Das Biest in Dir. Felix Hänisch

Das Biest in Dir - Felix Hänisch


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auf die Wand links neben ihnen, die aus fein bearbeiteten Steinen bestand und in die eine weitere Tür eingelassen war.

      Anstatt eines Wachpostens, der sich hier unten bisher missen ließ, versperrte lediglich ein einfacher Holzriegel den breiten Durchgang. Unmittelbar vor der Wegeskreuzung hielt die kleine Gefangenenkolonne an und Darius konnte förmlich spüren, wie die Blicke ihrer Bewacher für einen Augenblick zwischen Treppe und Tür hin und her wechselten.

      Ein unruhiges Rascheln drang dem jungen Krieger von hinten an die Ohren, welches wohl von Therry stammte, die sich unbeholfen zu befreien versuchte. Aufgrund ihrer Augenbinde und der Tatsache, dass ihre Füße noch nicht einmal den Boden berührten, standen ihre Erfolgschancen jedoch noch niedriger als seine eigenen. Zu sprechen wagte sie sich auch nicht mehr, da ihr die Konsequenzen dafür wohl noch allzu deutlich im Gedächtnis waren.

      »Wir können sie so unmöglich durch den Wald transportieren, die Gefahr einer Flucht wäre zu groß«, sprach der, der Peilnhin genannt worden war, nach einigen Momenten und brach damit das allumfassende Schweigen. »Werfen wir sie vorübergehend in die Zellen.«

      Schnell wurde der Riegel beiseite geschoben und sowohl Darius als auch Therry durch den hölzernen Türbogen gepresst. Der Raum dahinter war deutlich größer und genau wie der erste auch wieder mit einer Art Gang zu vergleichen. Wenn auch mit einem recht kurzen. Links und rechts erstreckten sich jeweils drei Gefängniszellen, die nach außen und zum größten Teil auch zueinander durch dicke Gitterstäbe abgegrenzt waren. Mehrere verängstigte Gesichter blickten Darius mit großen Augen aus dem Halbdunkel entgegen.

      Das schwache Dämmerlicht, welches durch ein einzelnes, winzig kleines Fenster kurz unterhalb der Decke am Ende des sieben Schritte breiten Ganges in den Kerker fiel, schaffte es kaum, die Szenerie ausreichend zu erhellen. Somit blieben viele dunkle Ecken zurück, die der junge Krieger nicht ausreichend überblicken konnte.

      Doch soweit er es erkannte, handelte es sich bei allen Gefangenen um Elfen, die nun, da urplötzlich Fremde aufgetaucht waren, neugierig die Köpfe hoben. Viele von ihnen traten so weit wie möglich an ihre Zellentüren heran. Hoffnungsvoll und gleichzeitig verängstigt sahen die Männer und Frauen durch die Gitterstäbe, aber Darius konnte den Blickkontakt zu ihnen nicht lange aufrechterhalten. Metallisches Geklirr drang an seine Ohren und schon wurde er wieder durch überdeutlichen Druck von hinten darauf aufmerksam gemacht, dass er sich von der Stelle zu bewegen hatte.

      »Los, rein da!«, keifte einer der Alben, und ehe er sich versah, wurde Darius auch schon hart in die vorderste der Zellen gestoßen.

      Jetzt oder nie, dachte sich der Iatas, denn wenn er es nun versäumen würde zu handeln, wäre es um ihn und Therry geschehen. Sobald die schwere Gittertür hinter ihnen einmal ins Schloss gefallen war, gab es kein Entkommen mehr für sie.

      Der Soldat hatte ihn jedoch völlig unvorbereitet und mit solcher Kraft ins Innere der Zelle gestoßen, dass Darius einige Schritte machen musste, um sich zu fangen und nicht gleich hinzufallen. So schnell wie möglich drehte er sich wieder um, aber es war bereits zu spät. Schon sah er, wie die Tür hinter ihm zugeworfen wurde und zwei seiner Bewacher bedrohlich die Spitzen ihre Schwerter durch die Gitterstäbe steckten, um ihn auf Distanz zu halten, während ein Dritter abschloss. Therry war noch immer außerhalb der Zelle und wurde von Peilnhin mit der Waffe am Hals bedroht.

      »Wo sollen wir sie hinstecken?«, fragte einer der Alben, als er sich im Rückwärtsgang wieder von der Zelle entfernte.

      »Therry! Therry! Was habt ihr mit ihr vor, ihr Bastarde?« Darius, der wie von Sinnen an den breiten Gitterstäben zog, obschon sie sich kein Stück bewegen ließen, brüllte sich in hilfloser Verzweiflung die Seele aus dem Leib, weil er befürchtete, von seiner Freundin getrennt zu werden. Doch schon einen Moment später wurde ihm zumindest diese Sorge genommen, als Peilnhin auf das Nachbarabteil deutete und resignierend das Wort erhob.

      »Werfen wir sie da rein, dann warten wir auf Lord Saparin. Hauptsache die beiden Uèknoos sind nicht in der gleichen Zelle.«

      »Aber was ist mit ihm?«, meldete sich wieder der Erste und deutete auf Darius, der nach wie vor die Gitterstäbe fest umklammert hielt, so als könnte er sie damit entzweibrechen. »Sollen wir ihn nicht woanders unterbringen? Ich meine wegen ...«

      »Nein!«, unterbrach der Wortführer der kleinen Truppe ihn hart und schüttelte den Kopf. »All die anderen Zellen sind ebenfalls belegt und ich will nicht das Risiko eingehen, ihn nochmal rauszuholen. Der Mensch ist ein Kämpfer, das hast du doch gerade selbst gesehen. Da drin ist er im Moment am besten aufgehoben, bis wir mit Verstärkung zurückkehren. Und jetzt öffne die andere Zelle.«

      Augenblicklich machte der Soldat sich daran, der Anweisung Folge zu leisten und steckte einen großen, aber dennoch kompliziert gearbeiteten Schlüssel in das Schloss. Die Nachbarzelle war zu Darius’ Seite hin lediglich durch sich überkreuzende Gitterstäbe abgetrennt, sodass es einem Hohn gleichkam, dass er zwar alles mit ansehen, jedoch nichts unternehmen konnte.

      Noch immer war Therry die Einzige, auf die sich seine Aufmerksamkeit richtete. Die Gruppe der sieben oder acht Elfinnen, welche sich – kaum dass die albischen Soldaten die Tür geöffnet hatten und bedrohlich ihre Schwerter auf sie richteten – verängstigt gegen eine Pritsche an der hinteren Wand drückten, interessierten ihn nicht. Ebenso wenig nahm der junge Krieger sich die Zeit, einen Blick über die Schulter in den hinteren, dunklen Teil seiner eigenen Zelle zu werfen.

      Zum ersten Mal war es Darius vergönnt, Therry länger als nur für einen flüchtigen Augenblick ansehen zu können. Eine Augenbinde aus blütenweißem Stoff bedeckte ihre obere Gesichtshälfte und bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass auch mehrere andere Stellen ihres Körpers fachmännisch und mit sauberen Bandagen versorgt worden waren. Zudem trug sie ein braunes, sackartiges Kleid mit kurzen Ärmeln, dessen grober Stoff an den Schultern ausgefranst war, so als hätte man es in aller Eile und ohne viel Mühe behelfsmäßig zurechtgeschnitten. Ihre Füße steckten in einfachen Filzschuhen, die ihr etwas zu groß waren und bei jedem Schritt ein wenig rutschten.

      Durch eine flüchtige Handbewegung über seinen eigenen Körper stellte Darius fest, dass auch er an den schlimmsten Stellen schützende Verbände trug und ebenfalls neu eingekleidet war. Derselbe Stoff aus derben Keschfasern wie bei Therry umhüllte auch seinen Körper. Zudem hatte sich mittlerweile Schorf über das Loch in seiner Wange gelegt. Und als er etwas genauer in sich hineinhorchte, fiel ihm auf, dass sich sowohl die Verletzung an seiner Hüfte als auch sein geschwollenes Gesicht und der pochende Unterkiefer seltsam taub anfühlten. Es war beinahe so, als würden die verwundeten Stellen gar nicht mehr richtig zu seinem Körper gehören.

      Schon wurde Therry unter einem abfälligen: »Fühl dich ganz wie zu Hause, Menschenhure«, ins Innere des Verlieses geschubst. Da sie nichts sehen konnte, gelang es ihr weder das Gleichgewicht zu halten noch sich ausreichend mit den Händen abzustützen, sodass sie zuerst schmerzhaft auf die Knie fiel und dann, unter dem hämischen Gelächter der Wachen, der Länge nach auf dem gefliesten Steinboden aufschlug. Zwar hatte die tapfere Iatas-Kriegerin versucht, sich nicht die Blöße eines Schmerzensschreies zu geben, dennoch war ihr ein kaum überhörbares Stöhnen entwichen, als sie unbeholfen zu Boden ging.

      »Ihr Mistkerle, ich bring euch um!«, brüllte Darius wutentbrannt und streckte in einem Anflug von Vergeltungsdrang seinen Arm so weit wie möglich durch die Gitterstäbe, um nach den verhassten Alben zu greifen. Erreichen konnte er sie jedoch nicht. Mit unverhohlener Schadenfreude schlossen die Männer die Zelle wieder ab, ohne auf ihn zu achten.

      »Nein, Darius, lass sie«, entgegnete Therry trotz ihrer misslichen Lage stolz und mit fester Stimme.

      »Ich wünsche euch viel Spaß, bei dem dreckigen Elfenpack und allem, was hier unten sonst noch so rum kriecht«, meinte einer von ihnen vielsagend, während er sich den Schlüsselbund wieder zurück in die Tasche steckte. Darius’ Hass steigerte sich dadurch nur noch weiter. Selten zuvor hatte er sich seinen Biestzustand so dringend herbeigesehnt wie jetzt. Doch wie immer, wenn er es sich am meisten ersehnte, ließ sich das Gefühl des wohligen Kontrollverlustes und der animalischen Gewissheit, unbesiegbar zu sein, beharrlich missen.

      Dabei bezog sich die Wut des jungen Kriegers


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