Verteidigung in der Hauptverhandlung. Klaus Malek
Fußfesselung ausreichend entgegen wirken. Sie lässt dem Angeklagten zumindest auch die Möglichkeit, schriftliche Unterlagen zu benutzen und sich Notizen über den Prozess zu machen. Der Vorsitzende, der dies untersagt, riskiert bei entsprechendem Widerspruch des Verteidigers den Revisionsgrund des § 338 Nr. 8.
Hinweis
Hält der Verteidiger die Voraussetzungen einer Fesselung nicht für gegeben und macht das Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung keine Anstalten, die Abnahme der Fesseln anzuordnen, so ist es angebracht, den Vorsitzenden zunächst hieran zu erinnern. Weigert sich dieser, so ist hiergegen gemäß § 238 Abs. 2 ein Gerichtsbeschluss herbeizuführen, da die Anordnung der Fesselung während der Hauptverhandlung eine Maßnahme der Verhandlungsleitung darstellt. Da die Fesselung nicht nur eine Entwürdigung des Angeklagten darstellt, sondern diesen auch in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beschränken kann, sollte der Verteidiger diese Gesichtspunkte in die Begründung seines Widerspruchs aufnehmen und, je nach der Begründung der Gerichtsentscheidung, auch die Ablehnung wegen Befangenheit in Erwägung ziehen.
Anmerkungen
Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 1520.
BGBl. I, 2274.
BVerfG B. v. 3.8.2011, HRRS 2011, Nr. 983.
BT-Drucks. 16/11644, S. 24.
Meyer-Goßner/Schmitt § 119 Rn. 23; OLG Dresden NStZ 2007, 479.
Vgl. Hoffmann/Wissmann StV 2001, 706.
OLG Koblenz StV 1989, 467.
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › VI. Probleme mit der Amtstracht des Verteidigers
VI. Probleme mit der Amtstracht des Verteidigers
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Suaviter in modo, fortiter in re!Es gilt zähe Ausdauer mit gefälliger Form zu verbinden.(Jaques Ueber die Aufgabe der Vertheidigung in Strafsachen, 1873, S. 17) |
Gemäß § 20 BORA hat der Verteidiger vor Gericht die Amtstracht zu tragen. Weigert er sich, riskiert er nach herrschender Meinung in Anwendung des § 176 GVG für die betreffende Sitzung als Verteidiger zurückgewiesen zu werden.[1] Zur Amtstracht gehört zwar die schwarze Robe,[2] nicht jedoch der berühmte „weiße Quer- oder Längsbinder“,[3] da dieser in der Berufsordnung keine Erwähnung findet. Die Ableitung der Krawattenpflicht des Verteidigers aus einem angeblichen bundeseinheitlichen Gewohnheitsrecht[4] dürfte, nachdem der Gesetzgeber die Regelung der Berufstracht in § 59b BRAO der Satzungsversammlung der Rechtsanwälte überantwortet hat, nicht mehr vertretbar sein.[5] Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Verteidigers gegen die auf das Nichttragen einer Krawatte gestützte gerichtliche Zurückweisung in der Hauptverhandlung mit der Begründung zurückgewiesen, der behaupteten Grundrechtsverletzung (Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG) komme kein besonderes Gewicht zu. Um zukünftig Ähnliches zu vermeiden, möge er einfach eine Krawatte anlegen.[6] Dass farbige Krawatten und Hemden in der Hauptverhandlung zum Stein des Anstoßes werden, ist heute selten.[7] In „dezenter Ausführung“ gewählt, werden diese selbst vom OLG München mittlerweile als angemessen angesehen.[8] Mit der Stellung eines Verteidigers „vor bayrischen Strafgerichten“ soll es jedoch nicht vereinbar sein, wenn der Rechtsanwalt mit weißem T-Shirt unter offener Robe auftritt; dieser könne daher nach § 176 GVG zurückgewiesen werden.[9] Dem tritt Weihrauch zu Recht und mit durchgreifenden Argumenten entgegen, gibt allerdings gleichzeitig zu bedenken, ob ein Verteidiger ohne Hemd, der zu Lasten seines Mandanten sein Ausscheiden aus dem Verfahren in Kauf nimmt, sich auch angemessen und klug verhält.[10] Ob man so streng sein muss, dem Verteidiger die von manchem Richter und Staatsanwalt gepflegte „Unsitte“ des Tragens von Jeans (die es durchaus in hochwertiger Qualität gibt) zu verbieten und nur den Anzug (oder Sakko) für den Herrn und das Kostüm für die Dame zuzulassen,[11] ist jedenfalls nicht zwingend. Am Ende dürfte es aber doch eher im Interesse des Mandanten liegen, sich lieber in Modefragen konziliant zu zeigen und in der Sache hart zu verhandeln, als umgekehrt. Wer in Formfragen nachgibt, „wenn's der Wahrheitsfindung dient“, geht allemal zumindest als moralischer Sieger vom Feld.
Anmerkungen
Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 176 GVG Rn. 11 m.w.N.
So auch schon BVerfGE 28, 21.
A.A. jedoch OLG München StV 2007, 27 und Dahs Handbuch, Rn. 502, der den Kolleginnen alternativ ein weißes Halstuch gestatten will; zweifelnd Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 865, der darauf hinweist, dass die Berufsordnung diese nicht vorschreibt.
So OLG München StV 2007, 27.
So zu Recht Weihrauch StV 2007, 28; bereits OLG Zweibrücken NStZ 1988, 144 hatte die Zurückweisung des ohne Krawatte auftretenden Verteidigers als unzulässig angesehen; vgl. auch Beulke FS Hamm, S. 21 ff.; Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 2683.
BVerfG NJW 2012, 2570; zustimmend Barton Einführung in die Strafverteidigung § 5 Rn. 36.
Dahs Handbuch, Rn. 502 hält ein kariertes Hemd vor dem BGH jedenfalls für unter dem einzuhaltenden Niveau.
OLG München StV 2007, 27.
OLG München StV 2007, 27.
Weihrauch StV 2007, 28, 29; ebenso Beulke FS Hamm, S. 21 ff.
So jedenfalls Klemke/Elbs Rn. 796.