Das Biest in Dir. Felix Hänisch

Das Biest in Dir - Felix Hänisch


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vernahm er nichts. Abgesehen von seiner aufgebissenen Lippe war er vollkommen unversehrt und bereit, Bäume auszureißen. Dankbar blickte der alte Krieger hinauf in die schwarzen, mandelförmigen Augen des Albengottes, die ihm – zumindest hatte er in diesem Moment den Eindruck – beinahe schon gütig entgegenschauten.

      »Ich mag grausam sein, Skal, aber vergesse nie, ich bin auch gerecht. Wer nicht gegen mich aufbegehrt, sondern meinen Willen befolgt, der hat vor mir nichts zu befürchten. Das gilt für dich, ebenso wie für jedes andere Lebewesen auf Epsor. Nur wer sich mir entgegenstellt, muss mit harten Strafen rechnen ... Oder aber wer mein Vertrauen missbraucht, so wie Saparin es in der Schlacht getan hat, als er dazu bereit gewesen war, sein Leben für Nemesta zu opfern anstatt für mich.« Den letzten Satz sprach Loës so leise aus, dass Skal ihn nicht einmal vollständig verstanden hatte, doch er war sich sicher, dass die Worte nicht für ihn bestimmt waren und hakte deshalb nicht nach. Nie wieder würde er eine Entscheidung seines Gottes infrage stellen.

      »Komm jetzt, es gibt viel zu erledigen«, raunte der Dunkle Herrscher erneut und drehte sich auf der Ferse um. Ohne zu zögern senkte Skal das Haupt und folgte in drei Schritten Abstand dem wehenden Saum seines Umhangs. Die mentale Sperre, welche es ihm bis eben noch unmöglich gemacht hatte aufzustehen, geschweige denn die Tür zu durchschreiten, war wie weggeblasen. Ihm wurde klar, dass Loës ihn ganz bewusst auf eine Art und Weise gequält hatte, deren Schaden sich innerhalb von wenigen Augenblicken wieder gänzlich beheben ließ. Das Ergebnis jedoch würde ewig währen.

      »Darf ich fragen, was mein Meister als Nächstes zu tun gedenkt?« Skal sprach laut und deutlich, dennoch mit ehrfürchtigem Unterton in der Stimme. Ganz wie es einem Diener geziemte.

      Der Mensch weiß nun, wo sein Platz ist, sodass ich mich endlich um andere Widrigkeiten kümmern kann, dachte Loës im Stillen und schmunzelte. Einen Moment später antwortete er: »Wir gehen deine Schüler besuchen. Nachdem sie mir gesagt haben, was ich wissen will, wirst du mir deine Treue sogleich das erste Mal unter Beweis stellen können. Das erste Mal von vielen, denn Skal, der Iatas, ist am heutigen Tage gestorben. Ab sofort bist du mein Zuoul. Mein Vollstrecker.«

      Skal hörte am Tonfall seines Meisters, dass dieser nicht Willens war, das Gespräch noch weiter zu vertiefen. So faltete er lediglich untertänig die Hände vor dem Bauch und senkte den Kopf. In dem Wissen, dass sein Gebieter, der mit weit ausgreifenden Schritten vor ihm herlief, beide Gesten nicht sehen konnte, marschierte er folgsam hinterdrein. Darius und Therry existierten nun bloß noch als Werkzeuge, die Loës gefällig zu sein hatten, bis der sie wegwarf. Zu einer anderen Art von Gefühlen, ob er sie nun jemals für die beiden gehegt haben mochte oder nicht, war Skal von nun an nicht mehr fähig.

      Mit nach wie vor vollgeschwitzten Kleidern und in immer genau demselben Abstand folgte der ehemalige Iatas-Meister seinem Gott durch den fackelbeschienenen Gang. Dabei kam ihm der Gedanke, dass der Herr der Dunkelheit ihn womöglich auch dann gequält hätte, wenn er sich von Anfang an nicht nur für seine Untreue, sondern auch für seine respektlosen Gedanken und Träume entschuldigt hätte. Doch diesen frevlerischen Einfall verwarf er ebenso rasch wieder, wie er gekommen war. Skal wollte kein weiteres Mal riskieren, dass sein Meister ihm zürnte. All sein Verlangen drehte sich nun einzig und allein darum, ein guter Diener und würdiger Zuoul zu sein.

      Und Loës lächelte darüber.

       Die Kerker von Eichenburgh

      Wieder erwachte Darius mit brummendem Schädel, auch wenn es dieses Mal nicht ganz so schlimm war wie noch vor einigen Stunden. Was jedoch unverändert blieb, war die Orientierungslosigkeit, die, kaum dass er die Augen aufschlug, von ihm Besitz ergriff.

      Aus irgendeinem Grund konnte der junge Iatas spüren, dass er nicht besonders lange weggetreten gewesen sein konnte. Auch hielt das Bewusstsein viel schneller wieder Einzug in seinen Körper und Geist als beim letzten Mal. Es war beinahe so, als wäre sein Wahrnehmungsvermögen es inzwischen gewohnt, immer wieder in kurz aufeinanderfolgenden Zeitabständen, aus der Ohnmacht zu erwachen. Im ersten Moment hatte Darius noch das Gefühl, er würde auf einem schwankenden Boot fahren und es dauerte einige Augenblicke, bis er sich seines Irrtums gewahr wurde und feststellte, dass das Schaukeln unter seinem Körper nicht von unruhiger See herrührte.

      Zwei dunkel gekleidete Personen, die er im schwachen Licht des scheinbar unterirdischen Ganges nur verschwommen wahrnehmen konnte, hatten ihn an den Ellenbogen und Handgelenken gepackt und zogen ihn mit sich, wobei seine Füße nutzlos über den Boden schleiften. Urplötzlich kehrte die Erinnerung an die vergangenen Ereignisse zurück. An die wahnsinnige Nemesta und den tot geglaubten Saparin. Nur einen Herzschlag später überkam ihn siedend heiß der Gedanke an Therry.

      Obwohl die Fänge der Ohnmacht noch nicht gänzlich von ihm abgelassen hatten, sein Körper seltsam taub und der Blick unnatürlich verschleiert war, hob Darius den Kopf. Er schien so viel wie ein Fass zu wiegen. Desorientiert wanderten seine Augen zu den beiden Männern hinauf. Daran, dass es sich um Alben handelte, bestand für ihn keinerlei Zweifel. Auch wenn er noch nicht scharf genug sehen konnte, um in dem Zwielicht die Farben ihrer Augen zu erkennen, so bemerkte er dennoch die spitz zulaufenden Ohren. Soweit es ihm möglich war, machte Darius sich zur Gegenwehr bereit, auch wenn er kaum wusste, wie er sich wehren sollte und all seine Gedanken nur bei einer einzigen Person waren.

      »Wo ist Therry?«, versuchte er mit fester und bedrohlich wirkender Stimme zu sagen, um seinen Wachen zu zeigen, dass er sich trotz seiner verhängnisvollen Situation nicht vor ihnen fürchtete. Viel mehr als das unverständliche Lallen eines Betrunkenen kam ihm jedoch nicht über die schwer gewordene Zunge, die offenbar ein Eigenleben entwickelt zu haben schien. Denn sogleich folgten weitere zusammenhanglose Silben, die sich allesamt so anhörten wie das Geschwätz eines Schwachsinnigen. Doch die beiden Männer neben ihm schienen seinen Lauten tatsächlich eine gewisse Information entnehmen zu können. Schlagartig verstärkten sie ihre Griffe und schienen sogar ihre Schritte noch ein wenig mehr zu beschleunigen. Währenddessen wandten sie einander die Köpfe zu, wobei sie mit Leichtigkeit über den von Darius hinweg sehen konnten, da der noch immer zur rechten Seite hin umgeknickt war und auf seiner Schulter ruhte.

      Rasch wurden einige knappe Sätze gewechselt, doch Darius konnte deren Inhalt nicht verstehen. Einzig die Worte: Betäubung lässt nach, drangen zuverlässig an sein Ohr. Hilflos und entmachtet von den zwei Fremden durch die Gegend getragen zu werden, war dem Iatas zuwider. So versuchte er ein ums andere Mal, einen Fuß aufzustellen, um sich aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten und so zumindest den Anschein von Widerstand zu erwecken.

      Die ersten drei Versuche scheiterten in kläglichem Stolpern, das von seinen Bewachern abgefangen wurde. Doch dann gelang es Darius tatsächlich die Beine anzuziehen und für einen kurzen Moment im Tempo der beiden einen Schritt nach dem anderen zu tun. Auch die Kraft und Kontrolle über seinen Körper kehrten nun mit erstaunlicher Schnelligkeit in ihn zurück. Kaum, dass sich sein Blick wieder zu klären begann, versuchte er durch konstantes Ziehen und Zerren den festen Griffen seiner Bewacher zu entkommen. Allerdings bekam er schon im nächsten Augenblick die Konsequenz dafür zu spüren. Hart und vollkommen unerwartet traf ihn die Faust des einen mitten in die ungeschützte Magengrube, sodass er wieder in sich zusammensank und nach einem erschrockenen Aufkeuchen schwer nach Atem lechzte.

      »Wir müssen uns beeilen, das betäubende Schmerzmittel lässt viel zu schnell nach!«, drangen die aufgeregten Worte von einem der Alben an Darius’ Ohr. Dessen verkrampfter Oberkörper verlagerte sich inzwischen ungewollt soweit nach vorn, dass seine Füße keinen Halt mehr auf dem Boden fanden und erneut nutzlos hinter ihm her schleiften. Sein Sichtfeld war dabei einzig auf die dunklen Steinplatten des Bodens beschränkt. Die Tatsache, dass man ihm noch immer links und rechts die Arme festhielt, machte es für ihn noch unerträglicher, da er nun nicht einmal in der Lage war, sich die Hände an den schmerzenden Bauch zu halten. Zwar versuchte er sich wieder aufzurichten, doch der zweite Alben packte ihn hart im Nacken und hielt ihn unermüdlich weiter nach unten gedrückt.

      »Wir hätten ihn doch fesseln sollen, dann würde er jetzt nicht solche Scherereien machen!«, zischte er verärgert an den anderen gewandt, während seine Finger sich schraubstockartig immer weiter zusammendrückten.

      »Ja,


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