Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier

Handbuch Betreuungsrecht - Sybille M. Meier


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dass das Gericht im Weigerungsfall den Betroffenen zwangsweise vorführen lassen kann (§ 278 Abs. 5–7 FamFG). Die Vorführung wird nicht durch den Gerichtsvollzieher bewerkstelligt, sondern durch die Betreuungsbehörde, bei der man einen sachgerechten Umgang mit psychisch kranken oder behinderten Menschen in einer so diffizilen Situation voraussetzt.[1]

      299

      Muster Ermächtigungsbeschluss zum zwangsweisen Türöffnen

      Beschluss

      In dem Betreuungsverfahren betreffend

      Agnes B., geboren am (. . .) in (. . .), wohnhaft (. . .),

      Verfahrenspflegerin: Rechtsanwältin Suse W., (. . .)-Straße, (. . .)

      wird der Termin zur Anhörung der Betroffenen anberaumt auf den

      (. . .), (. . .) Uhr, Zimmer (. . .),

      (. . .)-Straße, (. . .).

      Das persönliche Erscheinen der Betroffenen wird angeordnet. Weiter wird die zwangsweise Vorführung der Betroffenen zum Termin durch die Betreuungsbehörde (. . .) angeordnet, § 278 Abs. 5 FamFG. Die Betreuungsbehörde wird ermächtigt, zur Vorführung Gewalt anzuwenden und sich der Vollzugshilfe der Polizei zu bedienen (§ 278 Abs. 6 FamFG). Der Betreuungsbehörde wird das Öffnen von Wohnungstüren, das Betreten und Durchsuchung der Wohnung gestattet (§ 278 Abs. 7 FamFG).

      Dieser Beschluss gilt als Ladung zum Termin.

      (Richterin am Amtsgericht)

      Ausgefertigt

      (Justizangestellte)

      300

      Ein derartiger Beschluss wird von dem Gericht allerdings erst dann erlassen, wenn sämtliche Ermittlungen zur Erforderlichkeit der Betreuerbestellung ausgeschöpft sind. Das folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein – z.B. durch Einwirkung über Dritte oder den Betreuer –, um den Betroffenen zu bewegen, an der Anhörung teilzunehmen.

      301

      Die gerichtliche Vorführungsanordnung ist hinreichend bestimmt zu fassen und zu begründen. Die Vorführungsanordnung ist als eine verfahrensleitende Zwischenentscheidung zu qualifizieren. Trotz des mit der Vorführung verbundenen gravierenden Eingriffs besteht nach § 58 Abs. 1 FamFG und im Umkehrschluss zu § 284 Abs. 3 S. 2 FamFG keine Anfechtungsmöglichkeit. Nach § 58 Abs. 1 FamFG können nur Endentscheidungen mit der Beschwerde angefochten werden, wobei im Rahmen der Prüfung durch das Beschwerdegericht auch die zuvor ergangenen Zwischenentscheidungen einbezogen werden, § 58 Abs. 2 FamFG. Die Anordnung der Unterbringung zur Begutachtung kann allerdings nach § 284 Abs. 3 FamFG i.V.m. den §§ 567–572 ZPO mit der Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde binnen 2 Wochen angefochten werden.

      302

      Die Durchführung der Vorführung ist ggfs. ohne den Einsatz körperlichen Zwangs nicht denkbar. Der Beschluss wird daher zweckmäßigerweise eine Ermächtigung der Betreuungsbehörde zum Einsatz einfacher körperlicher Gewalt aussprechen, Die Mitarbeiter der Betreuungsbehörde sind jedoch nicht berechtigt, selbst körperliche Gewalt anzuwenden.

      303

      

      Rechtsgrundlage für die Anwendung von Gewalt und unmittelbaren Zwang (Anlegung von Handfesseln etc.) sind die landesrechtlichen Vorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Die Bundesländer haben entsprechende Regelungen in ihren Polizeigesetzen getroffen. Eine gerichtliche Entscheidung, die eine Befugnis zur Gewaltanwendung zugunsten der Betreuungsbehörde ausspricht, ist keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist in den jeweiligen Landesgesetzen regelhaft den Polizeibehörden vorbehalten (Landespolizeirecht). Die Polizeigesetze legen auch abschließend den zur Ausübung von Zwang berechtigten Personenkreis fest. Die Mitarbeiter von Betreuungsbehörden sind in den Polizei- und Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder nicht benannt.

      304

      305

      Anmerkungen

       [1]

      BT-Drs. 11/4528, 173.

       [2]

      BayOblG Rpfleger 1999, 445; BtPrax 2001, 251; FamRZ 2002, 348; LG Frankfurt/Main BtPrax 1994, 216; FamRZ 1996, 375; a.A., die allerdings überholt sein dürfte: LG Berlin FamRZ 1996, 821; KG BtPrax 1996, 195; FamRZ 1997, 442.

       [3]

      Deinert/Walther S. 146.

       [4]

      Deinert/Walther S. 147.

       [5]

      BayObLG FamRZ 1997, 1568.

       [6]

      BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = NStZ 2001, 382 = Rpfleger 2001, 264.

      B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersIX. Die Anhörung des Betroffenen › 5. Rechtliches Gehör

      306

      Aus Art. 103 GG ergibt sich die Verpflichtung des Gerichts, seiner Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil des Betroffenen zu Grunde zu legen, zu denen er zuvor Gelegenheit hatte, sich zu äußern.

      307

      Beispiel

      Jürgen R., der Nachbar von Herbert G., ruft bei dem zuständigen Betreuungsrichter an und erzählt diesem, dass Herbert G. nahezu täglich mit anderen „Saufkumpanen“ erhebliche Mengen Alkohol zu sich nehme und manchmal als hilflose Person im Treppenhaus aufgefunden werde. Im Übrigen rieche es streng


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