Zivilprozessrecht. Irmgard Gleußner
kennt zu diesem Zeitpunkt nur die Klage, nicht aber die Strategie des Beklagten. Daher kommt dieser Weg eher bei einfach gelagerten Fällen in Betracht.
3. Schriftliches Vorverfahren
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Wählt das Gericht das schriftliche Vorverfahren (§ 276 ZPO), gibt es zunächst keine Terminbestimmung. Dem Beklagten wird die Klage mit der Aufforderung zugestellt, seine Verteidigungsbereitschaft binnen einer Notfrist von zwei Wochen anzuzeigen (§ 276 Abs. 1 S. 1 ZPO). Zugleich wird ihm eine weitere Frist von nochmals zwei Wochen zur Klageerwiderung gesetzt (§ 276 Abs. 1 S. 2 ZPO); bei Auslandszustellung beträgt sie einen Monat (§ 276 Abs. 1 S. 3 ZPO). Ein inländischer Beklagter hat damit für seine inhaltliche Stellungnahme insgesamt vier Wochen Zeit. Die zweifache Fristsetzung erfordert eine zweifache Belehrung (§ 276 Abs. 2 ZPO).[10] Versäumt der Beklagte es trotz Belehrung, seine Verteidigungsbereitschaft innerhalb der Zwei-Wochen-Frist anzuzeigen (im Anwaltsprozess muss dies durch einen Rechtsanwalt erfolgen, § 276 Abs. 2 ZPO), ergeht Versäumnisurteil (hierzu Rn. 268 ff.).
Ausgangsfall
Die Klage wird der V-GmbH am 14.3.2017 zugestellt. Bei der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft handelt es sich um eine Notfrist. Notfristen sind nicht verlängerbar (§ 224 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Berechnung der Frist von zwei Wochen erfolgt über § 222 ZPO nach den Vorschriften des BGB. Damit sind die §§ 187 bis 193 BGB relevant. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Klage. Nach § 222 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB beginnt die Frist am 15.3.2017 zu laufen und endet nach § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 28.3.2017. Da hier kein Anwaltszwang besteht (Amtsgericht), kann der Geschäftsführer der V-GmbH die Verteidigungsanzeige selbst formulieren.
Zeigt der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft rechtzeitig an und reicht er seine Klageerwiderung ein, kann das Gericht dem Kläger wiederum eine Frist zur „Gegenerwiderung“ setzen (§ 276 Abs. 3 ZPO). Nach Studium der Akten muss das Gericht sodann einen Gütetermin (§ 278 Abs. 2 ZPO) und einen Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) festlegen und die Parteien hierzu laden.
JURIQ-Klausurtipp
Die Berechnung von Fristen (§§ 187–193 BGB) ist stets examensrelevant und sollte unbedingt, ohne groß nachzudenken, gelingen. Da Fristen in allen Rechtsgebieten eine wichtige Rolle spielen, gehört dies zum „Grundrepertoire“.
2. Teil Erkenntnisverfahren › D. Ablauf eines Zivilprozesses › V. Die Güteverhandlung
V. Die Güteverhandlung
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Wissen Sie noch, seit wann es die Güteverhandlung in der ZPO gibt und in welchem Jahr der sog. Güterichter eingeführt wurde? Die Lösung finden Sie in Rn. 33 f.
Bevor das Gericht in einer mündlichen Verhandlung die Parteien anhört, muss es eine Güteverhandlung vorschalten (§ 278 Abs. 2 ZPO). Seit 2012 hat das Gericht die Wahl, ob es die Güteverhandlung selbst durchführt oder die Parteien an einen speziellen Güterichter verweist, der alle Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung anwenden darf (§ 278 Abs. 5 ZPO; s. auch Rn. 33). Zweck ist der Vorrang einer einvernehmlichen Streitbeilegung mit Hilfe des Gerichts. Daher ist grundsätzlich das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen (§ 278 Abs. 3 ZPO). Im Gütetermin hat das Gericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien zu erörtern. Es gilt, die Vergleichsbereitschaft „auszuloten“. In geeigneten Fällen kann das Gericht eine außergerichtliche Mediation vorschlagen (§ 278a ZPO), was in der Praxis derzeit kaum vorkommt.[11] Die Güteverhandlung ist kein Teil der mündlichen Verhandlung.[12] Erscheint die Partei im Gütetermin im Verfahren mit Anwaltszwang ohne Anwalt, ist sie nicht säumig. Ein Versäumnisurteil kann nicht ergehen. Im Fall des Scheiterns der Güteverhandlung wird die mündliche Verhandlung im Regelfall unmittelbar nach dem Gütetermin durchgeführt. Schließt sich an die Güteverhandlung sofort die mündliche Verhandlung an, ist nun ein Versäumnisurteil möglich. Die Güteverhandlung ist nur in seltenen Fällen entbehrlich (§ 278 Abs. 2 S. 1 ZPO; hierzu bereits Rn. 33).
2. Teil Erkenntnisverfahren › D. Ablauf eines Zivilprozesses › VI. Die mündliche Verhandlung (der Haupttermin)
VI. Die mündliche Verhandlung (der Haupttermin)
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Der Mündlichkeitsgrundsatz erfordert es, dass der Rechtsstreit vor dem zuständigen Gericht mündlich verhandelt wird (hierzu Rn. 53). Der Haupttermin gewährleistet dieses Recht. Er ist ein wichtiger Knotenpunkt im Prozess. Hier erfolgt eine Bestandsaufnahme und Zwischenbilanz durch den Richter und die Parteien erfahren zugleich, wie der Prozess weiter gehen wird.
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Der exakte Ablauf des Haupttermins ist in der ZPO nicht zwingend vorgeschrieben. In der gerichtlichen Praxis hat sich folgende Vorgehensweise etabliert.[13] Der Termin beginnt stets mit dem Aufruf der Sache (§ 220 Abs. 1 ZPO). In der Praxis nehmen die Parteien und ihre Anwälte im Sitzungssaal Platz und der Richter nennt Kläger und Beklagten sowie das Aktenzeichen. Sodann eröffnet der Vorsitzende formell die Verhandlung (§ 136 Abs. 1 ZPO) und stellt die Anwesenheit der Prozessbeteiligten fest (§ 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Dabei wird geprüft, ob Kläger und Beklagter bzw. deren gesetzlichen Vertreter persönlich erschienen sind und welche Rechtsanwälte sich in der Sache anzeigen. Gegebenenfalls wird an dieser Stelle die Güteverhandlung eingeschoben, in der der Sach- und Streitstand mit den Parteien umfassend erörtert wird (§ 278 Abs. 2 ZPO). Findet keine Güteverhandlung statt, führt das Gericht vor der streitigen Verhandlung ebenfalls in den Sach- und Streitstand ein (§ 139 ZPO). Es stellt Fragen und gibt seine Meinung zu den maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen wieder. Insbesondere müssen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage erörtert werden, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen geprüft werden. Das Gericht wird sodann erneut versuchen, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen (§ 278 Abs. 1 ZPO). Im Anschluss daran beginnt die eigentliche streitige Verhandlung, indem die Parteien ihre Anträge stellen (§ 137 Abs. 1 ZPO). Dies geschieht in der Praxis derart, dass der Kläger auf seinen Antrag (auf Seite 1 der Klageschrift) und der Beklagte auf seinen Klageabweisungsantrag in der Klageerwiderung (auf Seite 2) verweist. Diese Bezugnahme ist erlaubt; der Mündlichkeitsgrundsatz wird eingehalten. Im Folgenden können die Parteien über Zulässigkeit und Begründetheit der Klage streitig diskutieren (§ 137 Abs. 2 ZPO). Das Gericht ist für die Prozessleitung verantwortlich und kann den Parteien das Wort erteilen oder entziehen (§ 136 ZPO).
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Wie der Prozess nun weiter geht, entscheidet sich danach, ob eine Beweisaufnahme erforderlich wird oder nicht. Sind erhebliche Tatsachen zwischen den Parteien streitig, findet, soweit die Tatsachen beweisbedürftig sind, eine Beweisaufnahme statt (§ 279 Abs. 2 ZPO). Bedarf es keiner Beweisaufnahme (z.B. weil es nur um Rechtsfragen geht), wird die mündliche Verhandlung zu Ende gebracht.
2. Teil Erkenntnisverfahren › D. Ablauf eines Zivilprozesses › VII. Beweisaufnahme
VII. Beweisaufnahme