Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
In einem anhängigen Verfahren zur Anordnung einer Kontrollbetreuung, § 1896 Abs. 3 BGB, besteht Rechtspflegerzuständigkeit. Ebenso dort, wo Landesrecht Richtervorbehalte nach § 19 RPflG aufgehoben hat. Die Anhörung in Betreuungssachen hat eine Doppelfunktion: Sie dient der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sachverhaltsaufklärung.[4]
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Nach § 278 Abs. 3 FamFG dürfen Verfahrenshandlungen im Inland ausnahmsweise durch den ersuchten Richter im Wege der Rechtshilfe erfolgen. Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist eine wichtige Erkenntnisquelle für den Richter. Insofern ist von der Möglichkeit, einen ersuchten Richter mit der Anhörung zu beauftragen, äußerst zurückhaltend Gebrauch zu machen. Lediglich offensichtlich eindeutige Fälle, die von vorneherein – so die gesetzliche Formulierung – die Annahme rechtfertigen, der Betreuungsrichter komme auch ohne einen eigenen Eindruck vom Betroffenen aus, rechtfertigen eine Abstandnahme. Die Vorschrift hat absoluten Ausnahmecharakter. Zu denken ist an äußerungsunfähige Betroffene bzw. solche, die sich bewusstlos in einer weit entfernten Einrichtung befinden. Besteht keine originäre Zuständigkeit, ist zur Sicherstellung der Anhörung an eine Abgabe des Verfahrens zu denken.
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In Verfahren betreffend die Einwilligung des Betreuers in eine Sterilisation sind Verfahrenshandlungen eines ersuchten Richters nicht zulässig, § 297 Abs. 4 FamFG. Befindet sich der Betroffene nicht nur vorübergehend im Ausland, gelten die Einschränkungen des § 278 Abs. 3 FamFG nicht. Die Verfahrenshandlung wird dann durch den ersuchten Richter im Wege der internationalen Rechtshilfe durchgeführt.
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Die Anhörung hat zeitlich vor Erlass der avisierten betreuungsrechtlichen Maßnahme zu erfolgen. Die Anhörung ist nicht öffentlich. Der zukünftige Betreuer muss bei der Anhörung nicht zugegen sein. Etwas anderes gilt nur bei einem dementsprechenden Verlangen des Betroffenen.[5] Zu Beginn der Anhörung ist der Betroffene durch das Gericht über seine Rechte zu belehren. Die diesbezügliche Aufklärung des Betroffenen umfasst folgende Punkte:
– | Das Verlangen nach einer Milieuanhörung; |
– | Widerspruch gegen die Anwesenheit weiterer Personen (§ 170 Abs. 1 S. 2 GVG); |
– | Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten (§ 10 FamFG); |
– | Hinzuziehung einer Vertrauensperson (§ 274 Abs. 4 FamFG); |
– | Rechtsmitteleinlegung (§§ 58 ff. FamFG, § 11 RPflG). |
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Die Anhörung befasst sich mit folgenden Themen:
– | Augenscheinseinnahme des Betroffenen und seiner Umgebung; |
– | kommt die Bestellung eines Verfahrenspflegers in Betracht, ist mit dem Betroffenen zu klären, ob er sich lieber durch einen eigenen Rechtsanwalt oder eine andere geeignete Person vertreten lassen will. Falls ja, unterbleibt die Bestellung eines Verfahrenspflegers, § 276 Abs. 4 FamFG; |
– | Vorschläge des Betroffenen zur Person eines Betreuers (§ 1897 Abs. 4 BGB) und mögliche Interessenkollisionen |
– | Erforderlichkeit einer Betreuung (§ 1896 Abs. 1 BGB). |
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Das Gericht kann bei seiner Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweismittel zu Grunde legen, zu denen sich der Betroffene und sein Verfahrenspfleger vorher äußern konnten. Ein bestellter Verfahrenspfleger ist zum Anhörungstermin ebenfalls zu laden.[6]
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Zur Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sind daher dem Betroffenen und seinem Verfahrenspfleger die schriftlichen Ermittlungsergebnisse (Sachverständigengutachten, eingeholte ärztliche Zeugnis, Sozialbericht usw.) in vollem Umfang vorab zur Verfügung zu stellen.[7] Eine sinngemäße zusammenfassende Darstellung der Ermittlungsergebnisse genügt regelmäßig nicht.[8]
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Das Gericht soll ferner in der Regel vor einer abschließenden Entscheidung mit dem Betroffenen das Gutachten des Sachverständigen oder das ärztliche Zeugnis, den etwaigen Umfang des Aufgabenkreises und die Frage, welche Person als Betreuer in Betracht kommt, mündlich erörtern.[9] Soll in einem Betreuungsverfahren eine Entscheidung, die die Rechte des Betroffenen beeinträchtigt, auf Ausführungen eines Sachverständigen gestützt werden, die dieser im Termin zur Anhörung in Abwesenheit des Betroffenen gemacht hat, so ist dem Betroffenen zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.[10]
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Ferner hat das Gericht, sofern dies nicht schon vorher geschehen ist, den Betroffenen über den möglichen Ablauf des Verfahrens zu unterrichten und ihn in geeigneten Fällen – d.h. wenn Geschäftsfähigkeit vorliegt – auf die Möglichkeit der Errichtung einer Vollmacht und ihrer Registrierung beim zentralen Vorsorgeregister (§§ 78 ff. BNotO, § 1 VRegV) hinzuweisen, § 278 Abs. 2 S. 2 FamFG. Diese Vorschrift fand auf Initiative des Bundesrates 1999 Eingang in das 1. BtÄndG und verfolgt das Ziel, das Instrument der Vorsorgevollmacht zu stärken. Nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz ist eine Betreuerbestellung entbehrlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB.
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Allerdings ist es seitens des Gerichtes aus haftungsrechtlichen Gründen nicht zu empfehlen, den Betroffenen eingehend über das Erstellen einer Vollmacht zu beraten. Es besteht zu Gunsten der Betroffenen die Möglichkeit, sich von Betreuungsbehörden, § 4 Abs. 2 BtBG, Betreuungsvereinen, § 1908f Abs. 4 BGB bzw. Rechtsanwälten oder Notaren diesbezüglich beraten zu lassen. Wird gleichwohl eine Auskunft erteilt, muss sie klar, vollständig und richtig sein, andernfalls im Schadensfall eine Amtshaftung in Betracht kommt.[11] Sofern der Betroffene bereits in der Vergangenheit eine Bankvollmacht oder Vorsorgevollmacht erteilte, hat das Gericht zu ermitteln, ob dies seinerzeit in einem geschäftsfähigen Zustand erfolgte.
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Beispiel
Der Nachbarin Gisela K. des vermögenden, älteren Samuel L. fällt auf, dass dieser immer vergesslicher wird. Sie bewegt ihn, zu ihren Gunsten eine Generalvollmacht auszustellen. Zeitgleich beantragt der bei Herrn L. tätige Pflegedienst bei dem zuständigen Betreuungsgericht, einen Betreuer zu bestellen.
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In einem solchen Fall wird das Gericht durch geeignete Ermittlungen zu erforschen haben, ob der Betroffene zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht geschäftsfähig war. Die Vollmacht verliert nicht durch einen späteren Eintritt der Geschäftsunfähigkeit ihre Gültigkeit, § 672 BGB. Das heißt, die spätere Geschäftsunfähigkeit lässt eine einmal wirksam erteilte Vollmacht nicht unwirksam werden, § 168 S. 1 BGB.
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Der Betroffene hat also auch noch während des laufenden Betreuungsverfahrens die Möglichkeit, eine Betreuung ganz oder teilweise durch Erteilen einer Vollmacht an einen Vertrauten zu vermeiden. Voraussetzung ist allerdings das Vorliegen von Geschäftsfähigkeit (§ 104 BGB) zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht.
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Im Verfahren zur Aufhebung einer bestehenden Betreuung (§ 1908d BGB) ist demgegenüber weder die persönliche Anhörung des Betroffenen noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens obligatorisch (§ 294