Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
dass ihn an dem Unfall keinerlei Verschulden trifft (s. Rn. 57 f.).
Mit der am 21.6.2017 in Kraft getretenen Änderung des StVG (BGBl 2017 I, 1648) haben erstmalig spezifische Regelungen für Kraftfahrzeuge mit hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen Eingang in das deutsche Straßenverkehrsrecht gefunden (§§ 1a bis c und 63a StVG). An den Grundsätzen des Haftungssystems ändert sich vorerst nichts.
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Der Gefährdungshaftung unterliegen alle „Kraftfahrzeuge“, die aufgrund ihrer konstruktiven Beschaffenheit auf ebener Bahn eine höhere Geschwindigkeit als 20 km/h erzielen können (s. Rn. 7 ff.), sowie alle Anhänger, die dazu bestimmt sind, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden. Die Haftung des Anhängerhalters greift auch ein, wenn der Anhänger nicht mehr mit der Zugmaschine verbunden ist, sich aber gleichwohl noch in Betrieb befindet. Wegen weiterer Einzelheiten s. Rn. 40.
Auch der Führer des Anhängers haftet gemäß § 18 Abs. 1 StVG aus vermutetem Verschulden, s. Rn. 59 ff.
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Die Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG tritt dann ein, wenn durch einen Unfall beim Betrieb eines Kfz oder eines Anhängers ein „Dritter“ einen Schaden erleidet. Der Gefährdungshaftung unterliegen nicht Schäden, die sich beim Gebrauch eines Kfz bzw. eines Anhängers, aber nicht bei dessen Betrieb (s. Rn. 23 ff.), ereignen. In diesen Fällen ist eine Haftung nur bei Verschulden (s. Rn. 78 ff.) gegeben.
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Die Gefährdungshaftung des Halters nach § 7 Abs. 2 StVG entfällt nur bei „höherer Gewalt“, s. Rn. 34[1].
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Im Verhältnis der Halter zueinander (Innenverhältnis) ist ein Halter nicht zum Innenausgleich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG verpflichtet, wenn der Unfall für ihn durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs, noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht, s. Rn. 320 ff.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › I. Gefährdungshaftung › 2. Kraftfahrzeuge
a) Kfz i.S.d. StVG
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Nach § 1 Abs. 2 StVG sind Kraftfahrzeuge durch Maschinenkraft angetriebene, nicht an Bahngleise gebundene Landfahrzeuge. Der Antrieb kann durch Treibstoff, Gas, Elektrizität usw. erfolgen. Kfz sind z.B. auch Fahrräder mit Hilfsmotor, Rasenmäher mit Motor und Sitzgelegenheit[2], elektrische „Oberleitungsbusse“[3] und selbstfahrende Arbeitsmaschinen[4]. Auch ein mit Benzinmotor angetriebener bis zu 40 km/h schneller Gokart ist ein Kfz[5].
Bei Elektrofahrrädern ist zwischen solchen zu unterscheiden, deren Antrieb den Fahrer beim Treten nur unterstützt (Pedelecs), und solchen, die sich auch ohne Treten fahren lassen (E-Bikes). Pedelecs ohne wie auch mit Anfahrhilfe, die eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h mit Treten erreichen, sind wie Fahrräder zu behandeln und damit keine Kraftfahrzeuge. Sogenannte schnelle Pedelecs, die eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h ohne Treten und 45 km/h mit Treten erreichen, sind dagegen ebenso wie alle E-Bikes als Kraftfahrzeuge mit der Folge anzusehen, dass sie ein Versicherungskennzeichen führen müssen.
Segways, einachsige Fahrzeuge mit zwei elektrisch angetriebenen Rädern und dazwischen eine Plattform, auf der der Fahrer steht, sind jedenfalls dann als Kraftfahrzeuge i.S.v. § 7 StVG anzusehen, wenn sie tatsächlich schneller als 20 km/h fahren können, und unterliegen dann auch der Versicherungspflicht.
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Unter welchen Voraussetzungen Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen in Betrieb genommen werden dürfen, richtet sich seit dem 1.3.2007 nach der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV). Die FZV gilt gemäß § 1 für die Zulassung von Kraftfahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h und die Zulassung ihrer Anhänger. Nach der Grundregel des § 3 Abs. 1 FZV dürfen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind. Die Zulassung wird auf Antrag erteilt, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist und eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung gemäß Pflichtversicherungsgesetz besteht. Die Zulassung erfolgt durch Zuteilung eines Kennzeichens und der Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung. § 4 FZV regelt die Inbetriebsetzung zulassungsfreier Fahrzeuge, die in § 3 Abs. 2 FZV aufgeführt sind.
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Anhänger sind keine Kfz. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 1 Abs. 2, 8 StVG[6]. Für Schäden, die während der Fahrt an einem geliehenen Anhänger auftreten, braucht der Halter nicht nach § 7 aufzukommen.[7]
b) Der Gefährdungshaftung nicht unterliegende Kfz
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Nach § 8 Alt. 1 StVG unterliegen nicht der Gefährdungshaftung Kfz, die auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren können. Das sind nicht nur solche, bei denen eine Überschreitung der 20 km/h-Grenze schon bauartbedingt schlechthin ausgeschlossen ist, sondern grundsätzlich auch Fahrzeuge, bei denen die Bauart an sich eine höhere Geschwindigkeit theoretisch zuließe, deren Erreichen aber durch bestimmte – vom Hersteller angebrachte – Vorrichtungen und Sperren verhindert wird. Der Anwendung des § 8 Nr. 1 Alt. 1 StVG steht nicht schon die Möglichkeit entgegen, durch Veränderungen der konstruktiven Beschaffenheit eines Fahrzeuges mit diesem eine Geschwindigkeit von mehr als 20 km/h zu erzielen. Wird jedoch zur Erhöhung der Geschwindigkeit eine „Manipulation“ an deren Sperrvorrichtung vorgenommen, unterliegen diese Fahrzeuge der StVG-Haftung[8]. Auch der Halter eines Anhängers haftet nicht aus § 7 StVG, wenn er im Unfall-Zeitpunkt mit einem Kfz verbunden war, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann (§ 8 Nr. 1 Alt. 2 StVG).
c) Betrieb des Kfz i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG
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Der Halter haftet im Rahmen des StVG, wenn im öffentlichen Verkehrsbereich beim Betrieb des Kfz ein Schaden verursacht worden ist.
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Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadengeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist.[9] Diese muss in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebseinrichtung oder einem bestimmten Betriebsvorgang stehen.[10] Es muss sich um einen Vorgang handeln, bei dem eine Gefahr geschaffen wird, die von einem fahrenden oder im öffentlichen Verkehrsbereich stehenden Kfz in seiner Eigenschaft als eine dem Verkehr dienende Maschine ausgeht.[11] Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sich die maschinelle Arbeitsweise des Motors ausgewirkt hat.[12] Ebenso wenig kommt es darauf