Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach
FS Miyazawa 95, 533, 543).
b) Der subjektive Tatbestand
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Die Körperverletzung ist ein kongruent aufgebautes Delikt: Vorsatz (einschließlich des bedingten) ist erforderlich und genügend. Motive (auch ein unangebrachter Scherz kann Körperverletzung sein) und Tendenzen sind für den Tatbestandsaufbau unerheblich. Bedenklich erscheint die Ablehnung des Vorsatzes bei affektiver Erregung (BGH NStZ 04, 201 m. Anm. H. Schneider). Ein error in objecto ist bei Gleichwertigkeit der Objekte (eine „andere Person“) unbedeutsam, desgleichen ein Irrtum über den Verletzungsgrad. Tritt die Verletzung an anderer Stelle ein als vom Täter bezweckt, liegen nur Fahrlässigkeit und Versuch vor[15]. Bei Zweifeln über den Vorsatz soll nach BGH 17, 210 die fahrlässige Körperverletzung als „Auffangtatbestand“ eingreifen; hiergegen bestehen die gleichen Bedenken wie gegenüber der Entscheidung BGH 9, 390 (vgl. AT § 10 Rn. 31; LK12 § 15 11).
Anmerkungen
Vogel LK12 § 16 74 ff.. A.A. OLG Bremen MDR 59, 777.
2. Strafantrag – Strafe – Konkurrenzfragen
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a) Die einfache Körperverletzung ist nach § 230 ein durch das Fehlen besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bedingtes Antragsdelikt (nicht zu verwechseln mit den „relativen“ Antragsdelikten, z.B. § 247; u. § 33 Rn. 141 ff.). Das bedeutet: grundsätzlich setzt die Eröffnung eines gerichtlichen Verfahrens einen Strafantrag des Verletzten oder seines Dienstvorgesetzten voraus (§§ 77 ff.). Ist dieser gestellt, so ist der Raum für eine Privatklage (§ 374 Abs. 1 Nr. 4 StPO) oder, bei Bestehen „öffentlichen Interesses“ (§ 376 StPO), auch für eine öffentliche Klage frei. Ist aber ein „besonderes öffentliches Interesse“ zu bejahen (z.B. bei Präjudizialität oder bei einschlägigen Vorstrafen des Täters), so kann der Staatsanwalt die öffentliche Klage ohne Bindung an eine Frist und ohne Rücksicht darauf erheben, ob der Verletzte einen Strafantrag gestellt hat; das Vorliegen eines „besonderen öffentlichen Interesses“ kann die Staatsanwaltschaft formlos in jedem Stadium des Verfahrens, insbesondere auch noch in der Revisionsinstanz, erklären (BGH 6, 282; BGH 16, 225; bestr.); diese Erklärung ersetzt einen fehlenden, unwirksamen oder zurückgewiesenen Strafantrag. Die Erklärung der Staatsanwaltschaft über das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses ist bis zur Hauptverhandlung ohne Weiteres, nachher nur mit Zustimmung des Gerichts zurücknehmbar[16]; sie unterliegt keiner gerichtlichen Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG[17]. Die nachträgliche Verneinung des öffentlichen Interesses bedeutet als solche aber noch keine Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO (OLG Stuttgart NJW 61, 1126; bestr.) und umgekehrt (OLG Düsseldorf DAR 71, 160).
b) Strafe: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe (Verschärfung und Aufhebung der Strafschärfung für Taten gegen Verwandte aufsteigender Linie nach Abs. 2 durch das VerbrechensbekämpfungsG 1994). Das Gewaltschutzgesetz ermöglicht zur Abwendung weiterer Körperverletzungen den Erlass strafbewehrter Betretungs- und Kontaktverbote durch die Zivil- und Familiengerichte.
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c) Idealkonkurrenz besteht vielfach mit Gewaltdelikten wie Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sexualstraftaten. Zum Verhältnis zu den Tötungsdelikten s.o. § 2 Rn. 21, § 8 Rn. 42. Das Verhältnis zwischen Körperverletzung und tätlicher Beleidigung (§ 185 2. Alt.) lässt sich angesichts der weitgehenden äußeren Übereinstimmung der Handlungen überwiegend nur nach dem subjektiven Tatbestand bestimmen: daher nur Beleidigung, wenn der Täter beim Schlage lediglich an Missachtung dachte; Idealkonkurrenz dagegen, wenn die körperliche Misshandlung neben der Missachtung in den Vorsatz aufgenommen war. Unter dieser Voraussetzung kann daher auch eine versuchte Körperverletzung zugleich als vollendete Beleidigung (Real- und Symbolinjurie) strafbar werden. Eine zusätzlich fahrlässig verursachte Körperverletzung kann nicht im Wege der Idealkonkurrenz, sondern nur bei der Strafzumessung berücksichtigt werden[18].
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d) Die als Nebenfolge vorgesehene Buße (§ 231 a.F.) ist – ebenso wie bei der Beleidigung (§ 188) – im Einklang mit den früheren Entwürfen durch das EGStGB mit Wirkung vom 1.1.75 beseitigt worden. Sie war durch das 1943 eingeführte Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) überholt und hatte in der Praxis keine Bedeutung. Nach § 233 a.F. konnte bei der Erwiderung von einfachen oder fahrlässigen Körperverletzungen und Beleidigungen mit solchen die Strafe nach § 49 Abs. 2 gemildert oder sogar von Strafe abgesehen werden (sog. Kompensation). Dieses Institut wurde durch das 6. StrRG 1998 abgeschafft, da die §§ 153, 153a StPO und § 59 StGB ausreichten (BT-Dr 13/8587 S. 36).
Anmerkungen
RG 77, 72; OLG Bremen JZ 56, 633; Oehler aaO 632; Vogel aaO.
BVerfGE 51, 177; BGH 16, 225; BayObLG NJW 91, 1765. A.A. Thierfelder NJW 62, 116; Kröpil NJW 92, 654; Popp LK 16.
BGH NStZ 97, 493 (m. unzutr. Annahme zweier Handlungen). A.A. Paul JZ 98, 297.
1. Gefährliche Körperverletzung (§ 224)
Schrifttum:
Eckstein, Das gefährliche Werkzeug als Mittel zum Zweck der Körperverletzung, NStZ 08, 125; Heinrich, Die gefährliche Körperverletzung, 1993; Küper, Konvergenz. Die gemeinschaftliche Körperverletzung im System der Konvergenzdelikte, GA 97, 301; Hilgendorf, Körperteile als „gefährliche Werkzeuge“, ZStW 112, 811; Leißner, Der Begriff des gefährlichen Werkzeugs im StGB, 2002; Triantafyllou, Das Delikt der gefährlichen Körperverletzung (§ 223a StGB) als Gefährdungsdelikt, 1996; Küpper, Lebensgefährdende Behandlung, FS Hirsch 595.
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Der schon durch Novelle vom 26.2.1876 eingefügte § 223a sollte die Lücke zwischen der einfachen und der schweren Körperverletzung schließen. Durch das 6. StrRG 1998 wurde er unter Eingliederung des § 229 a.F. (Vergiftung) zu § 224. Er ist eine unselbstständige Abwandlung des Grunddelikts. Die Qualifikation ist ohne Rücksicht auf den Erfolg durch die Begehungsart gegeben; damit wandelt sich das reine Erfolgsdelikt des § 223 in § 224 zu einem Erfolgsdelikt mit strafschärfendem Gefährdungscharakter. Im Einzelnen umfasst die Vorschrift fünf Tatbestände. Grundgedanken der Qualifikation sind die erhöhte Gefährlichkeit (Abs. 1 Nr. 1, 2, 5) und die verringerte Chance des Opfers, sich zu wehren (Nr. 3, 4)[19]. Der Tatbestand wurde durch das 6. StrRG mehrfach ausgeweitet und bedarf – vor allem angesichts der gleichzeitigen Erhöhung des Strafrahmens – einschränkender Auslegung. Die Einführung minder schwerer Fälle darf nicht zu einer Ausweitung des Tatbestandes führen.
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Einige Autoren sehen § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur noch als Sonderfall der Nr. 2[20] und als „letztlich überflüssig“ an (Rengier II § 14 Rn. 23). Solange beide jedoch als eigene Nrn. bestehen, sind sie gesondert zu prüfen und ggf. zu bejahen. Die Bejahung mehrerer Alternativen ist für die Strafzumessung bedeutsam