Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Gewalt gegen eine Person steht nach dem Gesetz die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gleich. Drohung ist dabei das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt und dessen Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung für den Fall des Bedingungseintritts will.[265] Die Drohung muss (wie die Gewalt) im Vergleich zu § 240 StGB oder § 253 StGB beim Raub qualifiziert sein. Es genügt insofern nicht die Drohung mit irgendeinem empfindlichen Übel, vielmehr bedarf es des inhaltlichen Bezugs auf eine Gefahr für Leib oder Leben. Der Täter muss also eine Situation ankündigen, bei der die mindestens naheliegende Möglichkeit (Gefahr) einer Körperverletzung oder des Todes besteht.[266]
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Bei der Beurteilung, ob eine Drohung vorliegt, ist bei einer rechtsgutsbezogenen Auslegung die Perspektive des Opfers maßgeblich, dessen Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit durch den Raub als Freiheitsdelikt geschützt werden soll (→ BT Bd. 4: Valerius, § 5 Rn. 48). Eine vollendete Drohung setzt damit zunächst voraus, dass die Ankündigung zur Kenntnis des Adressaten gelangt und auch von ihm verstanden worden ist.[267] Auch spielt es keine Rolle, ob der Täter fähig und willens ist, das angekündigte Übel zu verwirklichen, solange er damit den Willen des Opfers beugt.[268] Damit kann die Drohung als „Scheindrohung“ (→ BT Bd. 4: Valerius, § 5 Rn. 48) oder auch „leere Drohung“[269] ein Element der Täuschung (List) enthalten.[270] Dies ist etwa bei der Bedrohung mit einer Scheinwaffe der Fall.[271] Erforderlich ist aber stets, in Abgrenzung zur Warnung (→ BT Bd. 4: Valerius, § 5 Rn. 49), dass der Drohende behauptet, er habe Einfluss auf den Eintritt des Übels, da andernfalls bereits objektiv nicht von einer Drohung die Rede sein kann.[272]
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Da die Opferperspektive entscheidend ist, ist zusätzlich wie bei § 240 StGB (→ BT Bd. 4: Valerius, § 5 Rn. 48) erforderlich – aber auch ausreichend –, dass die Drohung aus der Sicht des Opfers als ernstlich erscheint.[273] Nicht maßgeblich ist, was der Täter will.[274] Dies ist eine Frage des Vorsatzes. Die Ansicht, die es für ausreichend erachtet, dass der Täter davon ausgeht, das Opfer nehme die Drohung ernst, überspannt die ohnehin weitgehende Subjektivierung des Raubes.[275] Zweifel des Opfers an dem Willen des Nötigenden, seine Ankündigung in die Tat umzusetzen, können bleiben, solange das Opfer mit der konkreten Möglichkeit einer Übelszufügung rechnet.[276]
bb) Erscheinungsformen der Drohung
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Die Drohung kann ausdrücklich oder auch konkludent (schlüssig) erfolgen.[277] Sie muss nicht verbal artikuliert werden.[278] Erforderlich ist insoweit, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht.[279] Es genügt dagegen nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen, wenn objektiv keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Ansinnen erkennbar sind.[280] Das bloße Ausnutzen der Angst eines Opfers vor einer Gewaltanwendung enthält für sich genommen noch keine Drohung.[281] Auch allein das Schaffen einer „diffusen Atmosphäre der Einschüchterung“ genügt nicht.[282] Jedoch kann in der Anwendung von Gewalt auch die konkludente Drohung (die mit einem erst später gefassten Wegnahmevorsatz final verknüpft sein kann) liegen, die (bereits zugefügte) Gewalt werde wiederholt oder fortgesetzt, falls das (weitere) Vorhaben oder Verlangen des Täters auf Widerstand stoßen sollte.[283]
cc) Gegenstand der Drohung
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Gegenstand (Inhalt) der Drohung muss nach dem Wortlaut eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben sein. Da „Leib“ und „Leben“ qualitativ nebeneinander stehen, reicht nach h.M. eine Drohung mit einer nur leichten oder unbedeutenden Gefahr für die körperliche Unversehrtheit (z.B. mit einer Ohrfeige) nicht für eine qualifizierte Drohung aus.[284] Erforderlich ist demnach, dass als Schaden der Eintritt einer nicht ganz unerheblichen Körperverletzung oder sogar des Todes droht.[285] Somit ist auch die Drohung mit Sachgefahren selbst für große Vermögenswerte von vornherein nicht erfasst, mögen sie auch noch so willensbeugend sein.[286] Dies ist nur anders, wenn solche Drohungen auf eine Leib- oder Lebensgefahr hinauslaufen.[287]
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Erforderlich ist weiter, dass mit einer gegenwärtigen Gefahr gedroht wird. Gegenwärtig ist eine Gefahr jedenfalls dann, wenn der Eintritt des Schadens nach dem Inhalt der Drohung unmittelbar bevor steht.[288] Da Bezugspunkt der Gegenwärtigkeit nur die Gefahr und nicht die Gefahrrealisierung ist,[289] ist es für die Gegenwärtigkeit ausreichend, wenn die Gefahr jederzeit (alsbald oder auch später) in einen Schaden umschlagen kann („Dauergefahr i.e.S.“).[290] Problematisch und wenig geklärt ist die Gegenwärtigkeit jedoch, wenn der Eintritt des Schadens erst für einen Zeitpunkt in Aussicht gestellt wird, der so weit in der Zukunft liegt, dass ein „unmittelbares Bevorstehen“ ausscheidet („Dauergefahr i.w.S.“).[291] Der BGH hat eine gegenwärtige Gefahr verneint, „wenn ihre Verwirklichung erst in der Ferne liegt“, so bei einer Drohung mit Erschießen, falls das Opfer nicht binnen Monats- oder Jahresfrist zahlt; denn eine zukünftige Gefahr sei keine gegenwärtig drohende.[292] Genaue zeitliche Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist, ließen sich nicht allgemein festlegen; maßgebend seien die Umstände des Einzelfalls.[293] Allerdings soll es nach der Rspr. ausreichen, wenn der befürchtete Schaden zwar selbst nicht unmittelbar bevorsteht, aber nur durch sofortiges, gegenwärtiges Handeln abgewendet werden kann.[294] Die Literatur schlägt demgegenüber (zumindest bei § 249 StGB) eine rein zeitliche Bestimmung und Begrenzung der Gegenwärtigkeit vor.[295] Stellt man jedoch im Hinblick auf das Rechtsgut Willensfreiheit zu Recht auf die gegenwärtige Zwangslage beim Opfer ab,[296] sind diese Ansätze abzulehnen.
dd) Drohung in Mehrpersonenverhältnissen
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Drohungsadressat kann sowohl der Gewahrsamsinhaber (gleich, ob er Eigentümer ist oder nicht) als auch eine dritte Person sein, wenn sie als schutzbereiter Dritter gegen den Gewahrsamsbruch einschreiten kann und will.[297] Erfasst sind sowohl aktuell Schutzbereite als auch potentiell Schutzbereite, bei denen der Täter einen erwarteten Widerstand ausschalten will.[298] Zu klären bleibt aber, ob eine Drohung auch dann bejaht werden kann, wenn der Bedrohte nicht schutzbereit ist. Wie auch bei der Gewaltalternative setzt die durch die Drohung verursachte Beeinträchtigung der Willensfreiheit die Schutzbereitschaft des Nötigungsopfers nicht voraus (Rn. 56), sodass es darauf auch für das Vorliegen einer Drohung nicht ankommen kann. Da eine Drohung – anders als Gewalt – keine bestimmte Finalität voraussetzt, ist dafür auch nicht erforderlich, dass der Täter den Dritten (irrig) für schutzbereit hält. Ist dies nicht der Fall, fehlt es aber in der Regel am notwendigen Finalzusammenhang (Rn. 75).[299]
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Der Drohungsadressat muss auch nicht Inhaber der bedrohten Rechtsgüter sein („Dreiecksnötigung“).[300] Die Vorschrift setzt nämlich nicht voraus, dass das von den Tätern angedrohte Übel unmittelbar den treffen soll, auf dessen Willensbestimmung sie einwirken wollen.[301] Es genügt vielmehr, dass der Empfänger der Drohung das einem anderen Angedrohte auch für sich als Übel empfindet.[302] Eine Beschränkung auf nahe stehende Personen lehnt die h.M. zu Recht ab.[303] Dafür spricht, dass aus dem Wortlaut eine solche Unterscheidung nicht hervorgeht, er verlangt lediglich eine Gefahr für Leib oder Leben. Auch der Umkehrschluss zu § 241 StGB, bei dem der Kreis der Bedrohten auf nahestehende Personen begrenzt ist, legt dies nahe.[304]
ee) Drohung durch und mit Unterlassen
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Zu unterscheiden ist eine