Das Biest in Dir. Felix Hänisch

Das Biest in Dir - Felix Hänisch


Скачать книгу
schützen zu können. Gleichzeitig versuchte er an nichts zu denken, was sich als schwer erwies, da ihm gegen seinen Willen wieder der Gedanke daran kam, wozu sein Meister wohl noch alles in der Lage war.

      Dass Loës die Fähigkeit des Gedankenlesens besaß, hatte Skal schon befürchtet, seit dieser in seinen Traum eingedrungen war und ihn dort zu dem Geständnis gebracht hatte, für welches er nun geradestehen musste. Doch so deutlich wie jetzt hatte der Albengott ihm seine Kunst noch nie vor Augen geführt.

      »Ich glaube, du hast es immer noch nicht ganz verstanden«, raunte es vielsagend durch das Zimmer, sodass die Worte an den Wänden widerhallten. Skal konnte spüren, wie der Herrscher der Dunkelheit sich langsam zu ihm hinabbeugte und die langen, spinnenbeinähnlichen Finger nach seinem Gesicht ausstreckte. Es fiel ihm unsagbar schwer, keinen wimmernden Laut von sich zu geben oder zu versuchen, mit dem Kopf wegzuzucken. »Du bist ein Nichts, und wenn ich es will, dann stirbst du auf der Stelle. Aber ich habe Größeres mit dir vor und deshalb muss ich mich darauf verlassen können, dass du mir stets zu Willen bist.«

      »Ich bin Euch treu, Meister. Nur Euch allein«, beschwor Skal zum unzähligen Male. Dabei versuchte er seine Stimme, die er kaum erheben musste, da das lange, spitze Ohr seines Herrschers mit Sicherheit nur eine Handspanne von seinem Mund entfernt war, fest und selbstsicher klingen zu lassen. »Nie wieder werde ich Euch Anlass dazu geben, an meiner Treue zu zweifeln.«

      »Falsche Antwort!«, kam es augenblicklich und mit Eiseskälte zurück, während Loës sich erhob. Skal, der in ebendiesem Moment seine Augen wieder ein klein wenig zu öffnen gewagt hatte, sah noch, wie sich sein Meister Zeige- und Mittelfinger an die Stirn legte. Noch im selben Augenblick jagten unsagbare Schmerzen durch seinen Kopf und zwangen ihn zu den abstrusesten Verrenkungen.

      Obwohl Skals Schultern und das Becken nach wie vor fest auf den Stein gedrückt waren, hob sich seine Hüfte unnatürlich weit vom Boden ab, während Arme und Beine in wildes Zucken verfielen. Kontrolle über diese Handlungen hatte er keine mehr. Das Einzige, zu dem er noch fähig war, war das Empfinden von Schmerz.

      Glühend heiße und eiskalte Ströme durchfluteten seinen Kopf von beiden Seiten, bis sie sich schließlich in der Mitte vereinten und das Innere seines Schädels in Dampf zu verwandeln schienen. Skal schrie aus Leibeskräften. Ein zufriedenes Grinsen von Loës war jedoch das Einzige, was er damit hervorrief.

      So abrupt, wie die Folter begonnen hatte, so urplötzlich endete sie auch wieder und die letzten Schreie verhallten jämmerlich an den rußgeschwärzten Wänden. Schwer atmend sackte Skal in sich zusammen. Jeder einzelne Muskel seines Körpers schien zu erschlaffen, während er nicht dazu in der Lage war, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Wie lange die Qualen angedauert hatten, konnte er noch nicht einmal im Ansatz sagen. Vielleicht mochte es bloß für wenige Atemzüge gewesen sein, doch fühlte es sich so endlos lang an, dass es Skal vorkam, als hätte er sein gesamtes bisheriges Leben nichts anderes als die Peinigungen seines Meisters erfahren.

      »Bitte ... bitte habt Erbarmen«, hauchte er, unfähig, dabei ein Augenlid zu heben. Doch Loës ging nicht auf das Flehen seines Sklaven ein. Im Gegenteil. Genüsslich erhob er die Stimme.

      »Weißt du, warum ich das tue? Wirst du dich mir gegenüber noch ein einziges Mal respektlos verhalten?«

      »Nein, mein Gebieter, nie wieder«, entgegnete der Iatas erneut mit zutiefst untertäniger Stimme. »Nie wieder werde ich Euch einen Grund geben, an meiner Treue zu zweifeln, das schwöre ich.«

      »Das meine ich nicht«, zischte Loës kaum hörbar und wieder setzten von einem Augenblick auf den anderen Schmerzen ein, so als würde sich eine Säge durch das Innere von Skals Kopf arbeiten. Doch diesmal gab es etwas, das ihn dazu brachte, sich noch für einen kleinen Moment zusammenzunehmen und den letzten Anflug eines klaren Gedankens festzuhalten, bevor er den Qualen in seinem Hirn nachgab.

      Für einen Wimpernschlag gelang es Skal, alles in einem anderen Licht zu sehen und endlich den Grund zu erkennen, aus dem Loës ihm all das anzutun schien. Dann versank sein Geist erneut in den Fluten aus flüssigem Feuer und sein Körper verfiel in unkontrollierte Krämpfe.

      Äonen schienen zu vergehen, bis der Dunkle Herrscher wieder von ihm abließ, und als der Iatas erkannte, dass er für den Moment wieder einmal das Schlimmste überstanden hatte, öffnete er nach Atem ringend den Mund. Er brachte all seine verbliebene Kraft auf, um gegen die Ohnmacht anzukämpfen, dennoch schienen ihm die Worte im ersten Augenblick nicht über die Lippen treten zu wollen.

      »Ja?«, fragte Loës langgezogen, als er bemerkte, dass sein Untergebener etwas zu sagen hatte.

      »Ich ... ich entschuldige mich«, krächzte Skal und schaffte es unter Mühen, die Augen einen Spaltbreit zu öffnen. Loës’ Gesicht schien einerseits erwartungsvoll, zugleich jedoch auch abweisend und desinteressiert. Nach einem Moment der Pause, als der Dunkle Gott zu glauben schien, dass nichts mehr kommen würde, wollte er sich erneut die Finger an die Stirn legen. Aber indem der Iatas-Meister all seine Kraft zusammennahm, gelang es ihm, einen Arm zu heben. Und tatsächlich hielt Loës inne.

      »Ihr wisst schon längst, dass ich einzig Euch treu ergeben bin«, kam es von dem am Boden Liegenden flüsternd und mit der Stimme der Erkenntnis. Die rissigen Lippen des Kriegers waren von seinem eigenen Blut rot gefärbt, nachdem er sich einige Male darauf gebissen hatte. »Zudem werde ich mich Euch gegenüber nie wieder respektlos verhalten oder an Eurer Stärke zweifeln – aber auch dessen seid Ihr Euch bewusst.«

      Noch während er sprach, dachte Skal an Loës’ Nackenwunde, welche er bisher dankbar als dessen Schwachstelle angesehen hatte, durch die es ihm erlaubt gewesen war, ab und zu wenigstens ein bisschen zu verschnaufen. Aber schon im nächsten Augenblick verbot er sich diesen Gedanken – und zwar für immer. Genauso ging ihm zum allerletzten Mal der Satz durch den Kopf, welchen er in seinem Traum dem vermeintlichen Cedryk gegenüber geäußert hatte: Ich wollte den Gott der Alben an der kurzen Leine halten.

      Mit dem nächsten Herzschlag war der Geist des Iatas wie geleert. Eine weiße Wand schien sich quer durch sein Hirn zu spannen und hielt die Gedanken an die vermeintlichen Schwächen seines Gottes zurück; verbot ihm sämtliche Beleidigungen, mit denen er ihn unwissentlich beschämt hatte. Ab sofort, das wusste er, stand nicht nur sein Handeln, sondern auch sein Denken einzig im Dienste des Dunklen Herrschers.

      Loës, der im Geist seines Menschensklaven nach Belieben lesen konnte, nickte nun bestätigend mit dem Kopf. Voll Genugtuung erhob er die rauchige Stimme, während er auf den zu seinen Füßen kauernden Mann hinabsah.

      »Ich bin alles für dich, merk dir das. Ich bin deine Familie, ich bin dein einziger Freund und vor allem kann ich aber auch dein schlimmster Feind sein, wenn du mich dazu zwingst. Du wirst alles tun, was ich dir befehle und du wirst es tun, wenn ich es dir befehle. Außerdem wagst du von nun an nie wieder abwertend von mir zu sprechen oder auch nur zu denken.« Angriffslustig fletschte Loës die Zähne und ballte seine Hände zu Fäusten. Die Knöchel traten gräulich-weiß unter der papierdünnen Haut hervor und knackten dabei deutlich vernehmbar.

      »Merk dir eines, Skal, vom heutigen Tage an ist nicht nur dein Körper mein Eigentum, sondern auch dein Verstand. Wann immer du den Wunsch hegen magst, mir untreu zu werden, denke immer daran: Ich bin in deinem Kopf!«

      »Ihr seid allmächtig«, bestätigte Skal tonlos, in der Hoffnung, dass die Tortur nun endlich ihr Ende haben mochte. Jede Faser seines Körpers sehnte sich nach Erlösung. Genauso wie er sich aus tiefstem Inneren nur noch wünschte, Gott Loës zufriedenzustellen und ihm dienen zu dürfen. Das Wohlwollen seines Gebieters zu erlangen würde von jetzt an, bis in alle Ewigkeit, sein höchstes Ziel darstellen. Sein Gegenüber schien das zu bemerken, denn zum ersten Mal zeichnete sich ein zufriedenes Lächeln auf dessen Lippen ab.

      »Ich sehe, du hast nun endlich verstanden«, sprach er, wobei seine Stimme noch immer den geheimnisvoll rauchigen Unterton aufwies. Allerdings hatte sie inzwischen ihre grausame Schärfe verloren. »Mehr als diese Erkenntnis wollte ich nicht von dir. Und nun erhebe dich, mein Schüler. Wir haben viel zu tun.«

      Ein kurzes Winken mit der Rechten folgte und tatsächlich konnte Skal jetzt ohne größere Mühen vom Boden aufstehen. Im ersten Moment drehte


Скачать книгу