Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach
JA 82, 401; Jähnke FS Spendel 1992, 537.
Die ablehnende Konzeption von Bernsmann JZ 83, 45, der bei Vorliegen der Mordmerkmale die Tatbestandsmerkmale der §§ 213–216 ausschließen will, ist mit ihrer Verschärfung weder zeit- noch verfassungsgemäß. Gegen die Figur der „Sperrwirkung“ auch Seiler, Die Sperrwirkung im Strafrecht, 2002, S. 45 ff.
1. Die subjektiven Merkmale (Motive und Absichten)
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Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs und Habgier werden vom Gesetz ausdrücklich („sonst“) als niedrige Beweggründe angesehen. Auch die Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht ist ein Unterfall der niedrigen Beweggründe[53]. Daher kann bei Nichterfüllung der speziellen Beweggründe immer noch die Generalklausel eingreifen (s.u. Rn. 32, 35). Außerdem wirkt es sich bei der Teilnehmerhaftung aus (s.u. C). Andererseits kann hier und bei der Habgier der „Beweggrund“ nicht als Endzweck verstanden werden (s.u. Rn. 33). Die subjektiven Mordmerkmale beruhen vornehmlich auf dem Prinzip des Missverhältnisses von Mittel und Zweck (Schroeder JuS 84, 277)[54].
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a) Die Tötung aus Mordlust spielt bislang – obwohl im Gesetz an erster Stelle genannt – eine subsidiäre Rolle (s.o. Rn. 23). Allerdings weist dieses Mordmerkmal den logischen Fehler des „idem per idem“ auf. Die Umschreibung als „unnatürliche Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens“ (BGH NJW 53, 1440) ist wenig realistisch; die Tötung zum Nervenkitzel oder Zeitvertreib reicht aus[55]. Darüber hinaus wird man jede Tötung ohne jeden Anlass oder aus offensichtlich unmaßgeblichem Anlass auf Mordlust zurückführen müssen; Mordlust liegt vor, wenn der Tod der einzige Zweck der Tat ist[56]. Auch bei manchen Todesurteilen im Dritten Reich wird die Mordlust zu bejahen sein. Die „seelische Grundlage“ der Mordlust, d.h. die Frage der Persönlichkeitsadäquanz, ist auch hier ohne Bedeutung (BGH NJW 53, 1440). Mordlust ist nur bei Tötungsabsicht, nicht bei bedingtem Tötungsvorsatz denkbar (BGH MDR/D 74, 547).
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b) Die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs geht über den engeren Begriff des Lustmords hinaus[57]. Ein solcher wird im strengen Sinne nur angenommen, wenn der Täter sich durch den Tötungsakt als solchen sexuelle Befriedigung verschaffen will. Demgegenüber umfasst die vorliegende Vorschrift auch die Fälle, in denen der Täter tötet, um anschließend nekrophile Akte vorzunehmen (OGH 2, 377; BGH 7, 353) oder sich durch ein Video von der Tötung und die dabei gewonnenen Eindrücke zu befriedigen (BGH 50, 80 87 f.)[58], oder in denen der Tod des Opfers sonst die Folge des auf Befriedigung gerichteten Verhaltens, insbesondere einer Vergewaltigung, ist; in diesem Fall genügt bedingter Vorsatz[59]. Der Umstand, dass die Absicht der bloßen Erregung der Geschlechtslust nicht ausreicht, ist zwar an sich eine Insuffizienz des Gesetzes, aber dadurch unschädlich, dass vielfach Tötung aus Mordlust, regelmäßig aber aus „sonstigen niedrigen Beweggründen“ angenommen werden kann (h.M.). Weder der Wortlaut noch der Zweck des Merkmals verlangen, dass die Befriedigung der Geschlechtslust an dem Opfer der Tötung erfolgt; die Tötung eines Beschützers reicht aus (a.A. BGH GA 63, 84 und h.L.). Erforderlich ist aber ein unmittelbarer Zusammenhang, sodass die Tötung eines Nebenbuhlers ausscheidet (Rissing-van Saan/Zimmermann LK 16).
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c) Ein weiteres qualifizierendes Tatmotiv ist das Handeln aus Habgier, d.h. aus einem rücksichtslosen Gewinnstreben. Es entscheidet dabei weder die Vermögensvermehrung (habgierig handelt daher auch, wer einen anderen tötet, um sich einer Unterhaltspflicht zu entziehen – BGH 10, 399 – oder wer seinen drängenden Gläubiger umbringt[60]), noch kommt es darauf an, ob der erstrebte Vorteil dem Täter rechtens zustand[61]. Bei geringwertigen Gegenständen kommt das für das Merkmal maßgebliche Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck (s.o. Rn. 30) besonders deutlich zum Ausdruck (BGH 29, 327; Schroeder JuS 84, 275). In Ausnahmefällen kann das Vorliegen einer „notstandsähnlichen“ wirtschaftlichen Notlage trotz Gewinnstrebens die „Habgier“ ausschließen[62]. Andererseits braucht das Handeln „aus Habgier“ nicht Produkt kalter Berechnung zu sein; auch Affekthandlungen können aus Habgier begangen werden (OGH 1, 165). Die Habgier braucht nicht der Endzweck der Tötung zu sein[63] (zum Motivbündel s.u. Rn. 41). Hauptfälle des Handelns aus Habgier sind der sog. Raubmord (u. § 35 Rn. 36 ff.) und der Auftragsmord durch einen sog. „Bravo“[64]. Für den Raubmord wäre das Merkmal allerdings gar nicht erforderlich, da hier die Tötung zugleich der Ermöglichung einer Straftat (s.u. Rn. 34) dient[65]! Auf die Erforderlichkeit der Tötung für die Vermögenserlangung („funktionaler Zusammenhang“) kommt es nicht an (BGH NStZ 04, 441).
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d) Einen Mord begeht, wer zur Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat tötet. Die Tatsache, dass die Strafschärfung bei dem Verdeckungsmord an eine Selbststrafvereitelung geknüpft wird, die wegen der notstandsähnlichen Situation straflos ist (s. Tlbd. 2 § 100 Rn. 22), macht die Bestimmung nicht verfassungswidrig[66]. Strafgrund sind nach der Rspr. die hohe Gefährlichkeit und die besonders verwerfliche Gesinnung (BVerfGE 45, 265), die Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter (BGH 41, 8 m. Anm. Saliger StV 98, 19 und Küper JZ 95, 1158). Der besondere Schutzzweck der Verhinderung des starken Antriebs zum Selbstschutz verlangt sogar besondere Zurückhaltung bei der Annahme, dem Täter sei die Verdeckung bei der Tat nicht bewusst gewesen (s.u. Rn. 40), er habe diese Tötungsfolge verdrängt; ein gedankliches Mitbewusstsein reicht aus (BGH NStZ 99, 554 m. Anm. Momsen JR 00, 29).
Sieht man mit der h.L. das Rechtsgut dieser Qualifikation in der Strafverfolgung (umfassende Nachw. bei La/Kühl 12), so erscheint diese Qualifikation als weitere „Straftat gegen die Durchsetzung des Strafrechts“ (s. Tlbd. 2, §§ 92 ff.).
aa) „Straftat“ ist hier im weiten Sinn, d.h. einschließlich der Ordnungswidrigkeiten, zu verstehen, da der Grund der Strafschärfung nicht in der kriminellen Absicht, sondern dem Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck (s.o. Rn. 30) liegt, das hier in besonderem Maße gegeben ist, und der Begriff „Strafrecht“ in älteren Vorschriften (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) die erst später verselbstständigten Ordnungswidrigkeiten umfasst (a.A. BGH 28, 93)[67]. Die Tötung zur Verdeckung eines nur ansehensabträglichen Verhaltens wird von der Rechtsprechung als niedriger Beweggrund (s.u. Rn. 37) angesehen[68].
bb) Es genügt die Straftat eines anderen (BGH 9, 180 m. Anm. Dreher MDR 56, 499), ferner ein bloßer Versuch (BGH 2, 22). Weiter folgt aus der reinen Absichtsfassung des Tatbestandes, dass die Tat, deren Begehung der Mord ermöglichen soll, nicht begangen zu werden, ja nicht begehbar zu sein braucht, und dass die Tat, die durch den Mord verdeckt werden soll, auch nur in der Einbildung des Täters existieren kann. Es genügt, dass der Täter sich die Taten als strafbar und verfolgbar vorstellt (BGH 11, 226 m.Anm. Stratenwerth JZ 58, 545; BGH 28, 93; einschränkend Eser/Sternberg-Lieben