Arbeitsrecht in der Umstrukturierung. Stefan Schwab
ihn auf ein anderes Unternehmen zu übertragen, so liegt in der organisatorischen Spaltung des Betriebes zwar eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG (vgl. Rn. 73). Wegen der wirtschaftlichen Nachteile „infolge der geplanten Betriebsänderung“ kann der Betriebsrat gemäß § 112 BetrVG einen Sozialplan verlangen. Jedoch gehören eine etwaige Verringerung der Haftungsmasse bei dem Betriebserwerber sowie dessen befristete Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 BetrVG nicht zu den berücksichtigungsfähigen Nachteilsfolgen.[352] Bei einem Betriebsübergang ist damit nicht allein maßgeblich, ob hiermit Maßnahmen einhergehen, die als solche einen der Tatbestände des § 111 Satz 3 Nr. 1–5 BetrVG (Betriebsänderung) erfüllen. In diesem Fall stehen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG zu. Für die Frage, ob und inwiefern durch Spruch der Einigungsstelle auch ein Sozialplan erzwungen werden kann, ist vielmehr entscheidend, ob (über die gesetzliche Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG hinaus) bei Aufstellung des Sozialplans Nachteile zu erwarten sind, welche die vorgesehenen Ausgleichs- oder Milderungsmaßnahmen (z.B. Abfindungen) tatsächlich rechtfertigen konnten. Ist dies nicht der Fall, ist der Spruch unwirksam.[353]
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Nach § 112 Abs. 5 BetrVG hat die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von den Grundsätzen nach § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG leiten zu lassen. Die Grundsätze in § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG haben die Funktion von Richtlinien für die Ausübung des Ermessens durch die Einigungsstelle, indem sie die Grenzen des Ermessens abstecken. Ein Verstoß gegen diese Richtlinien stellt somit einen Ermessensfehler dar.[354]
(1) Gegebenheiten des Einzelfalles
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Nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG soll die Einigungsstelle beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen. Die Einigungsstelle darf dabei keine Nachteile ausgleichen, die gar nicht entstanden sind und mit Sicherheit auch künftig nicht entstehen werden.[355]
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Werden diese Grundsätze nicht beachtet, liegt eine Ermessensüberschreitung vor, die den Sozialplan anfechtbar macht.
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Beispiel:
Die Einigungsstelle überschreitet etwa dann die Grenzen des ihr durch § 112 Abs. 5 BetrVG vorgegebenen Ermessensrahmens, wenn sie für alle infolge einer Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer ohne Unterschied Abfindungen festsetzt, deren Höhe sich allein nach dem Monatseinkommen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit bemisst.
Dies hat das BAG etwa in einem Fall bejaht, in dem indem die Einigungsstelle pauschal für jeden Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis wegen der Rationalisierungsmaßnahme aufgelöst wurde, eine Abfindung in Höhe von 75 % des Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr vorgesehen hatte, sie sich also nicht „um den Ausgleich feststellbarer oder zu erwartender materieller Einbußen des Arbeitnehmers“ bemüht hatte.[356]
Nach Ansicht des BAG hätte es insbesondere einer Berücksichtigung des Umstands bedurft, dass die mehr als 30 betroffenen Arbeitnehmer „nach ihrer typischen individuellen Situation, wie z.B. ihrem Lebensalter, den familiären Belastungen, besonderen sozialen Umständen, evtl. besonderen persönlichen Eigenschaften wie Schwerbehinderteneigenschaften, usw.“ unterschiedlich von der Betriebsänderung betroffen seien. Zudem war nach Ansicht des BAG zu Unrecht unberücksichtigt geblieben, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer (25 von 32) bereits neue Arbeitsplätze gefunden hatte, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG) also gut waren.[357]
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Die Verpflichtung, den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen, bedeutet allerdings nicht, dass die Einigungsstelle ihr Verfahren so lange hinauszögern muss, bis die konkreten Nachteile für jeden einzelnen Arbeitnehmer feststehen.[358] Pauschalierende Prognosen und Beträge sind im Interesse einer zügigen Abwicklung der Sozialplanverhandlungen in der Regel unvermeidbar.[359] Zutreffend hat daher das BAG festgehalten, dass die Einigungsstelle den Ausgleich der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile für die Arbeitnehmer „möglichst konkret vornehmen“ müsse, jedoch davon auszugehen ist, dass im Einzelfall auch einmal pauschale Nachteilsausgleichszahlungen angemessen sind, wenn die konkreten Nachteile der Arbeitnehmer nicht prognostiziert werden können.[360]
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Insofern ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn auf die „Grunddaten“ Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten sowie die Bemessung von Abfindungen nach einem Punktesystem abgestellt wird.[361] Dabei müssen aber Mechanismen vorgesehen werden, um (typischer) Sonderfälle wie eine Schwerbehinderteneigenschaft Berücksichtigung finden.
(2) Aussichten auf dem Arbeitsmarkt
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Die Einigungsstelle hat ferner die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG). Sie soll insbesondere Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet nach der gesetzgeberischen Wertung für sich allein nicht die Unzumutbarkeit (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG).
Diese Leitlinien beziehen sich zum einen auf Arbeitnehmer, die infolge einer Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren und keinen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns angeboten bekommen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG), zum anderen auf Arbeitnehmer, die zwar im Betrieb, Unternehmen oder Konzern weiterbeschäftigt werden können, dies aber ablehnen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 BetrVG).[362]
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Lässt die Einigungsstelle völlig außer Acht, dass bzw. ob betroffene Arbeitnehmer bei Abschluss des Sozialplans bereits ein Anschlussarbeitsverhältnis außerhalb des Konzerns gefunden haben und spricht sie ihnen die volle Abfindung zu, verletzt sie die Ermessenrichtlinien nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Denn gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt werden insbesondere dadurch belegt, dass der Arbeitnehmer bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat.[363] Maßgeblich sind indes die „Aussichten“ auf dem Arbeitsmarkt, so dass auch eine typisierende Betrachtungsweise zulässig ist.[364] Eine Sozialplanregelung, nach der der sich rechnerisch aus den Steigerungssätzen für Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung ergebende Betrag, soweit er die Höchstgrenze übersteigt, an alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu verteilen ist, begegnet nach der Rechtsprechung des BAG etwa dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn wegen der besonders hohen Arbeitslosenquote in der Region auch jüngere Arbeitnehmer Gefahr laufen, langfristig arbeitslos zu werden.[365]
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Zudem kann in Härtefallregelungen auf die konkrete Dauer der Arbeitslosigkeit abgestellt werden.[366]
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Die Betriebspartner können in einem Sozialplan auch vereinbaren, dass Arbeitnehmer, die nach Bekanntwerden eines vom Arbeitgeber zunächst geplanten Personalabbaues einen Aufhebungsvertrag vereinbart haben (Stichtag), eine geringere