Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов
auf die Überbürdung staatlicher Aufgaben (Art. 120 Abs. 1 S. 1 SaarlLV, Art. 91 Abs. 3 ThürLV); überwiegend wird aber entweder allgemein auf (öffentliche) „Aufgaben“ rekurriert oder die Begründung pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben eingeschlossen. Geschützt sind die Gemeinden – je nach Reichweite der einschlägigen Konnexitätsklausel – vor einer landesrechtlichen Aufgabenzuweisung ohne korrespondierende Kostenregelung. Erfasst wird auch der Fall, wenn der Bundesgesetzgeber seine bisherige Aufgabenbestimmung aufhebt und der Landesgesetzgeber sie fortschreibt, ohne in der Sache etwas zu ändern[191].
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Obwohl die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in den meisten Landesverfassungen eine textlich und inhaltlich umfangreichere Normierung erfahren hat als im Grundgesetz, ist durch die tiefschürfende dogmatische Aufarbeitung der grundgesetzlichen Gewährleistung in Rechtsprechung und Lehre der Spielraum für landesverfassungsrechtliche Ausformungen einigermaßen klein[192]. Letzteres darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Garantien der Landesverfassungen und des Grundgesetzes nebeneinander bestehen: Das Bundesrecht ist nur an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden, während das Landesrecht sich nach beiden Garantien zu richten hat[193]. Darüber hinaus gewährleistet der Bund gemäß Art. 28 Abs. 3 GG, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern mit Art. 28 Abs. 2 GG in Einklang steht. Das bedeutet, dass die grundgesetzliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung einen zwingenden Mindeststandard normiert und darüber hinaus als unmittelbar geltendes Verfassungsrecht alle Staatsgewalten in Bund und Ländern bindet[194].
IV. Kommunale Selbstverwaltung und Unionsrecht
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Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schützt die Gemeinden nicht gegenüber Rechtsakten der Europäischen Union, da das Unionsrecht Anwendungsvorrang vor jeglichem nationalen Recht, auch gegenüber Verfassungsrecht, genießt[195]. Die kommunale Selbstverwaltung ist ferner europafest nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG, wonach für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen Art. 79 Abs. 2, 3 GG gilt, „durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird“. Von der Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG wird Art. 28 GG jedoch nicht umfasst, was dazu führt, dass die kommunale Selbstverwaltung der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nicht entgegensteht[196].
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Bis zum Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die Anerkennung und Rolle der Kommunen in der Europäischen Union als enttäuschend bewertet[197]. Angesichts der spärlichen Bezüge des Primärrechts zu den Kommunen[198] ließ sich sagen, dass die Europäische Union „kommunalblind“ sei. Diese Einschätzung hat sich nunmehr geändert, da der Reformvertrag als „Meilenstein“ für die Entwicklung kommunaler Rechte gegenüber der Union angesehen wird[199]. Die Stärkung der Stellung der Kommunen bezieht sich auf mehrere Aspekte, zunächst auf die ausdrückliche Anerkennung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts im Primärrecht und die Verpflichtung der Union, diese zu respektieren: Gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV achtet die Union die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen „einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt“. Das Subsidiaritätsprinzip wird in Art. 5 Abs. 3 EUV auf die regionale und kommunale Ebene erstreckt, wonach die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern die in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf „regionaler oder lokaler Ebene“ ausreichend verwirklicht werden können. In Art. 5 Abs. 3 EUV heißt es ferner, dass die Organe der Union das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit anwenden. Nach diesem Protokoll, das nach Art. 51 EUV Bestandteil der Verträge ist, hat die Kommission umfangreiche Anhörungen durchzuführen, bevor sie einen Gesetzgebungsakt vorschlägt, und dabei ggf. der „regionalen und lokalen Bedeutung“ der in Betracht gezogenen Maßnahmen Rechnung zu tragen (Art. 2 S. 1, 2 EU-Subsidiaritätsprotokoll). Die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes durch die Union kann der Ausschuss der Regionen, der sich aus Vertretern der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften zusammensetzt,[200] vor dem Gerichtshof der Europäischen Union geltend machen (Art. 8 Abs. 2 EU-Subsidiaritätsprotokoll). Dieses Klagerecht für den Ausschuss der Regionen musste im EU-Konvent erkämpft werden[201]. Schließlich sieht Art. 11 Abs. 2 EUV vor, dass die Organe der Union einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft pflegen.
V. System kommunaler Aufgaben und Kommunalaufsicht
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Die kommunale Verwaltung steht als dezentrale, mittelbare Landesverwaltung unter der Aufsicht des Staates, genauer: der unmittelbaren Landesverwaltung, wobei sich das Aufsichtssystem als aufgabenorientiert darstellt. Das bedeutet, dass sich die Staatsaufsicht je nach Aufgabe als eine auf die Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkte Kommunalaufsicht oder als eine neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit umfassende Fachaufsicht darstellt.
1. Aufgaben der Gemeinden
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Der Aufgabenkreis der Gemeinden ist vielgestaltig; die Gemeinden nehmen neben den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Gegenstände aus vielen weiteren Tätigkeitsfeldern wahr, die der staatlichen Gesamtheit zuzurechnen sind. Die Gliederung der Aufgaben in kommunale und staatliche bereitet aber insofern Schwierigkeiten, als dass die für das Kommunalrecht zuständigen Landesgesetzgeber unterschiedliche Aussagen über die Zuordnung von Aufgaben zu einer der beiden Aufgabenkategorien getroffen haben[202]. Die Bundesländer lassen sich dabei von zwei unterschiedlichen Modellen leiten: dem dualistischen Aufgabenmodell und dem monistischen Aufgabenmodell.
a) Aufgabendualismus
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Die Grundlage hierfür bildet ein traditionelles Verständnis des Verhältnisses von Staat und Gemeinde sowie ihrer jeweiligen Aufgaben dergestalt, dass der Staat alle die Gesamtheit betreffenden Aufgaben wahrnimmt, während die Gemeinde die in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Aufgaben erledigt[203]. Seit dem 19. Jahrhundert erfüllen die Gemeinden zudem Aufgaben, die über den örtlichen Bereich hinausgehen, womit der Aufgabendualismus auf der Ortsstufe angelegt ist. Diese Entwicklung ist vor allem auf Zweckmäßigkeitsgründe zurückzuführen, da auf diesem Wege staatliche Behörden auf der Ortsebene eingespart werden können[204]. Das dualistische Aufgabenmodell lag auch der Deutschen Gemeindeordnung aus dem Jahre 1935 zugrunde, da den Gemeinden nach § 2 Abs. 3 DGO durch Gesetz staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden konnten. Der Aufgabenbereich der Gemeinden umfasst nach dem dualistischen Aufgabenmodell kommunale Selbstverwaltungsangelegenheiten und staatliche Auftragsangelegenheiten. Die Bundesländer Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben dieses Aufgabenmodell beibehalten[205].
aa) Selbstverwaltungsangelegenheiten
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Bei den Selbstverwaltungsangelegenheiten wird zwischen freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten unterschieden, die beide zusammen den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden bilden[206]. Letzterenfalls ist das Ob der Aufgabenwahrnehmung gesetzlich vorgegeben; die Eigenverantwortlichkeit ist insoweit auf das Wie beschränkt. In diesem Rahmen existieren für die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis keine besonderen staatlichen Rechtsvorschriften oder Weisungen, die ihnen inhaltliche Vorgaben für die Aufgabenerfüllung machen. Folgerichtig können die Gemeinden gegenüber dem Staat die Gewährleistungen der verfassungskräftigen Selbstverwaltungsgarantie gegen jeden Eingriff aktivieren. Selbstverwaltungszuständigkeiten sind Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO[207].
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