Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Dritter oder ein Mitgewahrsamsinhaber selbst Täter ist.[146] Dieses Einverständnis muss darüber hinaus grundsätzlich bereits vor oder jedenfalls bei der Wegnahme erteilt werden. Eine nachträgliche Genehmigung lässt den Gewahrsamsbruch nicht entfallen. Jedoch kommt in dieser Konstellation eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht mit der Folge einer Rechtfertigung des Täters, wenn im Einzelfall zu vermuten steht, dass der Gewahrsamsinhaber sein Einverständnis erteilt hätte.[147]
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Dies gilt auch bei den sog. Diebesfallen, in denen der Gewahrsamsinhaber Sachen dem Täter eigens zu dessen Überführung zugänglich macht. Hier liegt ein Einverständnis vor, so dass lediglich eine Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht kommt.[148] Im Einzelfall kann es hier aber auch bereits an einer Gewahrsamsverschiebung fehlen.[149] Der Umstand, dass der Täter bei der Wegnahmehandlung beobachtet wird, ist hingegen unschädlich, da der Diebstahl kein heimliches Delikt ist. Vorkehrungen zur Beobachtung möglicher Diebstähle oder das Beobachten durch einen Kaufhausdetektiv alleine führen daher noch nicht zu einem tatbestandsausschließenden Einverständnis.[150]
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c) Grundsätzlich kann auch ein bedingtes Einverständnis in den Gewahrsamsbruch erteilt werden.[151] Hierzu müssen aber die Voraussetzungen für diese Bedingung äußerlich erkennbar sein.[152] Diese Bedingung ist z.B. nicht bei der Bedienung von Warenautomaten erfüllt, wenn der Täter Falschgeld oder Geld der falschen Währung einwirft.[153] Hingegen liegt beim systematischen Leerspielen von Automaten mit Sonderkenntnissen über den Programmablauf kein Diebstahl vor, da der Automat hier nach außen völlig ordnungsgemäß bedient wird.[154] Umstritten ist dagegen der Fall, in dem ein Geldautomat mit einer gefälschten Codekarte bedient wird. Der BGH bejaht hier ein tatbestandsausschließendes Einverständnis (bzw. sogar einen „Übergabeakt“),[155] wohingegen die Literatur dies z.T. abgelehnt.[156] Dies hat jedoch im Ergebnis keinen Unterschied zur Folge, soweit man in § 263a StGB eine lex specialis sieht.[157] Die unberechtigte Entnahme von Geld aus dem Ausnahmefach, nachdem der Berechtigte den Ausgabevorgang durch Eingabe der Bankkarte mit zugehöriger PIN in Gang gesetzt hatte, beurteilen der 2. und der 3. Strafsenat in jüngerer Zeit unterschiedlich.[158]
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Fährt der Täter an Selbstbedienungstankstellen davon, ohne zu zahlen, stellt sich ebenfalls die Frage, ob hier eine Wegnahme aufgrund eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses ausscheidet. Nach h.M. steht das Einverständnis lediglich unter der Bedingung, dass der Täter die Zapfsäule korrekt bedient,[159] und zwar unabhängig davon, ob er von Anfang an nicht zahlen wollte,[160] weshalb nur eine Unterschlagung vorliegen kann.[161] Die Gegenansicht sieht ein Einverständnis als auch durch das Bezahlen bedingt an, was jedoch abzulehnen ist, da der Gewahrsamsübergang bereits mit dem Einfüllen stattfindet, die Bedingung hingegen aber lediglich für den Eigentumsübergang am Benzin maßgeblich ist (Eigentumsvorbehalt). Teilweise wird eine Abgrenzung zwischen Unterschlagung und Betrug anhand des Kriteriums vorgenommen, ob sich der Täter beim Tanken beobachtet fühlt oder nicht.[162] Richtigerweise hat die (vermeintliche) Beobachtung bei einem Täter, der von Anfang an nicht zum Zahlen bereit ist, Auswirkung auf die Vollendungsstrafbarkeit, denn fühlt er sich beobachtet, liegt nach h.M. ein Betrug bzw. bei tatsächlich fehlender Beobachtung versuchter Betrug vor, da der Täter den Anschein eines zahlenden Kunden (Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft) zu erwecken versucht.[163]
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d) Zu Abgrenzungsproblemen zwischen Wegnahme und Verfügung, also Weggabe, führen sowohl die sog. Trickdiebstahlsfälle[164] als auch die Fälle, in denen der Gewahrsamsinhaber lediglich bedingt durch einen Irrtum sein Einverständnis erteilt. Bewirkt der Täter durch Täuschung die Weggabe der Sache, dann liegt grundsätzlich eine Verfügung vor, so dass nur ein Betrug nach § 263 StGB in Betracht kommt. Die Verfügung setzt jedoch voraus, dass sich der Gewahrsamsinhaber des Gewahrsamswechsels bewusst ist. Dies ist gerade nicht der Fall, wenn z.B. der Verkäufer Kunden Sachen zur Anprobe im Laden zur Verfügung stellt, denn der Verkäufer geht nicht von einem Gewahrsamsverlust aus. Verschwindet der Kunde mit den Sachen, liegt ein Gewahrsamsbruch vor.[165] Versteckt der Täter eine Sache in der Verpackung einer anderen Sache oder im Wagen hinter oder unter anderen Waren und durchquert er damit den Kassenbereich, so liegt beim Kassenpersonal kein Verfügungsbewusstsein bezogen auf die versteckten Sachen vor, weshalb ein Bruch und damit auch hier eine Wegnahme nach § 242 StGB vorliegt.[166]
3. Gewahrsamsbegründung
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a) Der zweite Teilakt der Wegnahme (der freilich meist mit dem Gewahrsamsbruch zeitlich mehr oder weniger eng zusammenfällt) erfordert, dass der Täter neuen Gewahrsam an der fremden beweglichen Sache begründet.[167] Nach der herrschenden Apprehensionstheorie ist neuer Gewahrsam begründet, wenn der Täter derart Herrschaft über die Sache erlangt hat, dass er ungehindert über die Sache verfügen kann und der ehemalige Gewahrsamsinhaber ohne die Beseitigung der Verfügungsgewalt des Täters nicht mehr über die Sache verfügen kann.[168] Hierfür ist bei kleineren Gegenständen bereits das bloße Ergreifen der Sache (nicht aber das bloße Berühren) ausreichend.[169] Es ist darüber hinaus nicht erforderlich, dass die Sache weggebracht wird (Ablationstheorie), dies führt aber zur Beendigung des Diebstahls. Nach allgemeiner Ansicht ist auch die Frage der Begründung neuen Gewahrsams nach den Umständen des Einzelfalls und unter Zugrundelegung der allgemeinen Verkehrsanschauung zu beurteilen.
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Die Dauer des neuen Gewahrsams ist dabei unerheblich. Der Täter muss lediglich überhaupt kurzzeitig die Herrschaft über die Sache innegehabt haben.[170] Auch bei einem baldigen Gewahrsamsverlust des Täters liegt eine Gewahrsamsbegründung vor. Die spätere Rückführung an den Eigentümer oder den ehemaligen Gewahrsamsinhaber ist grundsätzlich zwar bedeutungslos;[171] im Falle eines von Beginn an bestehenden Willens des Täters zur Rückführung der Sache ist indes die Zueignungsabsicht fraglich (vgl. unten Rn. 58 f.). Es bedarf auch keiner Begründung des Gewahrsams durch den Täter selbst, vielmehr genügt, wenn er einem Dritten den Gewahrsam verschafft oder diesen als Werkzeug zur Erlangung des Gewahrsams benutzt.[172] Gewahrsamsbruch und Begründung neuen Gewahrsams können u.U. auch einmal zeitlich auseinander fallen. Denkbar ist dies etwa, wenn der Täter die Diebesbeute aus einem fahrenden Zug wirft und diese erst später abholt. Bis zur Begründung neuen Gewahrsams ist hier nur von einem Versuch auszugehen.[173]
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b) Befindet sich die Sache noch im fremden Herrschaftsbereich des alten Gewahrsamsinhabers, wie dies etwa in Selbstbedienungsläden[174] zunächst die Regel sein dürfte, ist der alte Gewahrsam an kleineren Gegenständen nur dann aufgehoben, wenn der ehemalige Gewahrsamsinhaber in die „Sphäre“ des Täters eindringen müsste, um seinen Gewahrsam wiederzuerlangen. In diesen Fällen spricht man von einer Gewahrsamsenklave, die der Täter begründet.[175] Zur Neubegründung des Gewahrsams genügt dann, dass der Täter die Sache an sich nimmt und dem Wegbringen der Sache keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegenstehen.[176] Dies ist denklogisch nur bei kleineren Gegenständen möglich und etwa dann der Fall, wenn der Täter die Sache in seiner Kleidung versteckt oder in ein mitgeführtes Behältnis steckt.[177] Bei sehr kleinen Gegenständen reicht u.U. selbst schon das In-der-Hand-Halten aus.[178] Wie beim Gewahrsamsbruch ist es auch vorliegend ohne Belang, ob der Täter beobachtet wird.
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Kein neuer Gewahrsam wird hingegen begründet, wenn Sachen in Behältnissen versteckt werden, die noch der Kontrolle des alten Gewahrsamsinhabers unterliegen. Hier ist jederzeit ein Zugriff des alten Gewahrsamsinhabers möglich, weshalb z.B. das Verstecken der Sache im Einkaufswagen noch keinen neuen Gewahrsam begründet.[179] Dies geschieht erst, wenn der Bereich der bestimmungsgemäßen Kontrolle des Behältnisses[180] durchschritten wird oder spätestens mit dem vollständigen Verlassen des Geschäfts.[181] Der Täter