BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
1. Formzwang
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Die Errichtung von Testamenten ist nur in den gesetzlich festgelegten Formen möglich (Formzwang). Die Vorschriften über die Formen, in denen Verfügungen von Todes wegen getroffen werden können, verfolgen verschiedene Zwecke: Sie dienen vor allem dazu, den wirklichen Willen des Erblassers zur Geltung kommen zu lassen, möglichst die Selbstständigkeit dieses Willens zu verbürgen und die Echtheit seiner Erklärung sicherzustellen; zudem sollen sie dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen zu vermeiden.[54] Der Formzwang hat somit eine Beweis- und eine Warnfunktion. Fehlt dem Testament die notwendige Form, so ist es nach § 125 S. 1 nichtig.[55]
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Die Wirksamkeit eines Testaments bleibt aber bestehen, wenn es ohne den Willen des Erblassers vernichtet worden[56], verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist.[57] Es muss jedoch der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts erbracht werden; daran sind strenge Anforderungen zu stellen.[58] Mögliche Beweismittel sind insb. (nicht formgerechte) Durchschriften, Ablichtungen oder Fotokopien des verloren gegangenen Testaments;[59] es können aber auch bloße Zeugenaussagen ausreichen[60]. Allerdings kann es ggf. zu einer Umkehr der Beweislast kommen, wenn jemand ein Testament vernichtet oder unterdrückt hat, um die Aufklärung über dessen Inhalt zu erschweren oder unmöglich zu machen.[61] Ist das Vorhandensein eines formgültigen aber unauffindbaren Testaments bewiesen, dann ist die Rechtslage keine andere als wenn das Testament in Urschrift vorgelegt worden wäre.[62]
Es besteht auch keine Vermutung dafür, dass ein nicht aufgefundenes Originaltestament durch den Erblasser vernichtet worden ist.[63] Wer sich auf den Widerruf durch Vernichtung des Testaments (§ 2255, → Rn. 194 ff.) beruft, muss den Widerruf bzw. die als Widerruf zu wertenden Handlungen des Erblassers nach den allgemeinen Regeln beweisen; hier sind die Anforderungen aber weniger streng.[64]
2. Ordentliche und außerordentliche Testamentsformen
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Das Gesetz unterscheidet zwischen ordentlichen Testamentsformen, deren sich der Erblasser in jedem Fall bedienen kann, und außerordentlichen Testamentsformen, die ihm nur in besonderen Situationen zur Verfügung stehen. Ordentliche Testamentsformen sind gem. § 2231 das Testament zur Niederschrift eines Notars (sog. öffentliches Testament) und das eigenhändige Testament (auch privatschriftliches Testament genannt). Die ordentlichen Testamentsformen sind gleichwertig, d.h. ein öffentliches Testament kann durch ein späteres privatschriftliches Testament widerrufen werden (→ Rn. 189).
a) Das privatschriftliche Testament, § 2247
aa) Vor- und Nachteile
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Das eigenhändige Testament ist für den Erblasser relativ einfach und kostengünstig: Er kann es schnell und an nahezu jedem Ort errichten. Die Hilfe anderer Personen (insb. eines Notars) wird nicht benötigt. Außerdem entstehen dem Erblasser keine Kosten, da auch eine amtliche Verwahrung nicht vorgeschrieben ist (vgl. § 2248). Andererseits steigen die Risiken der Fälschung, unbefugten Vernichtung oder der Unauffindbarkeit im Todesfall. Der Verzicht auf eine rechtskundige Beratung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass Unklarheiten über den Inhalt der letztwilligen Verfügung entstehen.
Wer ein Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitz hat, ist nach § 2259 Abs. 1 verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern. Im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht sind alle Nachlassbeteiligten nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 2259 Abs. 1 zum Schadensersatz berechtigt.[65]
bb) Eigenhändige Niederschrift
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Nach § 2247 Abs. 1 ist das Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung zu errichten. Es genügt also gerade nicht die einfache Schriftform i.S.d. § 126 Abs. 1, sondern das Testament muss insgesamt eigenhändig geschrieben sein. Dadurch soll die Nachprüfung der Echtheit des Testaments anhand der individuellen Schriftzüge ermöglicht werden.[66] Eine mittels einer Maschine (Schreibmaschine, Computer, etc.) hergestellte Niederschrift genügt daher gerade nicht.[67] Sind einzelne Passagen mechanisch geschrieben, so sind diese Teile gem. § 125 S. 1 formnichtig; die übrigen Verfügungen bleiben jedoch gem. § 2085 (→ Rn. 477) wirksam, es sei denn, dass der Erblasser diese ohne die unwirksamen Teile nicht getroffen haben würde.[68] An einer eigenhändigen Niederschrift fehlt es ferner auch, wenn der Erblasser lediglich ein Pfeildiagramm zeichnet.[69] Die Bezugnahme auf Schriftstücke, die der Testamentsform nicht genügen (sog. testamentum mysticum) ist grundsätzlich nicht zulässig[70]; etwas anderes gilt nur, soweit die Bezugnahme lediglich der Erläuterung dient[71]. Eine Unterstützung durch Dritte beim Schreiben ist zulässig, solange der Erblasser das Testament errichten wollte und der Schreibvorgang von seinem Willen abhängig blieb.[72] Das eigenhändige Testament muss nicht „in einem Stück“ errichtet werden; zwischen der Niederschrift einzelner Teile kann ein längerer Zeitraum liegen.[73] Zudem kann sich der Erblasser jeder beliebigen Sprache (inkl. sog. „toter“ Sprachen wie Latein oder Altgriechisch) bedienen.[74] Irrelevant ist auch das Schreibmaterial[75]; als wirksam angesehen wurden z.B. Testament auf Schiefertafel mit Schieferstift[76], mittels einer Blaupause[77], auf einem Briefumschlag[78] oder auf einem Grundbuchauszug[79].
cc) Unterschrift
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Die gem. § 2247 Abs. 1 ebenfalls zwingend erforderliche eigenhändige Unterschrift hat – wie sich aus § 2247 Abs. 3 S. 2 ergibt – drei Funktionen: Erstens soll sie eine einwandfreie Feststellung der Urheberschaft ermöglichen (Identitätsfunktion).[80] Zweitens soll sie die Ernstlichkeit der Erklärung gewährleisten.[81] Drittens hat die Unterschrift Abschlussfunktion:[82] Sie zeigt daher außerdem an, dass es sich um eine vollständige letztwillige Verfügung handelt und soll vor Verfälschungen durch Nachträge schützen.
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Gem. § 2247 Abs. 3 S. 1 „soll“ der Erblasser mit Vor- und Zunamen unterschreiben. Gem. § 2247 Abs. 3 S. 2 kann er aber auch in anderer Weise unterschreiben, wenn dies zur Feststellung seiner Urheberschaft und der Ernstlichkeit seiner Erklärung ausreichend ist. Dementsprechend genügt unstreitig auch eine Unterzeichnung mit einem Künstlernamen, Pseudonym, Spitz- oder Kosenamen[83]; ebenso genügt auch eine Unterzeichnung durch Angabe des Verwandtschaftsverhältnisses (z.B. „Eure Mutter“[84])[85]. Umstritten ist, ob auch eine Unterzeichnung mit den Initialen genügt. Dies wird teilweise abgelehnt, weil die Person dadurch nicht hinreichend erkennbar würde.[86] Mit Blick auf das Ziel, dem wirklichen Erblasserwillen zur Geltung zu verhelfen, ist es jedoch überzeugender, die Verwendung von Initialen zumindest dann genügen zu lassen, wenn der Erblasser schon vorher regelmäßig so unterzeichnet hat und sich die Urheberschaft eindeutig klären lässt.[87]
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