Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
Beispiele:
In Betrieb ist ein Kfz bereits dann, wenn es auf die Straße geschoben wird. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob der Motor durch das Anschieben in Gang gesetzt oder zum Anfahren ein günstigerer Standort erreicht werden soll.[14]
14
Gerät auf abschüssiger Straße bei stillstehendem Motor ein abgestelltes Kfz in Bewegung, so befindet es sich in Betrieb. Ebenso, wenn durch einen Anstoß der noch warme Dieselmotor anspringt und das Kfz sich führerlos in Bewegung setzt.[15]
15
Ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes, haltendes oder parkendes Kfz befindet sich in Betrieb. Dies gilt solange, bis die durch das Halten/Parken bestehende Gefahrenlage beseitigt ist (s. Rn. 145 ff.). Dasselbe gilt auch für ein im öffentlichen Verkehrsraum liegen gebliebenes Kfz[16]. Der Betrieb endet mit der Entfernung des Kfz aus dem öffentlichen Verkehrsbereich[17].
16
Wird durch vorsätzliches Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Fahrzeugs ein anderes Fahrzeug beschädigt, führt dies allein nicht zu einer Haftung des Halters des in Brand gesetzten Fahrzeugs, weil sich darin nicht dessen Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG verwirklicht hat. Für eine Haftung muss hinzukommen, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht.[18]
17
Der am Straßenrand abgestellte Anhänger befindet sich auch dann noch im „Betrieb der Zugmaschine“, wenn die Trennung von der Zugmaschine nicht nur vorübergehend ist. Auf die Dauer der Trennung und Zustand der Zugmaschine kommt es nicht an.[19] Nach § 7 Abs. 1 StVG haftet in einem solchen Fall (auch) der Halter des Anhängers.
18
Ein abgeschlepptes Kfz ist in Betrieb, wenn es noch selbstständig gelenkt und gebremst werden kann. Seine Betriebsgefahr geht nicht in der des abschleppenden Kfz unter.[20] Kann es nicht mehr gebremst und gelenkt werden, haftet der Abschleppende[21].
19
Fallen beförderte Gegenstände (Kisten, Fässer, Steine) von dem Kfz, so sind die hierdurch (auch später) eingetretenen Schäden dem Betrieb zuzurechnen.[22]
20
Verliert ein Anhänger während der Fahrt Ladegut oder einen Ersatzreifen, so ist ein hierauf zurückzuführender Unfall dem Betrieb der Zugmaschine zuzurechnen.[23] Gemäß § 7 Abs. 1 StVG haftet in diesen Fällen auch der Halter des Anhängers.
21
Springt ein Hund nach einem Verkehrsunfall aus dem Kfz und verursacht er hierdurch einen weiteren Unfall, so ist auch dieser Schaden auf den Betrieb des verunfallten Kfz zurückzuführen.[24] War jedoch das Kfz auf einer dem Verkehr nicht dienenden Fläche (z.B. Hofraum) abgestellt und tritt ein Schaden durch ein abzuladendes und entlaufenes Schaf ein, so ist der Schaden nicht beim Betrieb, sondern beim Gebrauch des Kfz eingetreten.[25]
22
Selbst ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion kann dem Betrieb eines Fahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat.[26] Dabei ist nicht erforderlich, dass die vom Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich für ihn als einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden. Die Frage, ob die Ausweichreaktion notwendig oder aber wenigstens subjektiv vertretbar war, ist in den Fällen, in denen es nicht zur Berührung mit einem anderen Kraftfahrzeug gekommen ist, unerheblich.[27]
d) Abgrenzung zwischen Betrieb und Gebrauch eines Kfz
23
Die Gefährdungshaftung des § 7 StVG tritt ein, wenn sich ein Unfall beim Betrieb eines Kfz ereignet hat.[28] Weitergehend als der Betriebsbegriff ist der deckungsrechtliche Begriff des Gebrauchs (A.1.1 AKB 2015/2008; § 10 AKB-alt). Der Gebrauch des Fahrzeugs umfasst den Betrieb des Kfz. Für Schäden, die bei Gebrauch, nicht aber beim Betrieb des Kfz bzw. Anhängers eintreten, besteht eine Haftung nur bei Verschulden des Halters aus § 823 BGB bzw. des Fahrers aus §§ 18 StVG, 823 BGB.
24
Unter Gebrauch des Kfz ist jeder Vorgang und jede Handlung zu verstehen, die mit dem Verwendungszweck des Kfz oder seiner Einrichtungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Auch der Einsatz des Kfz als Arbeitsmaschine fällt unter den Begriff Gebrauch. Liegt kein Gebrauch des Kfz/Anhängers vor, ist der Versicherer nicht eintrittspflichtig. In diesen Fällen kann Deckung über eine private Haftpflicht- bzw. Betriebshaftpflicht bestehen. Ausführlich zum Gebrauch s. Kap. 16 Rn. 14 ff.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › I. Gefährdungshaftung › 3. Haftung des Kfz-Halters
3. Haftung des Kfz-Halters
25
Die nachfolgenden Ausführungen zum Halter eines Kfz gelten sinngemäß für den Halter eines Anhängers.
a) Halter i.S.d. § 7 StVG
26
Halter eines Kfz ist, wer das Kfz für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die einen solchen Gebrauch voraussetzt.[29] Derjenige hat das Kfz in Gebrauch, der die Nutzung aus dem Betrieb zieht und die Kosten des Betriebes bestreitet. Kosten des Betriebes sind Ausgaben für Steuern und Versicherungen, Treibstoff, Reparaturen, ferner die Abschreibung für Abnutzung und Verzinsung des Anschaffungspreises. Der Umstand, dass ein Kfz auf den Namen einer Person zugelassen und haftpflichtversichert ist, hat für die Frage der Haltereigenschaft keine ausschlaggebende Bedeutung, ebenso nicht das Eigentum[30]. Die Haltereigenschaft endet, wenn dem Halter die tatsächliche Möglichkeit, den Einsatz des Kfz zu bestimmen, also die Verfügungsgewalt, für eine nicht nur vorübergehende Zeit entzogen wird.[31] Der Vater bleibt aber Halter des Gokarts, welches er seinem 9-jährigen Sohn schenkt, wenn er weiterhin die alleinige Verfügungsgewalt darüber ausübt, alle Kosten trägt und bei allen Fahrten des Sohnes dabei ist.[32]
27
Bestreiten mehrere Personen die Betriebskosten, so können sie gemeinsam Halter sein. Die Haltereigenschaft mehrerer kann aber nur dann angenommen werden, wenn bei jedem alle für die Haltereigenschaft wesentlichen Merkmale im Zeitpunkt des Unfalls vorlagen.[33] Benutzen Eheleute ein Kfz zur gemeinsamen Berufsausbildung, so sind beide Halter.[34]
28
Stellt der Fiskus einem Beamten ein behördeneigenes Kfz zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung und erlaubt ihm, dieses auch zu Privatfahrten zu verwenden, können beide Halter sein.[35] Verursacht ein Beamter mit seinem Pkw auf einer „Dienstfahrt“ einen Unfall, so kann er als Halter in Anspruch genommen werden, auch wenn die Haftung aus Amtspflichtverletzung