Insolvenzstrafrecht. Gerhard Dannecker

Insolvenzstrafrecht - Gerhard Dannecker


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mit fremden Mitteln gewirtschaftet hat und ihn insoweit eine gesteigerte Pflicht trifft.[19] Darüber hinaus besteht eine lange Tradition im Insolvenzstrafrecht, auch die fahrlässige Begehungsweise zu bestrafen.[20]

      Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und InsolvenzstrafrechtsF. Verzahnung von Insolvenzrecht und Insolvenzstrafrecht › II. Wahrheitsermittlung und Selbstbelastungsfreiheit

II. Wahrheitsermittlung und Selbstbelastungsfreiheit

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      Das Prinzip der Selbstbelastungsfreiheit („nemo tenetur se ipsum accusare“) bedeutet, dass den Angeklagten keine Pflicht trifft, das Gericht bei der Sachverhaltsaufklärung zu unterstützen,[21] er genießt Aussagefreiheit (vgl. §§ 136, 163a, 243 Abs. 4 StPO).

      Dieser Grundsatz ist allgemein anerkannt[22] und explizit in Art. 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966[23] geregelt, der über Art. 59 GG nationales Recht im Rang einfachgesetzlichen Bundesrechts geworden ist. Zwar hat er weder im Grundgesetz selber noch in der StPO[24] einen expliziten Niederschlag gefunden, wird allerdings in der Rechtsprechung als „selbstverständlich vorausgesetzter rechtsstaatlicher Grundsatz“[25] bezeichnet, der aus der Achtung der Menschenwürde resultiere. Die Literatur sieht die verfassungsrechtliche Grundlage des nemo-tenetur-Grundsatzes überwiegend in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip begründet.[26] Entsprechend ist auch der Einsatz von Zwangsmitteln gegen den Beschuldigten mit dem Ziel, ihn zu einer aktiven Mitwirkung an seiner eigenen Strafverfolgung zu bewegen, verboten (§ 136a StPO).

      Ein Ausfluss aus dem Prinzip der Selbstbelastungsfreiheit sind die strafprozessualen Regelungen, die es verbieten, bestimmte Beweise gegen den Angeklagten zu verwerten oder sie überhaupt zu erheben.

2. Beweisverbote

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      Im Insolvenzstrafrecht gelten dieselben Beweisverbote wie im allgemeinen Strafrecht. Unter Beweisverboten sind Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote zu verstehen. Zu den Beweiserhebungsverboten gehören die Beweisthemaverbote (z. B. die Aufklärung bereits getilgter Vorstrafen gem. § 51 Abs. 1 BZRG), die Beweismittelverbote (z. B. ein Zeuge, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. StPO Gebrauch macht) und die Beweismethodenverbote (z. B. der Einsatz verbotener Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO).[27]

b) Besonderheiten im Insolvenzstrafrecht

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      Eine zentrale Entscheidung zur Selbstbelastungsfreiheit und den daraus resultierenden Beweisverboten ist der so genannte Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.1.1981.[28] In diesem Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass den Gemeinschuldner auch dann die Pflicht zur Aussage gegenüber dem Konkursverwalter nach der Vorschrift des (damaligen) § 100 KO trifft, wenn er damit strafbewehrte Handlungen offenbaren muss. Diese Pflicht verletze auch nicht das Selbstbezichtigungsverbot: Im Gegensatz zu Zeugen, Prozessbeteiligten und Beschuldigten, denen stets ein Schweigerecht für den Fall einer Selbstbezichtigung zugebilligt werde, gehöre der Gemeinschuldner zu den Personen, die aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses verpflichtet sind, anderen diese notwendige Informationen zu erteilen.[29] Der entscheidende Unterschied zu den Personengruppen mit einem umfassenden Schweigerecht bestehe darin, dass sich hier nicht Selbstbelastungsfreiheit und staatliche Strafverfolgungsinteressen gegenüberstehen, sondern ein Schweigerecht des Auskunftspflichtigen in dieser Konstellation mit dem berechtigten Informationsbedürfnis anderer kollidiere, welches nur durch den Auskunftspflichtigen bedient werden könne.[30]

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      Der Gemeinschuldner ist daher aufgrund seiner umfassenden Pflichten gegenüber den Gläubigern in der Konkurs- bzw. Insolvenzsituation zunächst uneingeschränkt auskunftspflichtig. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht daneben die Ergänzung der Auskunftspflicht durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot betont, da dem Gemeinschuldner im Strafverfahren die Selbstbelastungsfreiheit zur Seite stehe und seine selbstbelastende Aussage daher nicht „gegen seinen Willen zweckentfremdet und (außerhalb des Insolvenzverfahrens) der Verwertung für eine Strafverfolgung zugeführt“ werden dürfe.[31] Die Verwertung einer derartigen erzwungenen Aussage sei unzulässig.

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      Diesen Anforderungen hat der Gesetzgeber nunmehr in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO explizit Rechnung getragen. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 InsO hat der Schuldner dem Insolvenzverwalter, dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss selbständig[32] Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen.[33] Umfasst sind gem. § 97 Abs. 1 S. 2 InsO auch die Tatsachen, die geeignet erscheinen, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Kommt der Schuldner seinen Auskunftspflichten nicht nach, so ist die Anordnung von Beugehaft nach § 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO möglich.[34]

      Durch § 97 Abs. 1 S. 3 InsO wird dem nemo-tenetur-Grundsatz Rechnung getragen, indem dort bestimmt wird, dass die im Rahmen der Auskunftspflicht gemachten Angaben nicht im Strafverfahren verwendet werden dürfen – es sei denn, der Schuldner stimmt der Verwendung zu. Die Möglichkeit der Zustimmung des Schuldners zur Verwendung seiner Auskünfte zu eigenem strafrechtlich relevantem Verhalten erscheint allerdings bei lebensnaher Betrachtung eher unwahrscheinlich.

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      Während aus dem Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts nach allgemeiner Meinung lediglich ein Verwertungsverbot resultierte,[35] dieses Verbot aber nicht Beweismittel umfasste, die erst mittelbar, aufgrund der Angaben des Schuldners, erhoben werden konnten,[36] erscheint die Reichweite des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO zumindest unklar.[37] Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum erblickt in dem Wort „verwenden“ ein Indiz für ein umfassendes Verwendungsverbot des Inhalts, dass „auch solche Tatsachen, zu denen die Auskunft des Schuldners nur den Weg gewiesen hat, nicht verwertet werden dürfen“.[38] Die Vertreter dieser Ansicht haben den Wortlaut der Begründung zu § 109 Abs. 1 des Entwurfs der Bundesregierung zur InsO, der wortgleich mit § 97 Abs. 1 InsO ist, auf ihrer Seite.[39] Auch das LG Stuttgart nimmt in einer Entscheidung vom 21.7.2000,[40] die sich, soweit ersichtlich, erstmalig zur Reichweite des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO verhält, Bezug auf den Wortlaut: Aus der Tatsache, dass in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO von „verwenden“ und nicht wie in § 100 KO von „verwerten“ die Rede sei, ergebe sich eindeutig eine gesetzgeberisch intendierte Fernwirkung.[41]

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      Streitig ist in diesem Kontext, ob § 97 Abs. 1 S. 3 InsO die Begründung des Anfangsverdachts verbietet und ob er des Weiteren Grundlage für ein weitreichendes Beweiserhebungsverbot sein kann.[42] Diese Frage wird virulent in der Konstellation der Durchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen beim Insolvenzverwalter. Das LG Potsdam hat in seinem Urteil vom 8.1.2007[43] zunächst klargestellt, dass ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO hinsichtlich der beim Insolvenzverwalter befindlichen Unterlagen mangels Verschwiegenheitspflicht des Insolvenzverwalters[44] nicht bestehe und eine Durchsuchung – unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme – nach §§ 103, 105 StPO möglich ist.[45] Das LG Ulm hat in seinem Beschluss vom 15.1.2007[46] darüber hinaus entschieden, dass § 97 Abs. 1 S. 3 InsO jedenfalls kein allgemeines Beschlagnahme- oder Durchsuchungsverbot konstituiert.[47] Im


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