Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb
die Anwendung dieser Grundsätze auf solche Entscheidungen begrenzt wird, die die rechtliche Struktur der Gesellschaft betreffen.
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Nach hM sind die Veränderungen durch eine Börsenzulassung mit einer Strukturänderung vergleichbar, die allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann. Schließlich verändern die daraus resultierenden (Zulassungsfolge-)Pflichten für den Emittenten sowie die Pflichten für den Anleger (zB Stimmrechtsmitteilung nach §§ 33 ff WpHG) elementar den Charakter der Gesellschaft. Im Schrifttum wird dieser Einordnung teilweise widersprochen und ein Beschluss der Hauptversammlung als entbehrlich angesehen. Der Börsengang führe nicht zu einem Konzernsachverhalt und bewirke daher keine Mediatisierung[129]. Die praktische Bedeutung dieses Meinungsstreits ist deshalb gering, weil regelmäßig (auch) ein Beschluss der Hauptversammlung zur Erhöhung des Grundkapitals erforderlich ist (Barkapitalerhöhung oder Schaffung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss für die Altaktionäre), da die zu platzierenden Aktien durch eine Kapitalerhöhung erst noch geschaffen werden müssen[130].
2. Zulassung von Wertpapieren
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Sollen Wertpapiere im regulierten Markt gehandelt werden, bedürfen sie in der Regel[131] der Zulassung oder Einbeziehung durch die Börsengeschäftsführung (§ 32 Abs. 1 BörsG). Was unter Wertpapieren iS des BörsG zu verstehen ist, ist im BörsG nicht geregelt. Diesbezüglich wird der im Schrifttum vertretene weite Wertpapierbegriff, nach dem Wertpapiere Urkunden sind, die private Rechte dergestalt verbriefen, dass diese Rechte ohne Urkunde nicht geltend gemacht werden können[132], als gleichzeitig zu eng und zu weit angesehen. Was ein Wertpapier iS des BörsG ist, ist daher aus den in § 2 Abs. 1 WpHG und § 2 Nr. 1 WpPG iVm Art. 2 lit. a ProspektVO enthaltenen Definitionen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Börsenhandels sowie des Zwecks der jeweiligen Regelung des BörsG zu schließen. Entscheidend ist hiernach die Vertretbarkeit oder Fungibilität[133]. Damit fallen unter den börsenrechtlichen Wertpapierbegriff alle handelbaren Wertpapiere wie Aktien, Aktien vertretende Zertifikate bzw Hinterlegungsscheine, Genuss- oder Optionsscheine, Anleihen von Industrieunternehmen bzw Körperschaften und Investmentzertifikate[134].
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Bei der Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel im regulierten Markt ist zwischen der erstmaligen Zulassung (IPO, Initial Public Offering) und einer späteren Zulassung auf der Basis einer Kapitalerhöhung zu unterscheiden. Die Zulassung erfolgt auf Antrag des Emittenten (§ 48 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV iVm § 23 Abs. 1 VwVfG)[135] und eines der in § 32 Abs. 2 Satz 1 BörsG genannten Institute (Emissionsbegleiter[136]). Der Emissionsbegleiter hat ein ordnungsgemäßes Zulassungsverfahren zu gewährleisten.
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§ 32 Abs. 3 Nr. 1–2 BörsG enthält die materiellen Zulassungsvoraussetzungen. Es müssen die Anforderungen des Art. 35 EU-DurchfVO 1287/2006 (Regelung bzgl übertragbarer Wertpapiere) und die auf § 34 BörsG beruhenden Vorgaben der BörsZulV erfüllt sein. Zudem ist grds ein nach Art. 20 ProspektVO gebilligter, veröffentlichter Prospekt beizufügen. Ausreichend ist auch ein Prospekt nach §§ 165, 318 Abs. 3 KAGB. Auf eine Prospektbeifügung kann verzichtet werden, wenn eine Prospektveröffentlichung aufgrund von Ausnahmevorschriften der ProspektVO/des WpPG nicht erforderlich ist. Die Geschäftsführung der Börse hat das formale Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen[137]. Eine materielle Prüfung erfolgt grds nicht. Erfolgte die Zulassung des Wertpapiers zum Börsenhandel aufgrund eines unrichtigen oder unvollständigen Börsenprospekts, besteht gegenüber dem geschädigten Anleger eine Haftung nach §§ 9 ff WpPG[138].
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Sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 BörsG gegeben, hat der Emittent einen Rechtsanspruch auf Zulassung (begünstigender Verwaltungsakt)[139]. Diese kann nach § 32 Abs. 4 BörsG nur versagt werden, wenn der Emittent seine Pflichten an einem anderen organisierten Markt nicht erfüllt. Mit der Zulassung können die Wertpapiere auf allen Handelsplattformen (Parketthandel[140], elektronische Handelssysteme[141]) der jeweiligen Börse gehandelt werden.
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Die Zulassung ist Voraussetzung für die Börseneinführung (§ 38 Abs. 1 BörsG)[142], dh die Aufnahme der Notierung der Wertpapiere. Hiervon zu unterscheiden ist die Emission (Ausgabe, Begebung), womit das gesamte In-den-Verkehr-Bringen, dh die erste Ausgabe und Platzierung der Wertpapiere durch den Emittenten gemeint ist[143].
3. Platzierung der Aktien
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Unterschieden wird innerhalb des Primärmarkts zwischen Selbst- und Fremdemission. Bei der Selbstemission wendet sich der Emittent direkt an die anlagesuchenden Kapitalgeber (Direktplatzierung). Das geschieht in der Praxis nur ausnahmsweise, da der Emittent die Fremdmittel regelmäßig zu einem festen Zeitpunkt benötigt[144]. Dagegen emittieren etwa Hypothekenbanken ihre Schuldverschreibungen (Pfandbriefe, Kommunalobligationen) zumeist selbst.
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In der Regel erfolgt eine Fremdemission. Dabei bedient sich der Emittent einer Bank oder eines in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft organisierten Bankenkonsortiums. Die Bank respektive das Konsortium übernimmt die komplette Emission zu einem Festpreis (Übernahmekurs). Diese wird dann dem Anlegerpublikum zu einem darüber liegenden Preis (Emissionskurs) angeboten. Damit erhält der Emittent das Kapital für seine Emission in einer Summe. Vorteilhaft ist zudem, dass er vom Vertriebsnetz der Banken und deren Emissionserfahrung insbesondere bzgl des richtigen Zeitpunkts der Begebung und der Ermittlung des günstigsten Emissionspreises (Pricing) profitieren kann[145].
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Nach § 32 Abs. 2 BörsG ist eine Fremdemission zwingend, wenn die Papiere am regulierten Markt notiert werden sollen. Mit der Emissionsbank[146] oder dem Emissionskonsortium wird ein Mandatsvertrag (Letter of Engagement)[147] und regelmäßig auch ein Übernahmevertrag (Underwriting Agreement) geschlossen[148]. Zumeist verpflichtet sich der Konsortialführer zur Übernahme der zu platzierenden Aktien, verbunden mit einer zeitnahen Zahlung des Gegenwerts. Die Emissionsbank lässt vom Emittenten auch bestätigen, dass keine für die Platzierung der Aktien wesentlichen Umstände, etwa eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts, vorliegen (Disclosure Opinion).
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Zu unterscheiden ist zwischen einer Privatplatzierung (private placement), bei der die Aktien nur einem ausgewählten Investorenkreis angeboten werden[149], und einer Platzierung über ein öffentliches Angebot (Public Offering), bei der die Aktien einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden. Bei Letzterem werden die potenziellen Aktionäre von der Emissionsbank öffentlich aufgefordert, Angebote zum Abschluss eines Kaufvertrags iS des § 145 BGB zu einem vorgegebenen Preis oder innerhalb einer vorgegebenen Preisspanne abzugeben (invitatio ad offerendum)[150], was sodann durch Zeichnung der Aktien geschieht. Die Annahme des Angebots erfolgt mittels Zuteilung der Aktien durch die Emissionsbank. Bei Überzeichnung wird eine teilweise Zuteilung vorgenommen. Ist die Nachfrage unbefriedigend, kann es erforderlich sein, die geplante Aktienemission zu verschieben[151].
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Besondere Bedeutung für den Erfolg des Börsengangs kommt bei der Platzierung der Aktien der Ermittlung des Emissionspreises zu[152]. Die Preisfindung kann im Festpreisverfahren oder im Auktions- bzw Tenderverfahren erfolgen. Üblich ist eine Festlegung des Emissionspreises nach dem sog. Bookbuilding-Verfahren[153]. Hierbei werden die Investoren in den Preisfindungsprozess eingebunden, indem sie eine Preisschätzung abgeben können. Anschließend veröffentlicht der Emittent das sog. Verkaufsangebot. Die Anleger werden