Leitfaden der Rechtsgeschichte. Sibylle Hofer

Leitfaden der Rechtsgeschichte - Sibylle Hofer


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      In der späten Kaiserzeit (s. Rn. 24) ergingen etliche Konstitutionen, welche die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht unerheblich beschränkten. So wurden beispielsweise zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. für zahlreiche Waren und Dienstleistungen Höchstpreise festgelegt. Außerdem erhielten etwa Grundstücksverkäufer die Möglichkeit, den Vertrag für unwirksam erklären zu lassen, sofern der Kaufpreis weniger als die Hälfte des Verkehrswerts betrug.

      49. Verfügungsfreiheit

      Eigentümer hatten in der Regel freie Verfügungsmöglichkeiten über ihre Sachen. Anerkannt war etwa die Möglichkeit, anderen Personen gesicherte Nutzungsmöglichkeiten in Gestalt von beschränkten dinglichen Rechten zu verschaffen. Bestellt werden konnten beispielsweise Dienstbarkeiten (Berechtigungen zur Nutzung von Grundstücken in bestimmter Hinsicht, sog. Servituten) oder unbefristete, vererbliche Nutzungsmöglichkeiten für Grundstücke, die im staatlichen Eigentum standen (Emphyteuse: Erbpacht).

      50. Grenzen bei Grundstücken

      Insbesondere bei Grundstücken wurden der freien Verfügung allerdings immer wieder Grenzen gesetzt. Einschränkungen dienten nicht selten dazu, private Interessen insbesondere der Nachbarn zu schützen (so etwa beim Verbot übermäßiger Immissionen). Darüber hinaus wurden sie auch aus öffentlichen Interessen angeordnet (so standen beispielsweise Sicherheitsgründe hinter der Festlegung von Mindestabständen zwischen Häusern oder von maximalen Gebäudehöhen). Begrenzungen der Verfügungsfreiheit im öffentlichen Interesse nahmen in der späten Kaiserzeit erheblich zu.

      51. Testamente

      Schon im Zwölftafelgesetz (s. Rn. 28) war die Möglichkeit anerkannt, durch ein Testament die Erbfolge entsprechend dem eigenen Willen zu gestalten. Voraussetzung war allein die Einhaltung bestimmter Formen (vgl. testatio mentis: Bezeugung des Willens).

      Die Formanforderungen unterlagen einem Wandel. In früher Zeit mussten Testamente vermutlich vor der Volksversammlung errichtet werden. Später wurde das Vermögen zum Schein an eine Person verkauft, welcher in einer verschlossenen Schrift Anweisungen für die Verteilung nach dem Tod des Verkäufers gegeben wurden. In der Kaiserzeit genügte dann eine schriftliche Niederlegung des letzten Willens. Dabei musste die Urkunde vor sieben Zeugen unterschrieben und von diesen besiegelt werden. Der Inhalt der Verfügung konnte vor den Zeugen geheim gehalten werden. Bei geheimen Verfügungen musste sich der Erblasser nicht verpflichtet fühlen, die Zeugen im Testament zu bedenken. Diese Gestaltungsmöglichkeit kann somit als Schutz der Verfügungsfreiheit gesehen werden.

      Die Testierfreiheit hatte zur Folge, dass ein Familienoberhaupt sein Vermögen testamentarisch auf Personen übertragen konnte, die nicht zur Familie gehörten. Derartige Verfügungen wurden allerdings zunehmend begrenzt. So musste ein Vater, der seine männlichen Nachkommen enterben wollte, dies ausdrücklich im Testament erklären. Wurde ein Sohn einfach übergangen, hatte das die Unwirksamkeit des gesamten Testaments zur Folge. In der Kaiserzeit kam eine inhaltliche Schranke hinzu. Nahe Angehörige, die im Testament nicht ausreichend berücksichtigt worden waren, erhielten das Recht, die letztwillige Verfügung anzufechten. Damit wurde die Testierfreiheit durch familiäre Pflichten eingeschränkt:

      Corpus iuris civilis, Institutionen 2, 18:

      Quia plerumque parentes sine causa liberos suos vel exheredant vel omittunt, inductum est, ut de inofficioso testamento agere possint liberi, qui queruntur aut inique se exheredatos aut inique praeteritos, hoc colore, quasi non sanae mentis fuerunt, cum testamentum ordinarent. Sed hoc dicitur, non quasi vere furiosus sit, sed recte quidem fecit testamentum, non autem ex officio pietatis. (…)

      Weil Eltern ihre Kinder bisweilen grundlos enterben oder übergehen, ist eingeführt worden, dass Kinder, die geltend machen, sie seien zu Unrecht enterbt oder zu Unrecht übergangen worden, wegen pflichtwidrigen Testaments klagen können, und zwar mit dem Argument, die Eltern seien anscheinend nicht bei klarem Verstand gewesen, als sie das Testament errichteten. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der Erblasser tatsächlich geisteskrank war. Vielmehr hat er sein Testament zwar rechtmäßig errichtet, aber nicht seiner Pflicht gegenüber der Familie entsprochen.

      Als pflichtwidrig und damit unwirksam galt ein Testament, wenn nächste Angehörige (insbesondere Kinder) enterbt worden waren, ohne dass dafür ein Grund bestanden hatte (z. B. eine schwere Verfehlung oder ein sittenwidriges Verhalten seitens der enterbten Person). Erblasser konnten derartige Anfechtungen verhindern, indem sie ihre nächsten Angehörigen mit Vermögenswerten bedachten, die mindestens ein Viertel des gesetzlichen Erbteils ausmachen mussten.

       2.2.3.1.Ordentliche Gerichte

      Zivilgerichtsbarkeit

      Die Gerichtsorganisation stand in enger Verbindung mit der Gestalt der Gerichtsverfahren. Der Zivilprozess war zur Zeit der Republik (s. Rn. 22) in zwei Phasen unterteilt. Für die erste Phase waren die Prätoren zuständig. Dabei handelte es sich um hohe Beamte, die im Rang unmittelbar hinter den Konsuln standen. Neben militärischen und politischen Verpflichtungen hatten sie auch Aufgaben im Bereich der Rechtspflege. Bei Zivilprozessen kam ihnen die „iuris dictio“ (wörtlich: das Aussprechen von Recht) zu. Darunter ist nicht „Rechtsprechung“ im Sinn von Urteilsfällung zu verstehen. Die Prätoren trafen nur Vorentscheidungen, denen allerdings zentrale Bedeutung zukam. Sie prüften, ob die Voraussetzungen für einen Prozess gegeben waren. Dazu gehörte vor allem die Abklärung, ob für das Vorbringen des Klägers eine geeignete Formel bestand, d. h. ob ein anerkannter Anspruch geltend gemacht wurde (s. Rn. 34). In diesem Verfahrensstadium wurden die Sachverhaltsangaben des Klägers als zutreffend unterstellt.

      Mit steigender Arbeitslast wurde die Zahl der Prätoren vergrößert und deren Aufgabe differenziert. Der Stadtprätor erhielt die Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen römischen Bürgern, der Fremdenprätor für Verfahren, an denen Fremde beteiligt waren. Daneben wurden einzelne Rechtsprechungsbefugnisse auf andere Magistrate ausgelagert. Das betraf etwa die sog. Ädile, zu deren Aufgaben die Marktaufsicht gehörte. Diese Zuständigkeit wurde auf die Beurteilung von Streitigkeiten ausgehnt, die mit dem Marktgeschehen im Zusammenhang standen (z. B. Klagen wegen Mängeln gekaufter Sachen). In den Provinzen lag die Gerichtsbarkeit bei den Statthaltern. Alle Magistrate, die Aufgaben im Bereich der Rechtsprechung wahrnahmen, erließen eigene Edikte.

      Kam der Prätor zu dem Ergebnis, dass der geltend gemachte Anspruch einklagbar sei, ging der Prozess in eine zweite Phase. In dieser wurde geprüft, ob die Sachverhaltsdarstellung des Klägers tatsächlich der Wahrheit entsprach und somit die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben waren. Das Thema für die Prüfung und damit für Beweiserhebungen gab die Formel des Prätors vor:

      Gaius, Institutionen, 4, 47 (Prozessformel aus dem Edikt des Prätors): Si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Auolo Agerio condemnato; si non paret, absolvito, (…).

      Wenn


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