Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
(§§ 68 ff. VwGO) und Anfechtungsklage (s. § 42 Abs. 1, § 74 VwGO). Weiterhin müssen die Berufung (§§ 124 ff. VwGO), die Revision (§§ 132 ff. VwGO) und die Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision ausgeschlossen sein. Die Voraussetzungen liegen (dann) vor, wenn die Fristen abgelaufen sind oder rechtskräftige Entscheidungen getroffen wurden. Außer im Falle der Unanfechtbarkeit (Rechtsbeständigkeit) von Verwaltungsakten können diese (auch) zwangsweise durchgesetzt werden, wenn Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben. Gem. § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage (grundsätzlich) aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt). Dieser nach § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene Suspensiveffekt entfällt jedoch nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wenn es sich um unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten handelt. Diese Regelung will primär solche Fälle erfassen, in denen ein Polizeibeamter vor Ort angesichts der besonderen Eilbedürftigkeit seines Handelns tätig werden muss und den Eintritt der Unanfechtbarkeit aus naheliegenden Gründen nicht abwarten kann. So gelten als unaufschiebbar i. d. R. (nur) zeitlich dringliche Maßnahmen, also solche, die Polizeibeamte mündlich (oder durch Zeichen) treffen. Ein Wirksamwerden dieser Maßnahmen kann nicht aufgeschoben werden. In diesen Fällen geht der Schutz der öffentlichen Sicherheit dem Interesse des Betroffenen an nochmaliger rechtlicher Überprüfung des Verwaltungsaktes vor seinem Vollzug vor. Bei der polizeilichen Verfügung (§ 34 PolG NRW) handelt es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme zur Gefahrenabwehr, sie ist sofort vollziehbar, da gem. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung förmlicher Rechtsbehelfe entfällt. Die Voraussetzungen des sog. gestreckten Zwangsverfahrens nach § 50 Abs. 1 PolG NRW liegen vor.
Parallelnormen zu § 50 Abs. 1 PolG NRW (Gestrecktes Verfahren): § 6 VwVG; Art. 53 Abs. 1 BayPAG; § 53 Abs. 1 BbgPolG; § 47 Abs. 1 HSOG; § 80 Abs. 1 MVSOG; § 64 Abs. 1 NdsSOG; § 50 Abs. 1 RhPfPOG; § 44 Abs. 1 SPolG; § 53 Abs. 1 LSASOG; § 229 Abs. 1 SchlHLVwG; § 51 Abs. 1 ThürPolG
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels
Zwangsmittel sind in § 51 PolG NRW abschließend aufgezählt, d. h. mit anderen Mitteln dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht durchgesetzt werden. In Betracht kommt vorliegend der unmittelbare Zwang. Nach § 55 PolG NRW kann die Polizei unmittelbaren Zwang anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Andere Zwangsmittel sind die Ersatzvornahme (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW) und das Zwangsgeld (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 53 PolG NRW). Sowohl Zwangsgeld als auch Ersatzvornahme scheiden zur Durchsetzung des Platzverweises vorliegend (eindeutig) aus.
Letztendlich ist festzustellen, dass die Voraussetzungen der (Vollstreckungs-)Ermächtigung (§ 55 PolG NRW) vorlagen. Die Polizei durfte somit das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges anwenden. Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW gelten für die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges die §§ 57 ff. PolG NRW. Ist die Polizei nach diesem Gesetz (PolG NRW) oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt, gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58 bis 66 und, soweit sich aus diesen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes (§ 57 Abs. 1 PolG NRW).31
3. Art und Weise des (Verwaltungs-)Zwangs
Mangels entsprechender Hinweise im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass alle Verfahrensvorschriften beachtet wurden, und zwar insbesondere hinsichtlich der Androhung des unmittelbaren Zwanges (§§ 51 Abs. 2, 56 Abs. 1, 61 Abs. 1 PolG NRW).
4. Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (Übermaßverbot)
An der objektiven Zwecktauglichkeit der (Zwangs-)Maßnahme bestehen keine Zweifel, sie ist somit geeignet. Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit bestehen keine Bedenken. Eine Verfügung wurde nicht befolgt. Die Zwangsanwendung war fraglos auch verhältnismäßig, denn die geringe Zwangsanwendung auf den Betroffenen (Z) steht in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Maßnahme. Die zwangsweise Durchsetzung des Platzverweises war rechtmäßig.
D. Gewahrsam
I. Ermächtigungsgrundlage
Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist. Unter Gewahrsam ist ein mit hoheitlicher Gewalt hergestelltes Rechtsverhältnis zu verstehen, kraft dessen einer Person die Freiheit dergestalt entzogen wird, dass sie von der Polizei in einer dem polizeilichen Zweck entsprechenden Weise verwahrt, d. h. daran gehindert wird, sich fortzubewegen34. Es handelt sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Bez. der Zulässigkeit und Dauer dieser Maßnahme ist entsprechend der grundgesetzlichen Regelung des Art. 104 Abs. 2 GG der Richtervorbehalt zu beachten. Die Maßnahme dient der Gefahrenabwehr.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die Zweckbestimmung dieser Maßnahme dürfte eindeutig sein. Sie dient der Gefahrenabwehr. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW (Verhütung von Straftaten, originäre Zuständigkeit).
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Tatbestandliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Als Ermächtigung kommt vorliegend § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (Unterbindungsgewahrsam) in Betracht. Hiernach ist eine Gewahrsamnahme zulässig, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Eine solche Tat i. S. des §