BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
Verfügungen von Todes wegen
§ 13 Die Unwirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen
§ 14 Der Ausschluss von der Erbfolge
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 7 Die Errichtung des Testaments und die Testamentsformen
§ 7 Die Errichtung des Testaments und die Testamentsformen
Inhaltsverzeichnis
I. Die Errichtung des Testaments
II. Die Testamentsformen
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Fall 8:
Renate Rosenberger ist bereits seit Jahren als Schlagersängerin unter dem Künstlernamen „Rosarot“ erfolgreich. Im Januar 2018 macht sie zum ersten Mal eine Transatlantikkreuzfahrt. Bereits am ersten Tag wird sie so stark seekrank, dass sie schon „ihr Ende nahen“ sieht und deshalb ein Testament errichten will. Da sie in ihrer Kabine nichts anderes findet, schreibt sie mit einem rosafarbenen Glitterstift, mit dem sie sonst ihre Autogramme unterschreibt, auf die Rückseite eines Flyers mit dem Menü für das Abendessen: „Hiermit vererbe ich all mein Vermögen meiner Tochter Rosa“. Anschließend packt sie den Flyer in einen rosafarbenen Briefumschlag, in dem ein Fan ihr einen Liebesbrief geschickt hatte, streicht die Adressdaten durch, klebt den Umschlag zu und schreibt darauf „Testament“ und unterzeichnet darunter mit „Rosarot“. Zwei Tage später geht es ihr zwar glücklicherweise wieder so gut, dass sie an Deck gehen kann. Allerdings fällt sie unglücklicherweise über Bord und verstirbt. In ihrer Kabine wird der rosafarbene Umschlag gefunden. Handelt es sich dabei um ein formgültiges Testament? Lösung: → Rn. 183
Fall 9:
Elton (E) hat am Tag vor seinem Tod im Krankenhaus vor dem Bürgermeister in Gegenwart zweier Zeugen ein Nottestament errichtet. Über die Errichtung liegt eine Niederschrift vor, die während des Errichtungsaktes vom Bürgermeister auf Band gesprochen, nach dem Tod des E schriftlich niedergelegt und vom Bürgermeister und den zwei Zeugen unterschrieben wurde. Ausweislich der Niederschrift, die den Errichtungsakt zutreffend wiedergibt, hat ein im Krankenhaus tätiger Arzt dem Bürgermeister bestätigt, dass mit dem baldigen Ableben des E zu rechnen sei und die Beiziehung eines Notars die Gefahr in sich berge, dass das Testament nicht mehr errichtet werden könne. Daraufhin leitete der Bürgermeister die für die Errichtung notwendigen Förmlichkeiten in die Wege. E hat zunächst mündlich seinen letzten Willen erklärt und dem Bürgermeister sodann ein als Testament bezeichnetes, maschinengeschriebenes offenes Schriftstück übergeben, in dem dieser Wille festgehalten ist. Dieses Schriftstück ist dem E vorgelesen und von ihm unterzeichnet worden. Danach hat es der Bürgermeister mit Orts- und Datumsangabe versehen und er und die beiden Zeugen haben unterzeichnet. Ist das Testament formgültig? Lösung: → Rn. 184
Literatur:
Belling, Einführung in das Recht der gewillkürten Erbfolge, JURA 1986, 625; Brox, Zweckmäßige Gestaltung der Erbfolge im Unternehmen, JA 1980, 561; Burkart, Das eigenhändige Testament nach § 2247 BGB – Seine Problematik und seine Zukunft, FS von Lübtow, 1991, 253; Grundmann, Zu Formfreiheit und Formzwang bei privatschriftlichen Testamenten, AcP 87 (1987) 429; Hülsmann/Baldamus, Ärztliche Schweigepflicht vs. Informationsinteresse der Erben, ZEV 1999, 91; Imgrund/Reese, Grundfälle zur gewillkürten Erbfolge, JURA 2006, 565; Langenfeld, Einführung in die Vertragsgestaltung, JuS 1998, 521; Mayer, Sachgerechte Testamentsgestaltung, JA 1995, 789; Otte, Stellvertretungsverbot und Bestimmung des Testamentsinhalts durch Dritte - §§ 2064, 2065 BGB und deren Ausnahmen, Hereditare 4 (2014) 23; Rossak, Folgen des verfassungswidrigen Ausschlusses Mehrfachbehinderter von jeglicher Testiermöglichkeit für die notarielle Praxis, ZEV 1999, 254; Röthel, Testamentsformen, JURA 2014, 475; Röthel, Testierfähigkeit und Testiermacht, AcP 210 (2010) 32; Schmidt/Schmidt, Die Nottestamente – Bürgermeister-Testament und Drei-Zeugen-Testament, JuS 1996, 598; Schreiber, Die Testierfähigkeit und ihre Schranken, JURA 2011, 19; Schreiber, Verfügungen von Todes wegen, JURA 1996, 360 und 409; Strothmann, Privatautonome Gestaltungsfreiheit im Recht der Verfügungen von Todes wegen, JURA 1982, 349; Wagner, Erbeinsetzung unter einer Potestativbedingung und § 2065 BGB, ZEV 1998, 255.
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 7 Die Errichtung des Testaments und die Testamentsformen › I. Die Errichtung des Testaments
1. Der Grundsatz der Testierfreiheit
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Die Testierfreiheit ist das Recht einer natürlichen Person, grundsätzlich durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen zu können, an welche Person(en) mit dem Erbfall ihr Vermögen fallen soll.
Die Testierfreiheit ist nach der übereinstimmenden Rechtsprechung von BVerfG[1] und BGH[2] Bestandteil der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Die Verfassung garantiert jedoch keine grenzenlose (Testier-)Freiheit. Bereits das Grundgesetz zieht der Testierfreiheit nach h.M.[3] durch die Gewährleistung des Familienerbrechts (Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG) Schranken. Der konkrete Inhalt und die Schranken der Testierfreiheit werden durch die Gesetze bestimmt, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.
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Der Grundsatz der Testierfreiheit wird im BGB zwar nicht ausdrücklich genannt, aber in §§ 1937 ff. vorausgesetzt. Die Testierfreiheit ermöglicht dem Erblasser, die generelle Regelung des gesetzlichen Erbrechts an die Besonderheiten des einzelnen Falles anzupassen. Die Grenzen der Testierfreiheit ergeben sich zum einen aus den allgemeinen Regelungen der §§ 134, 138 (→ Rn. 459 ff.), zum anderen aus den erbrechtlichen Regelungen des Pflichtteilsrechts[4] (→ Rn. 615 ff.). Darüber hinaus schränkt Art. 22 EuErbVO die Rechtswahl im Erbrecht ein (→ Rn. 1481 ff.).
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Der Schutz der Testierfreiheit wird im BGB durch ein Spektrum verschiedener Regelungen gewährleistet. Erstens ist die Testierfreiheit als unverzichtbares Recht ausgestaltet; entgegenstehende vertragliche Verpflichtungen sind gem. § 2302 nichtig. Daher kann auch nicht auf das Recht zur Aufhebung (§§ 2290 ff.) oder zum Rücktritt (§§ 2294 f.) vom Erbvertrag verzichtet werden (→ Rn. 295 ff.). Zweitens wird die Testierfreiheit durch den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung (§§ 2064 f.) geschützt (→ Rn. 146 ff.). Drittens wird gewährleistet, dass der Erblasser sich ggf. wieder umentscheiden kann: einseitige Verfügungen von Todes wegen sind jederzeit frei widerruflich (§ 2253, → Rn. 185 ff.); bindende vertragliche Verfügungen können in bestimmten Fällen angefochten werden (§ 2281, → Rn.