Zivilprozessrecht. Irmgard Gleußner
durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen, selbst wenn das Gericht aus anderen Gründen örtlich zuständig wäre. Inkonnexität führt also stets zum Prozessurteil. Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht stellt § 33 ZPO lediglich einen besonderen Gerichtsstand dar und keine besondere zusätzliche (!) Prozessvoraussetzung.[53] Argument ist der Wortlaut des § 33 ZPO und seine systematische Stellung bei den Gerichtsständen. Daraus folgt: Fehlt der Zusammenhang, aber ist das Gericht aus anderen Gründen (§ 39 ZPO u.ä.) örtlich zuständig, ist die Widerklage zulässig. Das Gericht trennt dann die Verfahren (§ 145 Abs. 2 ZPO). Folgt man dieser Auffassung, wäre die Widerklage von Thomas zulässig.
JURIQ-Klausurtipp
Die Widerklage ist ein bei Prüfern und Prüferinnen beliebtes ZPO-Thema. Denn Wortlaut und Stellung des § 33 ZPO eignen sich besonders gut, systematische Zusammenhänge abzufragen.
3. Drittwiderklage
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Dass sich der Kläger in der Rolle des Widerbeklagten findet, darf ihn nicht überraschen. Komplizierter wird es, wenn durch die Widerklage ein Dritter in den Rechtsstreit hinein gezogen wird. Hier werden zwei Fallgruppen unterschieden. Der Beklagte erhebt gegen den Kläger und einen Dritten Widerklage (parteierweiternde Drittwiderklage) oder der Beklagte erhebt isoliert Widerklage gegen einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten (isolierte Drittwiderklage).
Beispiel
Isolierte Drittwiderklage
Thomas bekommt bei einem Kurzurlaub in Regensburg Zahnschmerzen. Er geht dort zum Zahnarzt. Dieser zieht einen Zahn – allerdings den falschen. Thomas zahlt daher die Rechnung in Höhe von 1000 € nicht. Der Zahnarzt tritt nun seinen Anspruch an eine Verrechnungsstelle in Stuttgart ab. Diese verklagt Thomas an seinem Wohnsitz in Köln auf Zahlung. Thomas erhebt vor dem Amtsgericht Köln Drittwiderklage gegen den Zahnarzt mit der Feststellung, dass dem Zahnarzt aufgrund der Falschbehandlung keine Forderung zustehe. Der Zahnarzt aus Regensburg macht insbesondere die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Köln geltend.
a) Parteierweiternde Drittwiderklage
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Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine parteierweiternde Drittwiderklage („aus eins mach zwei“) erhoben werden kann. Der Streit betrifft vor allem die Frage, welche ZPO-Vorschriften auf eine nachträgliche Parteierweiterung heranzuziehen sind. Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht ist die nachträgliche Parteierweiterung eine nachträglich begründete Streitgenossenschaft. Es reicht daher aus, wenn eine rechtliche Beziehung i.S.d. §§ 59, 60 ZPO (Streitgenossenschaft) zwischen Kläger und Drittem besteht.[54] Der BGH verlangt hingegen, dass zusätzlich die Voraussetzungen der Klageänderung (§ 263 ZPO) vorliegen (sog. Klageänderungstheorie).[55] Der Drittwiderbeklagte muss daher entweder in die Widerklage einwilligen oder das Gericht muss die Sachdienlichkeit bejahen (zur Klageänderung Rn. 235 ff.).
b) Isolierte Drittwiderklage
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Eine isolierte Drittwiderklage ist grundsätzlich unzulässig.[56] Nur in seltenen Ausnahmefällen hat der BGH die isolierte Drittwiderklage erlaubt.[57] Zugelassen wird die isolierte Drittwiderklage, wenn sie sich – wie im obigen Beispiel – gegen den Zedenten der Klageforderung richtet und eine enge Verknüpfung der Ansprüche von Klage und Drittwiderklage besteht oder wenn die Ansprüche aus einem einheitlichen Schadensereignis resultieren.
c) Örtliche Zuständigkeit und Drittwiderklage
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Ein besonderes Problem betrifft die örtliche Zuständigkeit. Kann die Drittwiderklage gegen den Dritten nach § 33 ZPO am Gericht der Hauptklage erhoben werden? Dies war lange streitig. Früher vertrat der BGH die Meinung, dass es dem Dritten nicht zugemutet werden könne, vor einem für ihn unzuständigen Gericht verklagt zu werden.[58] Die Gegenmeinung wendet dagegen § 33 ZPO analog an.[59] Dieser Meinung hat sich BGH nun für den Fall einer isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten angeschlossen.[60] Dieser habe durch die Abtretung der Forderung die komplizierte Prozesssituation ausgelöst, so dass es ihm zumutbar sei, sich vor dem Gericht der Klage auf eine Verteidigung einzulassen.
Beispiel
Ist die Drittwiderklage gegen den Zahnarzt im obigen Beispiel zulässig? Die Drittwiderklage ist zulässig, wenn die allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen für die Drittwiderklage vorliegen. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, ordnungsgemäße Klageerhebung) sind gegeben. Fraglich ist aber, ob das AG Köln für die Widerklage örtlich zuständig ist. Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit war streitig, ob § 33 ZPO gegenüber dem Dritten eine besondere Zuständigkeit begründet. Der BGH verneinte dies früher. Danach war das AG Köln für die Drittwiderklage nur zuständig, wenn ein allgemeiner (§§ 12 ff. ZPO) oder besonderer Gerichtsstand (z.B. § 32 ZPO) vorlag oder durch rügelose Einlassung (§ 39 ZPO) begründet wurde. Die Drittwiderklage wäre danach nur zulässig, wenn der Zahnarzt seinen Firmensitz (§ 17 ZPO) in Köln hätte oder die Klage im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) erhoben wurde. Da der Zahnarzt in Regensburg residiert und Thomas auch dort behandelt wurde, wäre keine Zuständigkeit für das AG Köln gegeben. Diese (strenge) Auffassung hat der BGH (NJW 2011, 460) zwischenzeitlich aufgegeben. Mittlerweile wendet er für die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten (Zahnarzt) § 33 ZPO analog an. Die Gewährung eines besonderen Gerichtsstands für die Drittwiderklage begründet der BGH damit, dass der Zahnarzt ohne Abtretung der Forderung Thomas in Köln hätte verklagen müssen und auch dort mit einer Widerklage hätte rechnen müssen. Daher gebiete es die Waffengleichheit, den besonderen Gerichtsstand des § 33 ZPO (analog) für die Drittwiderklage zu bejahen. Somit kann das AG Köln über die Drittwiderklage gegen den Regensburger Zahnarzt entscheiden.
4. Schema Widerklage
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Widerklage
1. Teil:Die Klage
I.Zulässigkeit der Klage
II.Begründetheit der Klage
2. Teil:Die Widerklage
I.Zulässigkeit der Widerklage
1.Allgemeine Prozessvoraussetzungen
a)Gerichtsbezogene
aa)sachliche Zuständigkeit
–keine Streitwertzusammenrechnung § 5 Hs. 2 ZPO
–Streitwert der Widerklage höher als 5000 €: § 506 ZPO
bb)örtliche Zuständigkeit
–zunächst §§ 12 ff. ZPO
– dann ggf. § 33 ZPORn. 196 f.
b)Parteibezogene Prozessvoraussetzungen
c)Streitgegenstandsbezogene Prozessvoraussetzungen
aa)ordnungsgemäße Klageerhebung
§ 261 Abs. 2 ZPO: Erhebung in mündlicher Verhandlung möglich
bb)keine anderweitige Rechtshängigkeit
2.Besondere Prozessvoraussetzungen der Widerklage
a)Rechtshängigkeit der Hauptklage