Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht. Christoph Herrmann
oder die Einführung von Schutzmaßnahmen (siehe Fall 8, Rn. 510). Hinzu kommt die Kompetenz für den Erlass des gemeinsamen Zolltarifs gemäß Art. 31 AEUV. Der Inhalt dieser handelsregulierenden Instrumente wird regelmäßig durch die vertragliche Handelspolitik beeinflusst, da sich die Union nicht zuletzt dem WTO-Rechtsregime und damit internationalen Handelsregelungen unterworfen hat.
IV. Die Wirtschafts- und Währungsunion
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Die Begrifflichkeiten der Wirtschafts- und Währungsunion werden zwar regelmäßig „in einem Atemzug“ genannt, was durchaus eine gewisse Zusammengehörigkeit bzw. Verzahnung beider Bereiche belegt. Die Wirtschaftsunion sowie Währungsunion stellen allerdings zwei kompetenziell klar abzugrenzende und unterschiedlich integrierte Bereiche des Unionsrecht dar. Während das zentrale Element der Währungsunion die einheitliche Währung, der „Euro“, in der sogenannten Eurozone einschließlich des gemäß Art. 127 Abs. 1 AEUV vorrangigen geldpolitischen Mandats der Gewährleistung der Preisstabilität durch die Europäische Zentralbank (EZB) eine ausschließliche Zuständigkeit der Union (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. c AEUV) ist, verbleibt der Kompetenzbereich der Wirtschaftspolitik bei den Mitgliedstaaten, zwischen denen gemäß Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 AEUV i.V.m. Art. 119 Abs. 1 AEUV lediglich eine enge wirtschaftspolitische Koordinierung stattfindet, die gemäß Art. 119 Abs. 1, 120 S. 2 AEUV dem Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.[37]
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Angesichts der lediglich koordinationsbasierten wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ist deren Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite gemäß Art. 126 Abs. 1 AEUV und damit zur soliden Haushaltspolitik von besonderer Bedeutung. Die Haushaltdisziplin drückt sich gemäß dem Defizitprotokoll i.V.m. Art. 126 Abs. 2 S. 2 AEUV durch die Einhaltung der Referenzwerte von maximal 3% Nettoneuverschuldung und maximal 60% des Bruttoinlandprodukts als Gesamtschuldenstand aus, die vor allem für die Euro-Staaten finanzpolitische Stabilität gewährleisten soll. Zu beachten ist, dass die Pflicht zur Vermeidung öffentlicher Defizite gemäß Art. 139 Abs. 2 S. 1 lit. b AEUV für die Euro-Mitgliedstaaten uneingeschränkt gilt. Wenngleich die Einhaltung der Haushaltsdisziplin gemäß Art. 126 Abs. 10 AEUV nicht im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens durchsetzbar ist, enthält Art. 126 Abs. 2 bis 11 AEUV einen von der Kommission und dem Rat durchgeführten Überwachungsmechanismus einschließlich etwaiger Sanktionierungsmöglichkeiten durch den Rat (siehe eine typische Fallkonstellation der Finanz- und Staatsschuldenkrise in Fall 13, Rn. 771 ff.).[38]
I. Allgemeines Völkerrecht
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Die Relevanz des allgemeinen Völkerrechts im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht folgt vor allem daraus, dass die internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen in erster Linie völkervertragsrechtlich in Form von bi-, pluri- oder multilateralen Abkommen zwischen den souveränen Staaten ausgestaltet sind. Die völkerrechtlichen Handels- und Wirtschaftsabkommen werden damit im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut zur praktisch bedeutsamsten Quelle des Wirtschaftsvölkerrechts. So beruht beispielsweise sowohl die Gründung der Europäischen Union als auch die Errichtung der WTO auf völkerrechtlichen Verträgen. Dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich die Rechtsnatur der jeweils neu gestalteten Rechtsordnungen von der Qualität des Gründungsaktes löst und sich zumindest im Verhältnis zu den Vertragsparteien bzw. Mitgliedstaaten von traditionellen völkerrechtlichen Verträgen unterscheidet.[39] Im Falle der Unionsverträge als Rechtsordnung sui generis hat dies zur Folge, dass die allgemein völkerrechtlichen Auslegungsregeln nach der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) im unionalen Binnenbereich grundsätzlich keine Anwendung finden (siehe Fall 1, Rn. 104 ff.).
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Die rechtliche Ausgestaltung der internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen erfolgt grundsätzlich durch die Nationalstaaten selbst als originäre Völkerrechtssubjekte, die aufgrund der ihnen zukommenden Souveränität in Bezug auf das jeweilige Staatsgebiet (Gebietshoheit) und die jeweilige Bevölkerung (Personalhoheit) entsprechende zwischenstaatliche und völkerrechtlich bindende Übereinkünfte u.a. wirtschaftsrechtlicher Art schließen können. Demgegenüber geht die wirtschaftliche Tätigkeit in internationalen Wirtschaftsbeziehungen weit überwiegend von trans- oder multinationalen Unternehmen aus, die mangels Völkerrechtssubjektivität nicht Vertragspartei von völkerrechtlichen Abkommen sein können. Dies bedeutet wiederum nicht, dass Private im Rahmen von völkerrechtlichen Verträgen keine eigenständigen, unmittelbar anwendbaren Rechte erhalten können. So werden private Investoren in bilateralen Investitionsschutzabkommen regelmäßig etwa mit Klagerechten ausgestattet, die diese zur Initiierung von Investor-Staat-Streitbelegungsverfahren berechtigen. Unmittelbare Rechtswirkung der wirtschaftsvölkerrechtlichen Abkommen zugunsten Privater ist allerdings regelmäßig von den Vertragsparteien nicht gewollt, sodass – zumindest in neuerer Zeit – eine unmittelbare Anwendbarkeit von völkerrechtlichen (Handels-)Abkommen explizit ausgeschlossen wird. Ansonsten bedarf es einer Auslegung konkreter Vorschriften hinsichtlich ihrer hinreichenden Bestimmtheit und Unbedingtheit.
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Maßgebliche Bedeutung erlangt das allgemeine Völkerrecht im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht darüber hinaus regelmäßig im Rahmen von kodifiziertem Völkergewohnheitsrecht, etwa der WVK oder auch den Regeln über die Deliktshaftung der Staaten wegen der Verantwortlichkeit für völkerrechtswidriges Handeln, die in den ILC Draft Articles niedergeschrieben sind. So hat etwa die UN-Völkerrechtskommission (International Law Commission [ILC]) mit den ILC Draft Articles eine Verschriftlichung der Regeln zur deliktischen Staatenverantwortlichkeit erreicht, die mit der Resolution 56/83 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 12.12.2001 angenommen wurde. Eine völkervertragsrechtliche Grundlage i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln oder Unterlassen existiert damit allerdings nicht. Verbindlichen Charakter erhält die völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit weiterhin vielmehr „lediglich“ als Gewohnheitsrecht i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut (siehe Fall 16, Rn. 932).
II. Das Recht der WTO und regionale Handelsabkommen
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Die WTO ist eine internationale Organisation mit derzeit 164 Mitgliedern, die auf Grundlage des Übereinkommens zur Errichtung der WTO (WTO-Übereinkommen) zum 1.1.1995 gegründet worden ist. In die rechtliche WTO-Struktur sind gemäß den Anhängen des WTO-Übereinkommens mehrere multi- und plurilaterale Abkommen integriert, etwa das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994 (GATT 1994), das Übereinkommen über die Landwirtschaft, das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (alle Anhang 1A), das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) (Anhang 1B) sowie die Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Streitbeilegung (Anhang 2).
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Das Regulierungsregime der WTO begründet keinen Freihandel, sondern zielt auf die Erhöhung des Liberalisierungsgrades des internationalen Handels und damit auf einen freieren Handel ab. Es beinhaltet ein umfassendes Antidiskriminierungsregime sowie den „tariffs only“- und „bound tariffs“-Grundsatz.
1. Der „tariffs only“-/„bound tariffs“-Grundsatz des GATT
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Im Zusammenhang mit dem „tariffs only“-Grundsatz ist zunächst festzuhalten, dass die schlichte Erhebung von Zöllen nicht per se gegen WTO-Recht verstößt. Als offensichtliche Maßnahmen aufgrund des Grenzübertritts sind Zölle im WTO-Recht grundsätzlich