Ius Publicum Europaeum. Paul Craig
und Satzungen. Darüber hinaus verfügt sie – abhängig von ihrer Stellung im jeweiligen nationalen Institutionengefüge – meist auch über einen Bereich bzw. unentziehbaren Kern exekutivischer Eigenverantwortung sowie über Gestaltungs-, Einschätzungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräume.
a) Die Verwaltung zwischen Gesetzesvollziehung und Gestaltung
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Idealtypisch kann zwischen den Leitbildern einer eher gesetzesvollziehenden (dazu unter aa) und einer eher autonom gestaltenden (dazu unter bb) Verwaltung unterschieden werden, die sich in ihrer konkreten Ausgestaltung allerdings erkennbar annähern (dazu unter cc).
aa) Typus der gesetzesvollziehenden Verwaltung
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Zum Typus der eher gesetzesvollziehenden Verwaltung gehören u.a. die deutsche, griechische, italienische und österreichische Verwaltungsrechtsordnung. Sie folgen dem Leitbild einer eng an das Parlament angebundenen, gesetzlich stark determinierten Verwaltung, was Beurteilungs- und Ermessensspielräume der Verwaltung allerdings nicht ausschließt. Wesentliche Grundlage für die Entwicklung dieses Verwaltungsleitbildes war, dass – entsprechend der auf das 19. Jahrhundert zurück gehenden Konzeption des liberalen Rechtsstaats – Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger einer gesetzlichen Grundlage bedurften bzw. nach wie vor bedürfen („Vorbehalt des Gesetzes“, „riserva di legge“).[67] Ein Totalvorbehalt des Gesetzes ist damit nur in wenigen Verwaltungsrechtsordnungen verbunden;[68] in der Regel ist auch in den Verwaltungsrechtsordnungen, die dem Leitbild einer gesetzesvollziehenden Verwaltung verpflichtet sind, eine eigenständige Rechtsetzung der Verwaltung, eine gesetzesfreie Verwaltung[69] und eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der Verwaltung in mehr oder weniger engen Grenzen zulässig.
bb) Typus der autonom gestaltenden Verwaltung
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In gewisser Weise den Gegenpol zu diesem Konzept bildet das französische Verwaltungsrecht, wie es sich im Gefolge der Revolution herausgebildet hat. In dieser spezifisch französischen Konzeption der Gewaltenteilung erscheint die mit Vorrechten und Privilegien, d.h. Befugnissen zu einseitigem Handeln ausgestattete Verwaltung als Trägerin der puissance public und des service public.[70] Sie wird als Staatsfunktion (puissance administratif) mit einem eigenständigen Gestaltungsauftrag begriffen, dem substantielle Handlungsspielräume verbleiben müssen (siehe z.B. Art. 34 und 37 CF). Auch Großbritannien und Schweden können der Kategorie von Verwaltungsrechtsordnungen mit einer autonom gestaltenden Verwaltung zugerechnet werden.[71]
cc) Konvergenztendenzen
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Konvergenztendenzen sind freilich auch hier unverkennbar. So macht die enge Anbindung an Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung (z.B. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) wenig Sinn, wenn die materiellen Entscheidungen auf Ebene der Europäischen Union bereits getroffen sind, was in den Verwaltungsrechtsordnungen mit einer idealtypisch eher gesetzesvollziehenden Verwaltung zu einer gewissen Lockerung der strikten Gesetzesbindung geführt hat.
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Einen Versuch, der Verwaltung eine größere Eigenständigkeit zu verschaffen und ihren Gestaltungsauftrag zu betonen, stellt auch die in Deutschland entwickelte sogenannte Neue Verwaltungsrechtswissenschaft dar, die das traditionell rechtsstaatlich fixierte Verwaltungsrecht um eine steuerungsorientierte, an der Effektivität der Aufgabenerfüllung orientierte Dimension ergänzen will.[72] Dies gelingt freilich ebenfalls nur um den Preis einer Lockerung der rechtsstaatlichen Determinierung des Verwaltungshandelns und einer Reduzierung des Rechtsschutzes – etwa gegenüber der Informationstätigkeit der Verwaltung.[73]
b) Rechtsetzung
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Auch im gewaltenteiligen Rechtsstaat ist die Verwaltung an der Rechtsetzung beteiligt: durch die Vorbereitung der parlamentarischen Rechtsetzung (dazu unter aa) sowie durch eigene Rechtsetzung (dazu unter bb).
aa) Mitwirkung der Verwaltung an der parlamentarischen Rechtsetzung
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Von kaum zu überschätzender Bedeutung ist die Beteiligung der öffentlichen Verwaltung an der parlamentarischen Rechtsetzung, die Vorbereitung von Gesetzentwürfen der Regierung oder auch der die Regierung tragenden Fraktionen. In Frankreich findet dies in der – in den vergangenen Jahren noch ausgebauten (Art. 39 Abs. 5 CF) – beratenden Rolle des Conseil d’État sogar institutionellen Ausdruck.[74] Angesichts der, verglichen mit dem Parlament, weit überlegenen personellen und sachlichen Ressourcen der Verwaltung ist die Vorbereitung der Gesetzgebung durch sie eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass die parlamentarische Rechtsetzung de facto weitgehend durch die Exekutive bestimmt wird.[75]
bb) Rechtsetzung durch die Verwaltung
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In allen Verwaltungsrechtsordnungen Europas ist die öffentliche Verwaltung auch selbst zur Rechtsetzung berufen.[76] Den Spielraum, den sie dabei genießt, stecken die einzelnen Verfassungen allerdings sehr unterschiedlich ab.
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In Deutschland und Österreich ist die Verwaltung beim Erlass von Rechtsverordnungen weitgehend auf die Ausfüllung gesetzlicher Ermächtigungen beschränkt (Art. 80 Abs. 1 GG; Art. 18 Abs. 2 B-VG); ein selbständiges Verordnungsrecht ist ihr grundsätzlich verwehrt. Vergleichbares gilt für Griechenland und Italien (Art. 76f. Cost.).[77] Etwas größer ist der Spielraum der Verwaltung, wenn sie durch Satzungen und (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften in einer abstrakt-generellen Weise rechtsetzend tätig wird.[78]
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Frankreich, Portugal und Spanien räumen der Rechtsetzung durch die Exekutive hingegen einen erheblich größeren Raum ein. In Frankreich kann die Exekutive nicht nur Verordnungen zur Durchführung von Gesetzen erlassen (règlements d’exécution des lois), sondern auch autonome Verordnungen (règlements autonomes). Sie besitzt dabei ein – im Einzelfall zu ermittelndes – Rechtsetzungsermessen.[79] Der Erlass abstrakt-genereller Regelungen (règlements administratifs) ist Teil der puissance publique.[80] Die portugiesische Verfassung teilt die Gesetzgebungskompetenz gar zwischen der Assembleia da República und der Regierung auf,[81] während die Verwaltung in Großbritannien grundsätzlich selbst darüber entscheiden kann, ob sie Einzelfallbestimmungen oder allgemeine Regelungen (Verwaltungsvorschriften) erlässt.[82]
a) Grundlagen
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Rechnet man – eine denkbar weite Begriffsbestimmung zugrunde legend – zur öffentlichen Verwaltung im organisatorischen Sinne die Gesamtheit der juristischen und natürlichen Personen, die Verwaltungsaufgaben erfüllen,[83] so ist die Organisation der Verwaltung das Ergebnis mitunter jahrhundertelanger Entwicklungen und insoweit politisch, geographisch und historisch kontingent.[84] Die Organisation der Verwaltung gehört daher nicht von ungefähr zu den Bereichen, in denen die Unterschiede zwischen den nationalen Verwaltungsrechtsordnungen besonders groß sind. Zumindest kennen allerdings fast alle Staaten Europas eine staatliche Verwaltung (dazu unter b) und mit Autonomie ausgestattete Verwaltungsträger (dazu unter c), öffentliche und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen (dazu unter d) sowie die Einbeziehung Privater in der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben (dazu unter e). Die Europäisierung des nationalen Verwaltungsrechts, die Eingliederung