Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht. Peter Behrens
wenn das sanktionierte Marktverhalten ineffizient ist (und umgekehrt).
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Es ist vor allem die wettbewerbspolitische „Chicago School“, die einen solchen strikt effizienzorientierten Marktergebnistest propagiert. Ausgangspunkt ist die Monopoltheorie: Das Monopol ist durch die Fähigkeit zu Produktionseinschränkungen und Preiserhöhungen gekennzeichnet. Dadurch verfehlt es die Präferenzgerechtigkeit und mindert somit die Effizienz in Höhe des Gesamtwohlfahrtsverlusts (dead weight loss). Allerdings besteht – wie Williamson[55] herausgearbeitet hat – die Möglichkeit, dass ein Monopol gleichzeitig die produktive Effizienz (Kosteneffizienz) erhöht, sofern es Skalenerträge erwirtschaftet. Dann sind die Durchschnittskosten unter Monopolbedingungen (DKm) niedriger als unter Wettbewerbsbedingungen (DKw). Unter Effizienzgesichtspunkten kommt es daher auf eine Abwägung der daraus resultierenden Effizienzgewinne und der Gesamtwohlfahrtsverluste (des dead weight loss) an (sog. Williamson trade-off). Das lässt sich graphisch folgendermaßen veranschaulichen:[56]
Schaubild 19:
Williamson-trade off
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Die Kurve der Durchschnittskosten unter Monopolbedingungen (DKm) liegt unterhalb der Kurve der Durchschnittskosten unter Wettbewerbsbedingungen (DKw). Das führt in wohlfahrtsökonomischer Perspektive dazu, dass zwar einerseits aufgrund der monopolistischen Reduktion der Produktionsmenge von Mw zu Mm (mit der eine Preiserhöhung von Pw zu Pm einhergeht) ein Teil der Konsumenten, die das Produkt bereit wären, zu kostendeckenden Wettbewerbspreisen zu erwerben, es nun zu Monopolpreisen nicht mehr erwerben. Damit entgeht den Konsumenten also ein Teil des unter Wettbewerbsbedingungen möglichen Nutzens (dh die Konsumentenrente). Demgegenüber erhöht sich die Produzentenrente des Monopolisten in Höhe seiner Monopolrente, ohne dass diese jedoch die Minderung der Konsumentenrente ganz ausgleichen könnte. Es entsteht also der bereits weiter oben (Schaubild 15) angesprochene Gesamtwohlfahrtsverlust (dead weight loss). Wenn nun aber der Monopolist aufgrund von Skalenerträgen niedrigere Durchschnittskosten hat als Produzenten unter Wettbewerbsbedingungen hätten, dann entsteht wegen des geringeren Ressourcenverbrauchs für die Herstellung der Produkte zugleich ein Wohlfahrtsgewinn (vgl. Schaubilder 15 und 19). Dieser Gesamtwohlfahrtsgewinn kann im Einzelfall größer sein als der Gesamtwohlfahrtsverlust aufgrund der reduzierten Produktionsmenge. Zwar könnte der Monopolist die Skalenerträge durch Produktionsausweitung bzw. Preissenkung an die Konsumenten weitergeben. Dazu wird er sich aber nur veranlasst sehen, wenn er anderenfalls den Eintritt potentieller Konkurrenten in den Markt befürchten müsste.
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Dieser Gedanke wird von der „Chicago School of Antitrust“ durchaus verallgemeinert und auf sämtliche Verhaltensweisen angewendet, deren Wettbewerbswidrigkeit bzw. Wettbewerbskonformität zu beurteilen ist:[57] Ein bestimmtes Marktverhalten wird hiernach zumindest dann nicht als wettbewerbsbeschränkend qualifiziert, wenn es zur Ausdehnung der Produktion bzw. zur Senkung der Preise führt. Aber selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, wird der Aspekt der Kosteneffizienz betont: Eine Unternehmensstrategie, die Skalenerträge mit sich bringt, ist hiernach selbst dann nicht als wettbewerbsbeschränkend anzusehen, wenn sie im Einzelfall aufgrund von Produktionseinschränkungen oder Preiserhöhungen mit Effizienzeinbußen (in Höhe des dead weight loss) verbunden ist, sofern nur die Wohlfahrtsverluste durch Wohlfahrtsgewinne aufgrund von Kostenvorteilen der Unternehmen mehr als wettgemacht werden. Die Tatsache, dass die Kostenvorteile zwar für die Gesamtgesellschaft einen Effizienzgewinn bedeuten, dieser jedoch zunächst einmal allein dem Monopolisten bzw. den Unternehmen zugutekommt, die den Wettbewerb beschränken, ist im Analyserahmen der Wohlfahrtsökonomik irrelevant. Vom Aspekt der Verteilung auf Konsumenten und Produzenten wird bewusst abgesehen, weil Verteilungsfragen als normative Fragen außerhalb der positiven ökonomischen Analyse liegen und weil die Wohlfahrtstheorie einen Nutzenvergleich zwischen Personen bzw. Gruppen ohnehin für prinzipiell ausgeschlossen hält.
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Dennoch wird dieser Ansatz von der Chicago School als Konsumentenwohlfahrtsmodell (consumer welfare model) propagiert, obwohl es sich in Wahrheit um ein Gesamtwohlfahrtsmodell handelt.[58] Die Veränderung der Gesamtwohlfahrt als Maßstab für die Beurteilung von Marktverhalten basiert auf dem in der Wohlfahrtökonomik von Kaldor und Hicks entwickelten Kriterium, welches für die Feststellung einer Wohlfahrtssteigerung genügen lässt, dass diejenigen, deren Wohlfahrt durch eine Maßnahme erhöht wird, diejenigen, die eine Wohlfahrtsminderung erleiden würden, hypothetisch kompensieren könnten und dann immer noch einen Gewinn hätten.[59] Auf eine tatsächliche Kompensation kommt es nicht an. Abgestellt wird also auf die Gesamtwohlfahrt von Produzenten und Konsumenten insgesamt: Sofern die Vorteile der Unternehmen aufgrund der zu beurteilenden Geschäftspraxis (Produzentenrente) größer sind als die Nachteile für die Konsumenten (Konsumentenrente), könnten die Unternehmen die Konsumenten etwa durch eine Ausgleichszahlung kompensieren. Somit läge insgesamt eine Wohlfahrtssteigerung vor. Ob die Konsumenten tatsächlich kompensiert werden, ist allerdings irrelevant.
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Gegen die Verwendung des Effizienzkriteriums (im Sinne des Gesamtwohlfahrtsmodells) zur Beurteilung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen im konkreten Einzelfall sind Einwände zu erheben. Sie beziehen sich zum einen auf die mangelnde Eindeutigkeit des Effizienzkriteriums selbst, zum anderen auf die bereits weiter oben erläuterten prinzipiellen Bedenken gegen einen solchen Marktergebnistest wegen der Unmöglichkeit, von der (produktiven) Effizienz des konkreten Marktverhaltens eines Unternehmens auf die (allokativen oder dynamischen) Effizienzwirkungen auf der Ebene des Wettbewerbssystems als Ganzen zu schließen (siehe dazu oben Rn. 311 ff.).
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Die gesamtwirtschaftlichen Effizienzwirkungen eines bestimmten Marktverhaltens sind zunächst einmal in der Regel nicht eindeutig, weil das Effizienzkriterium selbst nicht eindeutig ist: allokative, produktive und dynamische Effizienz sind Gesichtspunkte, die sich miteinander in Konflikt befinden können. Im Rahmen des erwähnten sog. Williamson trade-off widersprechen sich allokative und produktive Effizienz; sie sind daher gegeneinander abzuwägen. In anderen Fällen können sich allokative und dynamische Effizienz widersprechen und eine entsprechende Abwägung erfordern.[60] Solche Abwägungen implizieren immer eine normative Entscheidung. Des Weiteren geht es bei der Feststellung von Effizienzwirkungen im Rahmen der Kartellrechtsanwendung häufig um Prognosen. Bedenken gegen die Verwendung solcher Effizienzprognosen zur Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit oder -konformität eines bestimmten Marktverhaltens ergeben sich gewöhnlich aus der begrenzten Verfügbarkeit der relevanten Daten und der unzureichenden ökonometrischen Berechenbarkeit der Veränderungen von Produzenten- und Konsumentenrenten aufgrund des zu beurteilenden Verhaltens. Es fehlt häufig schon an einer zuverlässigen Informationsbasis, etwa bezüglich der im Einzelfall relevanten Grenzkosten.[61] In der Regel entzieht sich daher die Feststellung der Effizienzwirkungen eines bestimmten Marktverhaltens der direkten Messung.
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Ein prinzipieller Einwand gegen den Marktergebnistest (Effizienztest) folgt aus den bereits weiter oben (Rn. 311 ff.) erläuterten Grenzen des diesem Test zugrundeliegenden neoklassischen Ansatzes selbst. Das neoklassische Verhaltensmodell basiert auf dem homo oeconomicus-Modell als dem maßgeblichen heuristischen Bild von den Marktteilnehmern. Dieses Verhaltensmodell geht – wie bereits weiter oben ausgeführt (siehe oben Rn.