Das Biest in Dir. Felix Hänisch

Das Biest in Dir - Felix Hänisch


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dich überhaupt jemand nimmt!«

      »Was Ramir damit sagen will«, wandte Aaron beschwichtigend ein, »ist, dass wir dir viel Glück wünschen und hoffen, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden. Vielleicht eher als du denkst.«

      »Aber was ...?«, wollte Darius noch fragen, dem das alles viel zu schnell ging.

      »Bis bald und viel Erfolg«, verabschiedete sich Aaron mit einem Zwinkern und streckte ihm die Hand entgegen. Darius schüttelte sie perplex, und nachdem er sich auch von Ramir verabschiedet hatte, kehrten ihm die beiden den Rücken zu und ließen den verblüfften Darius allein mit dem alten Farjez in der großen Eingangshalle zurück, die nun auf einmal dunkel und wenig einladend auf ihn wirkte. Mit dem Sack über den Schultern, in dem all seine Habseligkeiten steckten, stand er unschlüssig und verlassen auf den glattpolierten Steinplatten und sah den beiden hinterher.

      Kaum, dass die zwei Iatas außer Hörweite waren, äffte Aaron grinsend seinen Schüler nach: »Hättest du vielleicht gerne ein großes Fest mit ein paar Bauchtänzerinnen und einen Priester, der deinen Namen hoch lobt?« Ramir lachte.

      »Ich weiß, dass er jedes Fest und jede Zeremonie verdient hätte, schließlich ist er der Auserwählte. Aber ich habe nur gemacht, was du mir aufgetragen hast. Je weniger er über sich selbst weiß, desto besser, hast du gesagt. Die Wahrheit würde er wohl nicht ertragen.«

      »Das stimmt«, entgegnete ihm sein Lehrmeister jetzt etwas ernster. »Auch wenn wir natürlich noch nicht mit Gewissheit sagen können, dass er es wirklich ist, aber das wird sich noch früh genug herausstellen. Jedenfalls hättest du ihn nicht so vor den Kopf stoßen müssen.«

      »Was mir viel mehr Sorgen macht, ist die Sache mit dem Schamane«, meinte Ramir besorgt. »Machst du dir denn keine Gedanken darüber, dass er dahinter kommen könnte, dass es so etwas überhaupt nicht gibt?«

      »Nein«, entgegnete Aaron zuversichtlich. »Bevor wir in sein Dorf kamen, wusste er noch gar nichts über die Iatas und er wird nicht lang genug hier sein, um allzu viel herauszufinden.«

      »Wer ist eigentlich sein neuer Meister?«, fragte Ramir beiläufig. »Kenne ich ihn?«

      »Ja, ich glaube, es ist Skal.«

      »Skal?« Ramir runzelte die Stirn. »Aber ich dachte, der hätte schon einen Schüler. Cedryk heißt er, glaube ich.«

      »Meines Wissens nach ist er tot«, antwortete Aaron schlicht und zuckte mit den Schultern. »Aber das kann uns egal sein. Wir haben unsere Aufgabe erfüllt und sind nicht weiter dafür zuständig.« Während er das sagte, war der Iatas in Gedanken allerdings ganz woanders. Er fragte sich, wo und wann – aber nicht ob – sie Darius wiedertreffen würden. Denn das stand, da war er sich sicher, so fest, wie die Grundmauern dieser Burg.

      Zur gleichen Zeit betrat Skal nur wenige Räume weiter den großen, von schwachem Fackellicht beleuchteten Ratssaal Baknakaïs und war überrascht, als er von allen zwölf Mitgliedern des Hohen Rates empfangen wurde. Zur Verkündung einer Strafe, wegen des Verlustes seines Schülers, hätte auch ein Einziger ausgereicht. Doch es blieb ihm kaum die Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn schon richtete sich Asthirad mit dunkler Miene an ihn.

      »Setzen!«, befahl er knapp, während er Skal vom Kopfende der langen Tafel aus durchdringend ansah. Anders als die meisten Iatas im Hohen Rat war Asthirad ein Mensch. Paradoxerweise wurde ihr Orden, der zum größten Teil aus Menschen bestand, an der Spitze hauptsächlich von Elfen und einigen Zwergen vertreten, da nur sehr alte und erfahrene Mitglieder in diesen ehrwürdigen Stand versetzt wurden.

      Skal, der sich sonst eigentlich von niemandem etwas befehlen ließ, gehorchte nach kurzem Zögern und nahm folgsam auf dem Stuhl neben der Eingangstür Platz.

      »Wie dem Hohen Rat zu Ohren kam, ist dein Schüler, Cedryk, kürzlich auf tragischem Wege ums Leben gekommen«, fuhr Asthirad mit kühler Stimme fort. Skal starrte zu Boden und nickte nur leicht mit dem Kopf, aber noch im selben Moment dachte er, dass man diese Geste in dem düsteren Raum kaum wahrnehmen würde und er wollte: ja, das ist richtig, antworten. Doch als er den Mund öffnete, blieb ihm die Stimme weg, und es kam nur ein leises, kehliges Geräusch hervor. Aus diesem Grund beschloss er, den Rest der Verhandlung zu schweigen und malte sich gedanklich bereits seine Strafe aus als Asthirad weitersprach.

      »Hiermit möchten wir, und ich denke ich spreche für uns alle, dir unsere tiefe Trauer und Anteilnahme versichern. In Tagen wie diesen, wo in der ganzen Welt vereinzelte Kriege herrschen und viele Grafschaften und Herzogtümer kurz vor einem solchen stehen, kommt es leider immer häufiger vor, dass wir einen Toten in unseren Reihen zu beklagen haben. Umso schlimmer, dass ein junger Mann, kurz vor Beendigung seiner Ausbildung, starb und das aus einem so sinnlosen Grund. Deine Schuld daran ist, wie uns berichtet wurde, nicht ganz unerheblich, Skal. Die normale Strafe, für den Verlust eines Schülers unter diesen Umständen, wäre im Mindestfall der sofortige Ausschluss aus der ehrwürdigen Vereinigung der Iatas.«

      Obwohl Skal so etwas bereits erwartet hatte, rutschte ihm dennoch das Herz in die Hose. Nun würde er neben seinem Schüler auch noch die Position des Iatas-Meisters verlieren, die er sich so hart erkämpft hatte. Und vielleicht sogar auch noch sein Leben.

      »Allerdings«, fuhr der Vorsitzende des Hohen Rates mit Bestimmtheit fort, »haben wir uns anders entschieden.« Skal klappte die Kinnlade herunter und er wagte seinen Ohren kaum trauen. Doch ebenso wenig erlaubte er sich, die Stimme zu erheben, um das Gehörte zu hinterfragen, denn schon sprach Asthirad weiter.

      »Mit elf Stimmen zu einer hat der Hohe Rat beschlossen – in Anbetracht deiner Leistungen, welche du in den letzten Jahren für uns erbracht hast, sowie der Tatsache geschuldet, dass wir viel mehr Schüler als Meister haben – dir noch einmal eine allerletzte Chance zu geben. Zudem werden wir die Regel für das Höchstalter, welches ein Mensch zu Beginn der Ausbildung seines Schülers haben darf, außer Kraft setzen und somit gleich zwei Tabus für dich brechen. Skal, wir erlauben dir hiermit, trotz des Verlustes deines Schützlings, sowie deinem fortgeschrittenen Alter, einen neuen Schüler aufzunehmen.«

      Skal konnte sein Glück noch immer kaum fassen. Auf der anderen Seite meldeten sich seine Selbstzweifel plötzlich wieder stärker zu Wort. War er überhaupt dazu in der Lage, sich noch einmal eines jungen Mannes anzunehmen, jetzt, da er schon einmal versagt hatte? Doch in seiner Euphorie scherte er sich nicht darum, was die kleine Stimme in seinem Hinterkopf sagte. Einmal hatte er eine falsche, eine tödliche Entscheidung getroffen, ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren. Während er auf dem niedrigen Stuhl ohne Armlehnen hockte, schien sein Herz noch immer Purzelbäume zu schlagen, sodass die nächsten Worte Asthirads kaum zu ihm durchdrangen.

      »Es handelt sich jedoch nicht um irgendjemanden«, fuhr der Großmeister mit geheimnisvoller Stimme fort. »Auf den jungen Mann, der sich für die nächsten Jahre an deiner Seite befinden wird, trifft womöglich eine alte Prophezeiung zu. Das hat dich im Moment allerdings nicht zu beschäftigen. Ob die Vorhersage wahr ist oder nicht, wird sich dem Hohen Rat im Laufe seiner Ausbildung noch eröffnen. Sieh du nur zu, dass aus ihm ein tadelloser Krieger wird. Bist du damit einverstanden?«

      »Ja, na...natürlich«, antwortete Skal sogleich hocherfreut und wusste seine zweite Chance mehr zu schätzen, als ein jeder von ihnen auch nur ahnen konnte. Die warnende Stimme in seinem Hinterkopf hatte er inzwischen längst zum Schweigen gebracht und war erpicht darauf, seinen neuen Schüler kennenzulernen. Obwohl natürlich kein anderer die Lücke in seinem Herzen jemals würde schließen können, die Cedryk hinterlassen hatte. Den Gedanken daran, dass es dieses Mal etwas geben könnte, das ihn daran hindern würde, die Ausbildung des Jungen erfolgreich zu beenden, verdrängte er geflissentlich. Für Selbstzweifel war jetzt einfach kein Platz mehr.

      »Dein neuer Schützling ist erst vor wenigen Augenblicken angekommen. Farjez wird dich nun zu ihm führen«, meinte Asthirad in einem Tonfall, der das Gespräch für beendet erklärte. Skal erhob sich und neigte das Haupt in einer respektvollen Geste. Als er sich gerade umdrehen wollte, um den Raum zu verlassen, erhob jedoch ein anderer Großmeister des Rates, den er noch nie zuvor gesehen hatte und dessen Namen er auch nicht wusste, die Stimme.

      »Und Skal, es wäre schön,


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