Wirtschaftsvölkerrecht. Markus Krajewski
Handelsbeziehungen fragt, untersucht die Theorie der Handelspolitik die wirtschaftlichen Auswirkungen einzelner außenhandelspolitischer Instrumente.[1] Dabei können vier Typen von Instrumenten unterschieden werden, deren Auswirkungen auf Konsumenten, inländische und ausländische Produzenten und den öffentlichen Haushalt untersucht werden. Die Kategorisierung und die daraus folgende Bewertung sind auch für die rechtliche Einordnung dieser Instrumente von Bedeutung.
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– | Zölle Ein Zoll ist eine Geldabgabe, die an den Grenzübertritt einer Ware gebunden ist. Sie wird als Stückzoll, d.h. pro Einheit einer bestimmten Ware (z.B. 5 € pro Tonne) oder als Wertzoll (Zoll ad valorem, z.B. 5 % des Verkaufspreises) erhoben. Zölle bedeuten Einkommensverluste für Konsumenten, da der Zoll über den Verkaufspreis auf die Konsumenten abgewälzt wird. Zölle führen auch zu sog. Rentengewinnen[2] für inländische Produzenten, deren Produkte mit dem importierten Gut konkurrieren. Die inländischen Produzenten können ihre Preise den Preisen der durch den Zoll verteuerten ausländischen Produkte anpassen und erhalten so eine höhere Gewinnmarge als ausländische Produzenten. Positiv ist zu berücksichtigen, dass Zölle eine wichtige Einnahmequelle für den Staat darstellen. Dies gilt insbesondere für Entwicklungsländer, da Zölle im Vergleich zu Steuern nur Kontrollen an den Außengrenzen, aber keine Verwaltung innerhalb des Lands erfordern und damit wesentlich leichter einzutreiben sind. |
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– | Importquoten (Importkontingente) Bei einer Importquote legt der Staat fest, dass nur eine bestimmte Menge einer Ware importiert werden darf und verteilt Importlizenzen an inländische Importeure. Inländische Produzenten und solche Importeure, die eine Lizenz erhalten haben, erlangen so Rentengewinne. Konsumenten erleiden ebenso wie bei Zöllen Einkommensverluste, da inländische Produzenten nur geringer Konkurrenz ausgesetzt sind und so ihre Produkte über dem Weltmarktpreis verkaufen können. Anders als bei Zöllen erhält der Staat aber keine Einnahmen. |
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– | Freiwillige Selbstbeschränkungen Unternehmen bzw. Staaten verpflichten sich freiwillig, nur eine bestimmte Menge eines Gutes zu exportieren. Diese Selbstverpflichtungen beruhen jedoch nur selten auf echten freiwilligen Beschränkungen, sondern oft auf Druck von Handelspartnern oder auf unverbindlichen Vereinbarungen zwischen den Handelspartnern. Die im Ausgangsfall zu Abschnitt I des vorherigen Kapitels erwähnte Vereinbarung zwischen China und der EU stellt eine Form der „freiwilligen Selbstbeschränkung“ dar.[3] Freiwillige Selbstbeschränkungen ermöglichen keine Einnahmen für den Staat und führen zu Verlusten für die Konsumenten wegen mangelnder Konkurrenz. Lediglich die inländischen Produzenten und die ausländischen Produzenten, die ihre Waren weiterhin exportieren können, erhalten Rentengewinne. |
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– | Subventionen für inländische Produzenten und Produkte Eine Subvention ist eine geldwerte Leistung an einen Produzenten oder Konsumenten. Subventionen haben nach der Theorie der Handelspolitik nur wenig negative Auswirkungen, da sie zwar zu Verlusten für den Staat, dafür aber zu Gewinnen für die unterstützten Produzenten und zu Gewinnen für die Konsumenten führen. Nur mittelbar werden ausländische Produzenten, die durch die Subventionen stärkerer Konkurrenz ausgesetzt sind, benachteiligt. Daher hält die Theorie der Handelspolitik Subventionen für das am besten geeignete Instrument zur Förderung der einheimischen Wirtschaft. Allerdings können Exportsubventionen oder Subventionen für eigentlich nicht konkurrenzfähige Betriebe die Preise künstlich niedrig halten, wodurch die Wettbewerbsbedingungen verzerrt werden. Zu beachten ist auch, dass Subventionen in erster Linie Industriestaaten zur Verfügung stehen, da sie über entsprechende Haushaltsmittel verfügen. Entwicklungsländer können von Subventionen aus finanziellen Gründen häufig keinen Gebrauch machen und greifen schon deswegen häufiger auf Zölle und Importquoten zurück. |
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Aus ökonomischer Sicht lassen sich die handelspolitischen Instrumente nach ihrer Effizienz und dem Grad ihrer Auswirkung auf Konsumenten und Produzenten wie folgt bewerten: Am wenigsten ineffizient sind Subventionen, ihnen folgen Zölle, dann Importquoten und schließlich freiwillige Selbstbeschränkungen.
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Ausgehend von dieser Bewertung der außenwirtschaftspolitischen Instrumente untersucht die politische Ökonomie der Handelspolitik, warum sich Regierungen für bestimmte handelspolitische Instrumente entscheiden, obwohl diese aus ökonomischer Sicht nicht optimal sind. Dabei bewertet die politische Ökonomie der Handelspolitik entsprechend den Methoden der „public choice“ politische Entscheidungen nach den Grundsätzen der ökonomischen Nutzenmaximierung. Politische Entscheidungen ergehen danach auf der Grundlage, welche Gruppe sich am besten für ihre eigenen Interessen stark machen kann (Lobbying). Produzenten können sich regelmäßig besser organisieren als Konsumenten, da ihre Gruppe überschaubarer ist und die Auswirkungen des Handels für sie direkter spürbar sind. Daher besteht bei den Regierungen grundsätzlich eine Neigung zu ineffizienten Handelsbeschränkungen und zu Protektionismus.
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Diese aus Sicht der Entscheidungsträger rationale Neigung kann durch völkerrechtliche Verpflichtungen zur Liberalisierung des Handels überwunden werden. Die Staaten binden sich also an völkerrechtliche Abkommen, um den Forderungen nach Protektionismus widerstehen zu können. Die politische Ökonomie bemüht hierfür das Bild des Odysseus, der sich selbst an den Mast bindet, um von den Sirenenklängen nicht verführt zu werden. Auch wenn dieses Bild und der Erklärungsansatz intuitiv einzuleuchten scheinen, ist es schwierig, einen Kausalzusammenhang zwischen Lobbyismus und Protektionismus empirisch eindeutig nachzuweisen.
Lern- und Wiederholungsfragen zu Teil 2 II.:
1. | Unter welchen Voraussetzungen ist die Teilnahme am internationalen Handel nach der Theorie der komparativen Kostenvorteile sinnvoll? |
2. | Wie wird dieser Befund durch neuere Erkenntnisse oder Beobachtungen der Wirtschaftswissenschaften eingeschränkt? Welche Probleme der Teilnahme am internationalen Handel können insbesondere für Entwicklungsländer auftreten? |
3. | Wie wirken sich die verschiedenen Instrumente der Handelspolitik auf Verbraucher, inländische und ausländische Produzenten und die öffentliche Hand aus? |
4. | Wie lassen sich völkerrechtliche Vereinbarungen über Handelsliberalisierung aus Sicht der politischen Ökonomie der Handelspolitik erklären? |
Anmerkungen
Zum Folgenden Rose/Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 14. Aufl., 2006; Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 5. Aufl., 2001; Koch, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., 2006.