Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
zu rechnen ist,[182] im Hinblick auf eine räuberische Erpressung fehlt es in diesen Fällen aber, wie bereits oben angesprochen, an der Unmittelbarkeit der angestrebten Bereicherung, da der Täter diese erst durch eine weitere deliktische Tat erreichen will (Computerbetrug durch Abheben des Geldes, Diebstahl oder Raub beim „Leerräumen“ des Tresors, wenn Gewalt oder Drohung noch fortwirken).[183] Eine weitere Voraussetzung einer (räuberischen) Erpressung ist, dass die entsprechende Vermögensposition überhaupt (schon) besteht, was nach Auffassung des BGH etwa bei der Erpressung einer Prostituierten erst dann der Fall ist, „wenn die Leistung in Erwartung des zuvor vereinbarten Entgelts erbracht“ worden sei, da die Forderung nach § 1 S. 1 ProstG erst dann entsteht.[184]
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Ein Vermögensschaden wird allerdings in der Regel dann ausscheiden, wenn der Täter mit dem Unterlassen einer Handlung droht, zu der er nicht verpflichtet ist, z.B. dem Unterlassen des Abschlusses eines Vertrages.[185] Wer also die Anstellung einer Schauspielerin zu Dreharbeiten eines bestimmten Films oder die Vermietung eines Appartements an eine Studentin davon abhängig macht, dass diese mit ihm eine sexuelle Beziehung eingeht, begeht keine Erpressung. Denn es steht dem Täter hier frei, für seine Handlung einen Preis zu fordern (Autonomieprinzip) bzw. das Opfer hat nach dem Selbstverantwortungsprinzip zu entscheiden, ob es den geforderten „Preis“ bezahlen möchte oder nicht. Unter Berufung auf diese beiden fast deckungsgleichen Prinzipien kann man entweder die Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation leugnen oder bereits den Schaden ablehnen, weil das Opfer, geht es auf die Forderungen des Täters ein, durch dessen Leistung ein saldierungsfähiges Äquivalent erhalten hat (dagegen scheitert die Strafbarkeit hier nicht bereits am fehlenden Vorliegen einer Drohung mit einem empfindlichen Übel![186]). Es geht hier lediglich um Ausprägungen der Vertragsfreiheit, selbst wenn dabei Notlagen des Vertragspartners ausgenutzt werden. Die gröbsten Auswüchse einer solchen Ausbeutung des Opfers sind nicht mit § 253 StGB, sondern mit der Strafbestimmung gegen Wucher, § 291 StGB, zu ahnden. Der BGH hat diesen Grundsatz allerdings in denjenigen Fällen eingeschränkt, in denen der „Erpresste“ aufgrund der Unterlassung in existenzielle wirtschaftliche Not gerät und der Täter gerade diese Notlage ausnutzt, was jedenfalls bei länger andauernden Geschäftsverbindungen möglich sei.[187] Eine Erpressung sah der BGH auch in den DDR-Ausreisefällen nicht als gegeben an:[188] Der Täter hatte als offizieller, von den zuständigen Organen der DDR eingeschalteter „Vermittler“ Ausreisewilligen angeboten, ihnen eine Ausreise aus der DDR unter der (staatlich vorgegebenen und insoweit „üblichen“) Bedingung zu ermöglichen, dass sie ihr in der DDR gelegenes Grundstück einer „vom Staat begünstigten Person“ übereignen. Da das DDR-Recht seinen Bürgern keinen Anspruch auf eine Ausreisegenehmigung gewährte, gingen die Ausreisewilligen jeweils auf diese „Bedingung“ ein. Im konkreten Fall wurde das entsprechende Grundstück von den zuständigen staatlichen Organen der DDR dem Vermittler selbst zugeteilt. Der BGH führte aus, die Drohung mit dem Unterlassen einer Handlung, auf die der Bedrohte keinen Anspruch habe (hier: Ausreise aus der DDR), könne selbst dann, wenn der Täter hier eine unangemessene Gegenleistung fordern bzw. erwirken würde, lediglich als Wucher oder als Bestechlichkeit anzusehen sein, „eine Strafbarkeit wegen Nötigung oder Erpressung liegt hingegen eher fern“.[189]
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Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn der Handelnde zu einem entsprechenden Tun verpflichtet ist, so etwa in dem Fall, in dem ein Amtsträger damit droht, einen Antrag solange unbearbeitet zu lassen, bis er vom Antragsteller eine bestimmte Geldsumme erhält. Hier liegt neben einer Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit, §§ 331, 332 StGB, zugleich auch eine Erpressung, § 253 StGB, vor.[190]
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Die Tat ist vollendet, wenn der Vermögensschaden eingetreten ist. Eine entsprechende Bereicherung des Täters oder eines Dritten ist nicht erforderlich, diese muss lediglich beabsichtigt sein und ist daher ausschließlich im subjektiven Tatbestand zu berücksichtigen. Daher liegt eine vollendete Erpressung auch dann vor, wenn die erpresste Leistung weit hinter dem zurückbleibt, was sich der Täter erhofft oder was er verlangt hat.[191] Dies ist auch dann der Fall, wenn der Täter die erpresste Sache nach kurzer Begutachtung wieder zurückgibt, weil deren Wert nicht seinen Vorstellungen entspricht.[192] Soweit die Rechtsprechung dies teilweise anders gesehen hat,[193] ist dem nur insoweit zu folgen, als genau geprüft werden muss, ob in dem vorübergehenden Verlust der Sache bereits ein Vermögensschaden des Opfers zu erblicken ist. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn der Täter schon vor der Aushändigung des Gegenstandes fest dazu entschlossen war, diesen wieder zurückzugeben, sollte er seinen Ansprüchen nicht genügen.[194] Eine vollendete Erpressung kann hingegen ausscheiden, wenn aufgrund einer Überwachung der „Geldübergabe“ durch die Polizei ein dauerhafter Verlust der abgepressten Gegenstände von vorne herein ausgeschlossen ist.[195]
6. Ursachen- und Zurechnungszusammenhang
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Zwischen dem Erpressungsmittel (Nötigung), der Vermögensverfügung des Genötigten und dem Erpressungserfolg (Vermögensnachteil) muss eine kausale Beziehung bestehen.[196] Das Opfer muss also gerade durch die Drohung oder die Anwendung von Gewalt zu seinem vermögensschädigenden Verhalten genötigt werden und gerade durch die vorgenommene Vermögensverfügung muss der Vermögensschaden eintreten.[197] Einzelfragen zur Kausalität lassen sich hier durch einen Rückgriff auf die zur Anstiftung entwickelten Grundsätze lösen, weil der Erpresser sein Opfer „anstiften“, d.h. dazu bestimmen will, an der Vollendung der Erpressung mitzuwirken („notwendige Teilnahme“).[198] Im Gegensatz zum Raub ist die Notwendigkeit eines solchen Kausalzusammenhangs bei der Erpressung völlig unstreitig. Die Kausalität muss allerdings bei der Erpressung objektiv vorliegen,[199] während sie beim Raub von der h.M. nur auf subjektiver Ebene im Wege einer Finalität des Handelns verlangt wird.[200] An der Kausalität fehlt es aber, wenn das Opfer auch ohne die Nötigung zur vermögensschädigenden Verfügung bereit war.[201] Dagegen schließt ein weiteres Motiv des Opfers, z.B. durch die tatsächliche Leistung den Täter später überführen zu können, die Kausalität nicht aus.[202] Anders ist es hingegen, wenn die Überführung des Täters das einzige Motiv des Opfers für seine Vermögensverfügung darstellt.[203] Gibt ein Bankmitarbeiter bei einem Banküberfall das Geld lediglich aufgrund einer bankinternen Anweisung heraus, schließt dies die Kausalität jedoch nicht aus.[204] Gleiches gilt für den Fall, dass das Opfer zwar auf Empfehlung der Polizei zahlt, es aber trotz Einschaltung der Polizei weiterhin die Verwirklichung der Drohung fürchtet und dies für ihn mitbestimmend ist.[205] An der Kausalität kann es hingegen fehlen, wenn der Täter ursprünglich einen bestimmten Gegenstand erlangen wollte, es im weiteren Verlauf jedoch zur Erlangung eines ganz anderen Gegenstandes kommt.[206]
7. Sonderfall: Die Dreieckserpressung
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Genötigter und Geschädigter brauchen bei der Erpressung nicht identisch zu sein.[207] Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz darauf abstellt, dass infolge der Nötigung dem Vermögen „des Genötigten oder eines anderen“ ein Nachteil zugefügt werden muss. Die Lage entspricht somit auch hier derjenigen des Betruges, § 263 StGB, bei dem Getäuschter und Geschädigter ebenfalls nicht identisch sein müssen. Wie bei § 263 StGB ist aber auch bei § 253 StGB ein Näheverhältnis des Genötigten zum geschädigten Drittvermögen zu verlangen, welches dem Genötigten die Möglichkeit verschafft, über das Vermögen des anderen zu verfügen.[208] Der BGH[209] hat dieses Näheverhältnis dahin präzisiert, „daß das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers“ stehen muss. Für diese Dreieckserpressung sei charakteristisch, „daß der Täter die von einem Dritten im Interesse des Vermögensinhabers wahrgenommene Schutzfunktion aufhebt“.[210] Ein Näheverhältnis liegt jedenfalls dann vor, wenn der Dritte rechtlich dazu befugt ist, über das Vermögen des Geschädigten zu verfügen. Darüber hinaus reicht es aber auch aus, wenn der Dritte eine faktische Verfügungsbefugnis infolge einer Sonderbeziehung zum Vermögen des Geschädigten besitzt.[211] Dies ist immer dann gegeben,