Handbuch Ius Publicum Europaeum. Adam Tomkins
Punkt durch das Gesetz Nr. 128 vom 24.4.1998 geändert wurde. Erst durch die Verfassungsnovelle des Jahres 2001 hat die Regionalkompetenz zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ausdrücklich Anerkennung in der Verfassung gefunden. Art. 117 Abs. 5 Cost. sieht nun vor, dass die Regionen innerhalb der nationalen Rechtsordnung für die Anwendung und Durchführung der in ihre Zuständigkeiten fallenden Gemeinschaftsakte sorgen.[72] Nach der Verfassungsänderung des Jahres 2001 kann der Staat, der weiterhin allein für Untätigkeit gegenüber der EU verantwortlich ist, anstelle der Regionen und Gebietskörperschaften handeln, wenn diese ihrerseits untätig bleiben (siehe die neu eingefügten Art. 117 Abs. 5 und 120 Abs. 2 Cost.[73]).
(3) Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Beziehungen zur Europäischen Union
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Die Verfassungsnovelle des Jahres 2001 hat den Regionen eine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung ihrer Beziehungen zur EU eingeräumt (siehe Art. 117 Abs. 3 Cost.). Es handelt sich um eine konkurrierende Zuständigkeit. Der staatliche Gesetzgeber ist also in diesem Bereich nur befugt, wesentliche Grundsätze für die Gesetzgebung der Regionen zu erlassen. Der Staat verfügt hingegen weiterhin über die ausschließliche Kompetenz zur Regelung der Beziehungen des Staates zur EU (siehe Art. 117 Abs. 2 lit. a Cost.).
b) Grundrechte und Grundprinzipien der Verfassung
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Auf mögliche Verletzungen der Grundrechte und Grundprinzipien der italienischen Verfassung hat das Verfassungsgericht durch die schon dargestellte „controlimiti“-Lehre reagiert, die der Anlass für den Schutz der Grundrechte durch den EuGH auf der Grundlage der Doktrin der allgemeinen Rechtsgrundsätze war. Die „controlimiti“-Lehre der Corte costituzionale hat den europäischen Integrationsprozess nicht behindert, sondern hat ihn, ganz im Gegenteil, gefördert, wobei der Schutz der Grundrechte durch den EuGH jedoch durch die Festlegung einiger unantastbarer, wenn auch sehr allgemeiner, inhaltlicher Grenzen beschränkt wurde.
Erster Teil Offene Staatlichkeit › § 18 Offene Staatlichkeit: Italien › III. Verfassungsrecht und EMRK
1. Einführung: Die Menschenrechte in der italienischen Verfassung
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Die italienische Verfassung weist dem Schutz der Grundrechte bzw. der Menschenrechte eine zentrale Rolle zu. Das ergibt sich vor allem aus dem unter dem Titel „Grundprinzipien“ in der Verfassung angesiedelten Art. 2, wonach die Republik die unverletzlichen Rechte des Menschen „anerkennt“ – womit zum Ausdruck kommt, dass diese Rechte schon vorher bestanden haben und durch die Verfassung nur bestätigt werden – und „gewährleistet“[74]. Es ergibt sich außerdem aus dem umfassenden Katalog der Grundrechte in den Art. 13ff. Cost.
a) Die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag
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Wie schon erwähnt, hatten vor der Reform des Jahres 2001 völkerrechtliche Verträge in der nationalen Normenhierarchie den Rang der entsprechenden nationalen Umsetzungsnorm, d.h. allenfalls den Rang eines einfachen Gesetzes (die EMRK ist durch Gesetz Nr. 848 vom 4.8.1955 umgesetzt worden). Damit konnten sie, zumindest grundsätzlich, durch ein späteres einfaches Gesetz derogiert, geändert oder aufgehoben werden. Um dieses Risiko für den Schutz der Menschenrechte zu vermeiden, haben Lehre und Rechtsprechung außer den üblichen Techniken der völkerrechtsfreundlichen Auslegung (Auslegung im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen und Grundsatz der lex specialis) versucht, den nationalen Umsetzungsnormen dieser speziellen völkerrechtlichen Verträge höhere Bestandskraft einzuräumen als den Umsetzungsnormen anderer völkerrechtlicher Verträge. Alle vor der Reform des Jahres 2001 angestellten Versuche, Verträgen zum Schutz der Menschenrechte Verfassungsrang oder verfassungsähnlichen Rang beizulegen, sind jedoch vom Verfassungsgericht nicht übernommen worden oder in der Rechtsprechung vereinzelt geblieben. So lehnt die Corte costituzionale beständig die These ab, dass die EMRK und andere internationale Verträge zum Schutz der Menschenrechte in die „allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts“ nach Art. 10 Abs. 1 Cost. einbezogen werden können, an die sich, wie bereits dargestellt, die italienische Rechtsordnung automatisch anpasst. Denn – so die formale Begründung – völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschenrechte als solche stellten internationales Vertragsrecht dar und könnten daher in keiner Weise in den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 1 Cost. fallen.[75] Auch die Auslegung von Art. 2 Cost. als „Öffnungsklausel“, die die entsprechenden in internationalen Übereinkommen niedergelegten Menschenrechte mit Verfassungs- oder mit übergesetzlichem Rang einbeziehen kann,[76] ist von der Corte costituzionale nicht übernommen worden, auch wenn sie bisweilen zur Auslegung der Grundrechte der Verfassung auf internationale Menschenrechtsverträge zurückgreift; dabei hat sie jedoch noch nie den Verfassungsrang von in internationalen Verträgen niedergelegten Menschenrechten bestätigt.[77] Ebenso hat die Corte costituzionale die von einer Minderheit in der Lehre vertretene Auffassung nicht übernommen, die unter Rückgriff auf Art. 10 Abs. 2[78] oder Art. 11[79] Cost. den Umsetzungsnormen internationaler Menschenrechtsverträge die Bedeutung einer Bezugsnorm beilegt, so dass ihre Verletzung eine indirekte Verletzung der Verfassung darstellen würde. Das Verfassungsgericht hatte seinerseits in dem Urteil Mujanovic Nr. 10 vom 19.1.1993 festgestellt, dass die nationalen Umsetzungsnormen zu Art. 6 EMRK und Art. 14 IPbürgR von nachfolgenden einfachgesetzlichen Normen nicht aufgehoben bzw. geändert werden können, „weil es sich um Normen aus einer atypischen Quelle handelt“. Diese Feststellung findet sich aber nur in einem obiter dictum der Entscheidung und ist in der Judikatur des Verfassungsgerichts gänzlich isoliert geblieben. Der Kassationshof (Corte di Cassazione) hat dagegen die These vertreten, der Vorrang der EMRK vor kollidierendem nationalen Recht sei durch die „Vergemeinschaftung“ der EMRK gemäß Art. 6 Abs. 2 EU zu rechtfertigen, da dieser die EU verpflichte, die in der EMRK niedergelegten Menschenrechte – als allgemeine europarechtliche Prinzipien – zu beachten. Damit sei die EMRK in das Gemeinschaftsrecht inkorporiert worden. Auf der Grundlage dieser These käme der EMRK, wie dem Europarecht, Vorrang vor allen nationalen Normen zu.[80] Die h.L. lehnt diese Theorie jedoch ab.[81] Die Bindung an die EMRK könne nämlich auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 EUV nur für Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts gelten, so dass sich ein nationales Gericht bei Zweifeln an der Vereinbarkeit von Sekundärrechtsakten mit den Menschenrechten der EMRK, d.h. mit der Frage, ob Sekundärrecht die allgemeinen Prinzipien des Europarechts verletzt, im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 234 lit. b EG an den EuGH wenden kann (im Fall der letztinstanzlichen Gerichte wenden muss), um die Nichtigerklärung der europarechtlichen Norm zu erreichen.
b) Die Lage nach der Verfassungsnovelle des Jahres 2001
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Der neue Art. 117 Abs. 1 Cost. weist – nach der hier vertretenen Meinung – den Umsetzungsnormen völkerrechtlicher Verträge Maßstabscharakter für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit nationaler Normen zu. Es scheint jedoch nicht haltbar, Umsetzungsnormen bestimmter völkerrechtlicher Verträge, die die Menschenrechte schützen, wie z.B. die EMRK, auf der Grundlage von Art. 117 Abs. 1 Cost. den besonderen Status von Rechtsquellen mit besonderer Bestandskraft gegenüber späteren einfachen Gesetzen zuzuerkennen, so dass jedes Gericht über die Nichtanwendung derartiger Gesetze entscheiden kann.[82] Das wäre unvereinbar mit dem italienischen Verfassungssystem, da damit die inzidente Kontrolle der Vereinbarkeit nationaler Gesetze mit der EMRK durch die Fachgerichte verbunden wäre, was die Zuständigkeit und die Rolle des Verfassungsgerichts untergraben und die der Fachgerichte ausweiten würde, die zudem mangels eines Vorlageverfahrens vor den EGMR zur Auslegung der Bestimmungen der Konvention über eine völlig unbestimmte Kontrollbefugnis verfügen würden. Außerdem würden damit die Umsetzungsnormen der EMRK in der nationalen Normenhierarchie eine