete, ob ein indirekter Abnehmer (Tibor-Trans) einen Kartellbeteiligten mit Sitz im Ausland (DAF Trucks in den Niederlanden) in seinem eigenen Heimatland (Ungarn) verklagen kann, wenn er einen kartellbedingt überhöhten Preis an einen dritten Vertragshändler in diesem Land gezahlt hat.

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      Mit diesem Urteil hat der EuGH seine Feststellungen im CDC-Urteil ergänzt. Anders als bei flyLAL lag bei Tibor-Trans eine vergleichbare Konstellation zugrunde. Der EuGH hätte somit die Grundsätze der CDC-Entscheidung anwenden und auf den Sitz des geschädigten Abnehmers in Ungarn als Erfolgsort abstellen können. Stattdessen hat er einen anderen Ansatz gewählt und auf den beeinträchtigten Markt sowie die dortige Schadensentstehung abgestellt. Dieser Ansatz führte im konkreten Fall zu keinen Schwierigkeiten, denn das Lkw-Kartell erstreckte sich auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum, somit auch auf den Markt in Ungarn, und zugleich war der Schaden der Klägerin dort entstanden, weil sie ihren Geschäftssitz dort hat.

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      ee) Konsequenzen für die gerichtliche Praxis und offene Fragen

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      Zudem lassen sich abgestimmte Verhaltensweisen, denen schon ihrem Wesen nach nicht zwingend eine konkrete Einzelabsprache zugrunde liegt, auf diese Art nicht erfassen. Selbst wenn es in einem Einzelfall einen solchen Gründungsort geben sollte, dürfte es den Klägern in der Praxis schwerfallen, diesen hinreichend darzulegen und zu beweisen. Da ein bestimmter Gründungsort für die Begründetheit eines Kartellschadensersatzanspruchs keine notwendige Voraussetzung ist, handelt es sich dabei um keine doppelrelevante Tatsache, so dass ein schlüssiger Vortrag nicht ausreicht.

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      Erschwerend kommt hinzu, dass die einzelnen Teilabsprachen in einem über einen längeren Zeitraum hinweg fortgesetzten Kartell regelmäßig nicht isoliert für sich stehen, sondern ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Es wird im Regelfall kaum möglich sein, diese ineinandergreifenden Kausalketten künstlich so aufzuspalten, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen nur einer Teilabrede und dem Gesamtschaden hergestellt werden kann.172

      Die Klarstellung des EuGH in Sachen flyLAL, namentlich dass die „Durchführung“ einer wettbewerbswidrigen Abrede eine eigene unerlaubte Handlung (im zuständigkeitsrechtlichen Sinne) darstellen kann und in diesem Fall einen gesonderten Gerichtsstand begründet, ist zu begrüßen. Die vom EuGH zusätzlich geforderte Festlegung auf einen Gerichtsstand bei einer einheitlichen Strategie der Kartellbeteiligten, führt allerdings zu Rechtsunsicherheit. Mangels klarer Kriterien zur Bestimmung des „Schwerpunkthandlungsortes“ gerät diese Auslegung mit dem europäischen Harmonisierungsziel in Konflikt.

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      Größere praktische Bedeutung kommt ohnehin dem Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zu. Wie dargelegt, hat der EuGH in jüngerer Zeit verstärkt auf das Marktortprinzip abgestellt, zumindest wenn der Schaden auch konkret am Marktort eintritt. Ob darin eine Abkehr vom Klägergerichtsstand am Firmensitz des Geschädigten zu sehen ist, ist noch offen, erscheint aber eher unwahrscheinlich.

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