Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов
wird. Eine entsprechende Entscheidung per Bürgerentscheid hat folglich die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses[542]. Bürgerbegehren und -entscheid treten damit als direkt-demokratische Instrumente in Konkurrenz zu den „normalen“ repräsentativen Entscheidungsprozessen[543]. Das hierüber den Bürgern eröffnete Gestaltungspotential fördert Identifikations- und Zufriedenheitseffekte mit der Verwaltung, schwächt aber die Wirkmächtigkeit der gewählten Volksvertreter. Es dient der Durchsetzung singulärer individueller Interessen eines Teils der Ortsbevölkerung und unterliegt nicht dem in der Volksvertretung obwaltenden Ausgleich von Interessen über die Zeit und das Gemeindegebiet. Bei der Normierung plebiszitärer Elemente kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Problematisch sind faktische Doppelzuständigkeiten[544].
175
An ein Bürgerbegehren werden bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Es muss zunächst eine bürgerbegehrensfähige Selbstverwaltungsangelegenheit vorliegen, die entweder positiv bestimmt oder anhand eines Negativkatalogs abgrenzt wird. Des Weiteren findet ein Bürgerbegehren nur statt, wenn der Antrag von einer bestimmten Bürgeranzahl unterschrieben wurde (Quorum), was meist von der Gemeindegröße abhängt und je nachdem bei ca. 3–10 % der Bürger liegt (in Sachsen 15 %[545]). Ferner muss das Bürgerbegehren schriftlich eingereicht werden mit einer genau formulierten Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag; schließlich sind bestimmte Fristanforderungen zu beachten. Nicht bürgerbegehrensfähig sind solche Angelegenheiten, die bereits innerhalb der letzten 1–3 Jahre Gegenstand eines Bürgerentscheids waren. Darüber hinaus muss unterschieden werden zwischen initiierenden Bürgerbegehren und kassierenden, d.h. gegen einen ergangenen Ratsbeschluss gerichtete Bürgerbegehren, wobei erstere nicht fristgebunden sind[546].
176
Bevor als Rechtsfolge des Bürgerbegehrens der Bürgerentscheid stattfindet, sehen die Kommunalordnungen die Feststellung der Zulässigkeit vor, für die entweder der Gemeinderat[547] oder die Kommunalaufsicht zuständig ist[548]. Gegen die Ablehnung des Bürgerentscheids kann mit den Mitteln des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes vorgegangen werden[549]. Besonders umkämpft ist die Phase vor dem (erfolgreichen) Bürgerentscheid, in der von Seiten des Gemeinderats, aber auch des Bürgermeisters als Hauptverwaltungsorgan versucht werden kann, dergestalt vollendete Tatsachen zu schaffen, dass der Bürgerentscheid obsolet wird. Manche Gemeindeordnungen sehen deshalb eine Sperrwirkung des zulässigen Bürgerbegehrens vor[550].
177
Auch im Zusammenhang mit dem Bürgerbegehren stellt sich das Problem der Teilnahme von Unionsbürgern. Diesbezüglich gibt es keine Vorgaben der schon erwähnten Richtlinie 90/80/EG und es lässt sich auch keine diesbezügliche Aussage aus Art. 22 AEUV entnehmen, so dass auf bundesverfassungsrechtliche Maßstäbe zurückgegriffen werden muss. Nach Art. 20 Abs. 2 GG geht die Staatsgewalt vom Volk aus und wird durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Berücksichtigt man diese Differenzierung zwischen Wahlen und Abstimmungen, so kann man unter den Begriff der Wahlen in Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG nicht ohne Weiteres Abstimmungen fassen. Dieses Ergebnis lässt sich mit dem Zusammenhang zwischen Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG erhärten. Dies hat zur Folge, dass Unionsbürger zwar ein Wahlrecht auf kommunaler Ebene haben; der Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG allein aber keine Auslegung erlaubt, die ein Abstimmungsrecht für Unionsbürger ergibt. Unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit erscheint jedoch eine Erweiterung auf entsprechende plebiszitäre Verfahren, die grundsätzlich dieselben Fragen betreffen, die auch von den unter Beteiligung der EU-Ausländer gewählten Vertretungen entschieden werden, als grundsätzlich zulässig[551].
d) Konsultative Bürgerbefragungen
178
Derartige Befragungen sind auf die Anhörung von Bevölkerungsteilen gerichtet, die von anstehenden Entscheidungen betroffen sein können[552]. Konsultative Bürgerbefragungen sind in Niedersachsen ausdrücklich vorgesehen[553], in den anderen Bundesländern hingegen lediglich angedeutet als Anhörungen oder Fragestunden[554]. Konsultative Bürgerbefragungen können nur hinsichtlich solcher gemeindlichen Angelegenheiten stattfinden, für welche der Gemeinderat auch entscheidungszuständig ist[555]. Der Unterschied zum Bürgerentscheid besteht darin, dass die Ergebnisse der Befragungen rechtlich unverbindlich für den Gemeinderat sind. Jedoch ist nicht jede Befragung zulässig, da die Entscheidungsverantwortung des Gemeinderats nicht unkontrollierten plebiszitären Gefahren in Gestalt unzähliger Befragungen ausgesetzt sein soll[556].
e) Ehrenamtliche Tätigkeiten
179
Schließlich haben die Bürger und Einwohner das Recht, aber vor allem auch die Pflicht, ehrenamtlich an der gemeindlichen Verwaltung während einer bestimmten Dauer mitzuwirken. Ehrenamtliche Tätigkeit bedeutet die vorübergehende unentgeltliche Mitwirkung von Bürgern in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis sui generis bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Gemeinde[557]. Ziel ist die Entbürokratisierung und Entlastung staatlicher bzw. kommunaler Mandats- und Funktionsträger durch stärkere unmittelbar-bürgerschaftliche Teilhabe[558]. In der Regel knüpft die ehrenamtliche Tätigkeit an die Bürgereigenschaft an, teils ist die Möglichkeit der ehrenamtlichen Mitwirkung an der gemeindlichen Verwaltung aber auch den Einwohnern zugänglich[559].
180
Die ehrenamtliche Tätigkeit kann nur aus besonderem Grund (Unzumutbarkeit der Übernahme der Aufgabe für den Bürger, langandauernde Abwesenheit oder Krankheit, zu hohes Alter (> 60 J.) oder familiäre Gründe[560]) abgelehnt werden. Die ehrenamtlich Tätigen unterliegen einer besonderen Treue- und Verschwiegenheitspflicht, so dass es ihnen untersagt ist, bei Befangenheit oder etwaigen Interessenkollisionen tätig zu werden[561]. Die Bestellung zur ehrenamtlichen Tätigkeit als Gemeinderat erfolgt durch Volkswahl und im Übrigen durch den Gemeinderat selbst per Verwaltungsakt, wobei diesem bei der Auswahl der Bürger ein Ermessensspielraum zusteht und vor allem der Vertrauensgrad eine wichtige Rolle spielt. Nur ausnahmsweise wird ein ehrenamtlich Tätiger zum Ehrenbeamten ernannt; dort wird dann die Bestellung durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde abgeschlossen[562]. Für die ehrenamtliche Tätigkeit erhalten die Bürger (bzw. Einwohner in den Ländern, wo dies zulässig ist) eine angemessene Aufwandsentschädigung[563]. Im Übrigen sind die ehrenamtlich Tätigen Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne[564].
f) Sonstige Mitwirkungsrechte
181
Den Einwohnern stehen noch andere Mitwirkungsrechte zu, wie etwa der Zulassungsanspruch zu öffentlichen Einrichtungen (Rn. 216 ff.). Außerdem haben sie das Recht auf Unterrichtung durch die Gemeinde über alle bedeutsamen Angelegenheiten[565] sowie das Recht auf eine Beratung seitens der Gemeindeverwaltung einschließlich der Hilfe bei Stellung von Anträgen[566] und ihnen steht ein Beschwerderecht zu[567].
4. Pflichten von Einwohnern und Bürgern
182
Eine Pflicht der Bürger und Einwohner stellt die ehrenamtliche Tätigkeit bzw. in Ausnahmefällen das Ehrenamt dar. Hierher rechnen kurzfristige Verwaltungshilfen wie die eines Wahlhelfers ebenso wie längerfristige Engagements als ehrenamtlicher Richter, Schöffe oder sachkundiger Bürger in Ausschüssen der Gemeindevertretung.
183
Außerdem sind die Einwohner zur Tragung von Lasten verpflichtet[568], davon insbesondere erfasst ist die Pflicht der Einwohner zur Errichtung von Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz. Teils wird auch noch eine Pflicht zu Hand- und Spanndiensten in den Gemeindeordnungen der Länder festgelegt[569]. Systematisch gehören diese Pflichten nicht zur politischen Mitwirkung, sondern zur verwaltungsmäßigen Lastenverteilung und bilden insoweit das Gegenstück zu kommunalen Leistungs- und Teilhaberechten, insbesondere zum Einrichtungsbetrieb[570].