Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
ein Vertreter einer Firma auf eigene Kosten ein Kfz, so ist nur dieser Halter. Anders ist es, wenn die Firma die Kosten trägt[37].
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Neben dem Vermieter kann der Mieter eines Kfz Halter sein, wenn er es für eigene Zwecke in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt. Kurzfristige Anmietung reicht hierzu nicht aus.[38]
Bei Leasing-Verträgen ist i.d.R. wegen langfristiger „Mietzeit“ und fehlender Verfügungsgewalt des Leasinggebers der Leasingnehmer Halter.[39]
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Bringt der Halter sein Kfz in eine Kfz-Werkstatt, so geht die Haltereigenschaft nicht auf diese über. Für Unfälle anlässlich einer Probefahrt oder während des Abholens oder Zurückbringens des Kfz durch einen Werkstattangehörigen haftet der Halter nach § 7 Abs. 1 StVG, der Fahrer nach § 18 StVG, die Werkstatt u.U. nach § 831 BGB.
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Übergibt ein Kfz-Händler einem Kaufinteressenten ein Kfz zur Probefahrt, bleibt er Halter.[40] Das Gleiche gilt bei einer Überführungsfahrt vom Werk zum Kunden, es sei denn, dass der Käufer das Kfz selbst abholt.[41] Ein Gebrauchtwagenhändler ist nicht verpflichtet, bei Aushändigung des Kfz an einen Kaufinteressenten zum Zwecke einer Probefahrt dessen Personalien festzuhalten und zu vermerken. Er kann nicht nach § 823 BGB für die vom Kaufinteressenten verursachten Schäden verantwortlich gemacht werden.[42]
b) Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG
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Die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst Sach- und Personenschäden. Gemäß § 253 Abs. 2 BGB besteht auch im Rahmen der Halterhaftung (Gefährdungshaftung) ein Anspruch auf Schmerzensgeld (s. Rn. 51). Die Haftung entfällt, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird (s. Rn. 34).
c) Haftung des Halters bei höherer Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG)
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Nach § 7 Abs. 2 StVG ist die Ersatzpflicht des Halters ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
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Ziel des Gesetzgebers ist dabei, dass der Halter eines Kfz oder Anhängers unabhängig von Sorgfalts- und damit von Verschuldensgesichtspunkten für die Betriebsgefahr eintreten muss, wie es der Gefährdungshaftung von ihrem Wesen her auch entspricht. Die Ersetzung des unabwendbaren Ereignisses durch höhere Gewalt soll vor allem den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern – insbesondere Kindern – zugutekommen.[43]
Nach der für das Haftpflichtgesetz ergangenen Rechtsprechung ist höhere Gewalt ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.[44] Der Rechtsprechung ist überlassen, ob diese Definition uneingeschränkt auf den Straßenverkehr übertragbar ist und welche Fälle als höhere Gewalt anzusehen sind. Soweit der Begriff der höheren Gewalt eine Sorgfaltskomponente enthält, sind hier höchste Anforderungen zu stellen. Nicht gefordert ist „jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt“ (s. Rn. 326), sondern die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt. Dies bedeutet, dass man im Winter z.B. überall mit Glatteis (Blitzeis) rechnen muss, auch wenn die Straße noch frei erscheint, dass sich ein Fahrer auf Naturgewalten (z.B. Sturm) einstellt, ggf. auf das Fahrzeug als Fortbewegungsmittel verzichtet. Auch mit dem Fehlverhalten anderer, insbesondere mit dem von Kindern, ist stetig zu rechnen.
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Unter Berücksichtigung der dargestellten Ziele des Gesetzgebers wird höhere Gewalt im Straßenverkehr nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen.
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Das vorsätzliche Inbrandsetzen des auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeugs durch Dritte ist nach derzeitigem Sachstand kein Fall höherer Gewalt[45] (s. auch Rn. 16).
Wird ein den an einer Bushaltestelle vorbeiführenden Radweg benutzender Radfahrer unvermittelt von einem dort wartenden Schüler infolge Unachtsamkeit so angestoßen, dass er zu Fall kommt und von einem gerade wieder anfahrenden Bus überfahren wird, so stellt dieses Ereignis für den Halter des Busses keine höhere Gewalt dar.[46]
Höhere Gewalt liegt mangels betriebsfremden, von außen kommenden Ereignisses auch nicht vor, wenn beim Betrieb eines Kfzs Steine aufgeschleudert werden, durch die eine Person verletzt oder ein anderes Kfz beschädigt wird.[47]
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Haftet der Halter aus § 7 Abs. 1 StVG, weil höhere Gewalt nicht vorliegt, kann den Geschädigten über §§ 9 StVG, 254 BGB ein Mitverschulden treffen (Rn. 294).
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Wird ein Unfall durch mehrere Kfz verursacht, gilt für den Innenausgleich der beteiligten Halter § 17 StVG. Im Innenverhältnis ist ein Halter nicht zum Ersatz verpflichtet, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, § 17 Abs. 3 StVG (Rn. 320 ff., 388 ff.). Insoweit ist die zu § 7 Abs. 2 StVG a.F. ergangene Rechtsprechung heranzuziehen.[48]
d) Besonderheiten bei der Haftung des Halters eines Anhängers
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Anhänger i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG sind solche, die dazu bestimmt sind, von einem Kfz mitgeführt zu werden. Andere Anhänger, z.B. von Fahrrädern gezogene, unterfallen wegen des geringeren Gefährdungspotenzials nicht der Halterhaftung. Der Halter des Anhängers haftet nicht nur für mit ziehenden Kfz verbundene Anhänger, sondern auch bei Unfällen durch sich vom Kfz lösende und durch abgestellte Anhänger. Voraussetzung ist, dass der Anhänger in Betrieb ist (vgl. insbesondere Rn. 17, 20).
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Schädigt ein Gespann (Zugmaschine verbunden mit einem Anhänger/Auflieger) einen Dritten, richtet sich der haftungsrechtliche Innenausgleich zwischen dem Halter der Zugmaschine und dem Hängerhalter nach § 17 Abs. 4 StVG. Diese Vorschrift erklärt die Abs. 1-3 für entsprechend anwendbar. Daraus wurde – so auch hier bis zur 24. Auflage – der Schluss gezogen, dass im Regelfall der Halter der Zugmaschine im Innenverhältnis den Schaden des Dritten alleine zu tragen hat. Denn im Standardfall wird der Unfall alleine durch die Zugmaschine bzw. einen Fahrfehler des Fahrers der Zugmaschine verursacht. Die Beteiligung des Hängers erstreckt sich alleine darauf, dass er mitgeführt wurde.
Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat hat jedoch in einem solchen Fall eine Ausgleichspflicht der beteiligten KH-VR (Zugmaschine und Hänger waren bei verschiedenen Gesellschaften versichert) von jeweils 50 % aus Mehrfachversicherung (Doppelversicherung) angenommen.[49]