Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht. Christoph Herrmann
XI:1 GATT, dass Kontingente, Ein- bzw. Ausfuhrbewilligungen wie auch andere Maßnahmen, die den Marktzugang bzw. Marktaustritt von Waren in nicht-tarifärer Art und damit regelmäßig wenig transparenter Weise behindern, verboten sind (siehe dazu Fall 15, Rn. 902 ff.).[41] Art. II:1 GATT schreibt darüber hinaus die Zollbindung der WTO-Mitglieder an die gemäß Art. XI:1 WTO-Übereinkommen beizufügenden Listen der Zugeständnisse und Verpflichtungen vor („bound tariffs“). Die WTO-Mitglieder können mittels der Listen untereinander verbindliche Maximalzölle festlegen, dürfen die in den Listen festgelegten Maximalzölle allerdings nicht überschreiten.[42] Die Zolllisten sind gemäß Art. II:7 GATT ein Bestandteil des GATT (siehe Fall 14, Rn. 831 ff.).
a) Grundpfeiler des Antidiskriminierungsregimes
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In materieller Hinsicht basiert das WTO-System darüber hinaus im Wesentlichen auf einem umfassenden Antidiskriminierungsregime, das den Grundsatz der Meistbegünstigung sowie denjenigen der Inländer(gleich)behandlung umfasst. Während nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz ein gegenüber einem WTO-Mitglied gewährter Vorteil auf alle anderen WTO-Mitglieder auszuweiten ist (vgl. Art. I:1 GATT; Art. II GATS), verbietet die Inländerbehandlung die Schlechterstellung gleichartiger ausländischer Waren bzw. Dienstleistungen gegenüber inländischen nach deren Markteintritt (vgl. Art. III GATT). Im Bereich des GATS besteht die Besonderheit, dass für den Umfang der Verpflichtungen die in den Listen i.S.v. Art. XI:1 GATS vorgenommenen Zugeständnisse maßgeblich sind (sogenannter positive list approach).
aa) Die Kriterien der GATT-Arbeitsgruppe „Working Party on Border Tax Adjustments“
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Eine besondere Schwierigkeit im Rahmen des Art. I:1 GATT bzw. des Art. III GATT besteht regelmäßig hinsichtlich der Bestimmung der Gleichartigkeit der in Rede stehenden Produkte. Diesbezüglich ist auf die von der GATT-Arbeitsgruppe „Working Party on Border Tax Adjustments“ bereits 1970 erarbeiteten Kriterien zurückzugreifen, nämlich die physikalischen Eigenschaften der Ware, deren Endverbrauch, die Vorlieben und Gewohnheiten von Verbrauchern sowie die Zolltarifklassifikation.[43] Zu beachten ist, dass diese Kriterien einer auf den Einzelfall bezogenen Bewertung dienen sollen, inwiefern zwischen den in Rede stehenden Erzeugnissen eine Wettbewerbsbeziehung besteht (siehe dazu Fall 3, Rn. 240 und Fall 15, Rn. 910).[44]
bb) Herstellungs- bzw. Produktionsmethoden als Gleichartigkeitskriterien
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Zur Bildung der relevanten Vergleichsgruppe kann dagegen nicht unmittelbar die „Herstellungs- bzw. Produktionsmethode“ (Process and Production Method [PPM]) einer Ware herangezogen werden.[45] Allenfalls können PPMs insoweit mittelbar bei der Bestimmung der Gleichartigkeit Berücksichtigung finden, dass diese einen Produktbezug haben (product-related PPMs [PR-PPMs]) und sich etwa in den physikalischen Eigenschaften des Erzeugnisses bzw. in dessen Qualität niederschlagen.[46] Sofern PPMs dagegen keinen Einfluss auf die Produktqualität nehmen und damit keinen unmittelbaren Produktbezug aufweisen (non-product-related PPMs [NPR-PPMs]), widerspricht deren Heranziehung der Dogmatik des GATT. Besonders deutlich wird dies im Falle der Gleichartigkeitsprüfung anhand von Verbrauchervorlieben, die in erheblichem Maße von unterschiedlichen Herstellungsmethoden abhängen können. So dürfte nicht nur die Objektivierung der subjektiven Verbrauchererwägungen regelmäßig Schwierigkeiten bereiten, sondern es dürfte aus dogmatischer Sicht vor allem entscheidend sein, dass das GATT die Berücksichtigung derartiger Erwägungsgründe, die sich in der jeweiligen staatlichen Maßnahme manifestieren, vielmehr als Rechtfertigungsgründe im Rahmen der Rechtfertigung gemäß Art. XX GATT vorsieht (siehe dazu Fall 3, Rn. 242 ff.; Fall 15, Rn. 913 ff.).
3. Die Rechtfertigungsdogmatik des GATT
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Die Rechtfertigungsdogmatik des GATT enthält zum einen die allgemeinen Ausnahmen gemäß Art. XX GATT, zum anderen spezielle Ausnahmen beispielsweise zur Wahrung der Sicherheit gemäß Art. XXI GATT sowie für handelspolitische Schutzinteressen.
a) Die allgemeinen Ausnahmen gemäß Art. XX GATT
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Der Appellate Body wendet zur Prüfung des Art. XX GATT einen sogenannte „two-tier“-Test an, der aus folgenden Elementen besteht: (1) Prüfung der legitimen Ziele der abschließenden Liste gemäß Art. XX lit. a-j GATT sowie (2) Prüfung des sogenannten „chapeau“. Für die Prüfung der legitimen Ziele ist zu beachten, dass diese in einer bestimmten Beziehung zum Schutzgut stehen müssen. Während die nationale Maßnahme im Falle von Art. XX lit. a, b und d GATT erforderlich sein muss („necessary“), bedarf es im Falle von Art. XX lit. c, g und e GATT lediglich eines Bezuges zum angestrebten Ziel („relating to“).[47] Voraussetzung des „chapeau“, d.h. der Einführungsklausel des Art. XX GATT, ist, dass die Anwendung der nationalen Maßnahme keine willkürliche und ungerechtfertigte Diskriminierung oder verschleierte Handelsbeschränkung darstellt. Die Anforderungen des „chapeau“ bilden ein einheitliches Prinzip, das eine rechtsmissbräuchliche Anwendung der Rechtfertigungsmöglichkeiten gemäß Art. XX GATT verhindern soll (siehe Fall 3, Rn. 243 und Fall 15, Rn. 914).[48]
b) Das Problem der extraterritorialen Wirkung von nationalen Maßnahmen
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Im Falle von nationalen Vermarktungsverboten, die auf bestimmte allgemeinwohlbezogene Herstellungs- oder Produktionsmethoden abstellen, ergibt sich allerdings die besondere Problematik, dass mittels einer solchen Maßnahme eines WTO-Mitglieds die Hersteller anderer WTO-Mitglieder mittelbar dazu veranlasst werden, die Erzeugnisse unter Wahrung der festgelegten allgemeinwohlbezogenen Herstellungsmethode herzustellen, da anderenfalls eine Vermarktung im Einfuhrstaat ausgeschlossen ist. Nach den Ausführungen des Appellate Body in US–Shrimp ist eine nationale Maßnahme, die aufgrund der Regulierung von Herstellungsmethoden Auswirkungen auf außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets liegende Sachverhalte hat, grundsätzlich zulässig, soweit eine „ausreichende Verbindung“ („sufficient nexus“) zwischen dem regulierenden Staat und dem Regulierungsgegenstand besteht,[49] wenngleich deren Ausgestaltung fraglich bleibt. So könnte einerseits Anforderung an den Nexus eine physisch-territoriale Verbindung zwischen dem regulierenden Staat und dem Regulierungsgegenstand sein,[50] was mit den Ausführungen des Appellate Body in der Sache US–Shrimp übereinstimmen würde, in der das US-Verbot von Shrimps aus Staaten, in denen keine seeschildkrötenfreundlichen Fangnetze verwendet wurden, angesichts der weitläufigen Migrationswege von Seeschildkröten – u.a. in die US-Gewässer – gerechtfertigt werden konnte (gemäß Art. XX lit. g GATT).[51] Damit können insbesondere Maßnahmen, die transnationale Sachverhalte wie etwa den Klimawandel betreffen, durchaus gemäß Art. XX GATT gerechtfertigt werden.
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Andererseits muss allerdings in Anbetracht der allgemein völkerrechtlichen Erwägung, dass die Souveränität eines Staates nicht nur die Gebiets-, sondern auch die Personalhoheit umfasst,[52] die schlichte innerstaatliche Zielrichtung einer nationalen Maßnahme ausreichen. So erachtete der Appellate Body in der Sache EC–Seals eine Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Wertvorstellungen innerhalb der Union als einen ausreichenden Nexus.[53] Hieraus wird deutlich, dass ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Bewertung der „ausreichenden