Ius Publicum Europaeum. Paul Craig
auszugleichen, sind einige Verfassungsgerichte dazu übergegangen, materielle Anforderungen an das Verwaltungshandeln wie das Abwägungsgebot u.ä. auch an derartige Gesetze zu stellen.[266]
b) Erosionstendenzen
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Konstitutionalisierung, Europäisierung, Internationalisierung und Privatisierung haben die Steuerungskraft des Gesetzes geschwächt. Vor allem der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hat dazu beigetragen, dass sich das parlamentarische Gesetz vom vorrangigen Steuerungsinstrument der Verwaltung mehr und mehr zu einem Zufallsgenerator gewandelt hat und die Institute des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes erodieren.[267] Die demokratische Steuerung der Verwaltung wird damit zunehmend prekär.
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Begrenzte Möglichkeiten der Gegensteuerung bietet die Beteiligung der nationalen Parlamente an der europäischen Rechtsetzung in der sogenannten aufsteigenden Phase (upstream phase, fase ascendente), wie sie heute in Art. 12 EUV und den Protokollen über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union und über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit niedergelegt und mittlerweile auch in fast allen Verfassungen der Mitgliedstaaten der EU verankert ist.[268]
2. Budget
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Die Bewilligung des Budgets und seine Ausgestaltung im Detail ermöglichen dem Parlament eine wirkungsvolle Steuerung der Verwaltung. Mit dem Haushalt, der teilweise im Wege eines Haushaltsgesetzes festgestellt wird,[269] entscheidet das Parlament über die personellen und sachlichen Ressourcen der Verwaltung sowie über Art und Umfang der nicht gesetzesakzessorischen Leistungsverwaltung.[270]
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Durch eine kontinuierliche Begleitung des Haushaltsvollzuges, Rechnungskontrolle und Entlastung, in einigen Verwaltungsrechtordnungen auch durch Genehmigungserfordernisse für größere Dispositionen u.a.m.[271] kontrollieren die Parlamente in der Regel durch besondere Ausschüsse ferner die Ausführung des Budgets und üben auf diese Weise einen nicht geringen Einfluss auf die Verwaltung aus.[272]
a) Weisungsabhängigkeit der Verwaltung
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Ein wichtiger Aspekt der demokratischen Legitimation der Verwaltung ist ihre Kontrolle durch Regierung und Parlament. Zentrale Bedeutung kommt dabei zum einen der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu,[273] die sich durch ein Bündel von Informations-, Kontroll- und Sanktionsbefugnissen des Parlaments gegenüber der Regierung auszeichnet,[274] zum anderen der Unterordnung der Verwaltung unter die Regierung.[275] Die parlamentarische Steuerung und Kontrolle der Verwaltung setzt daher grundsätzlich einen hierarchischen Verwaltungsaufbau und eine Legitimationskette zwischen dem Minister und seinen nachgeordneten Mitarbeitern voraus sowie eine effektive (Dienst-)Aufsicht der übergeordneten und Weisungsabhängigkeit der nachgeordneten Behörden.[276] Abweichungen von diesem Modell bedürfen zumindest sachlicher Gründe.[277]
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Ob und inwieweit diese, in Deutschland, Österreich und Spanien aus dem demokratischen, in Frankreich aus dem republikanischen Prinzip abgeleiteten Anforderungen auch in der Verwaltungsrealität eine Rolle spielen, lässt sich nicht klar beantworten. Während in Deutschland und Österreich die Umwälzungen nach 1918, 1945 und 1989 die alten Verwaltungseliten, wenn nicht beseitigt, so doch geschwächt haben und der nach 1949 entstandene Parteienstaat und die mit ihm verbundene Ämterpatronage den Selbststand der Verwaltung nachhaltig geschwächt haben, konnte sich in Frankreich in Fortführung monarchisch-etatistischer Traditionen seit dem 19. Jahrhundert ein „pouvoir administratif“ herausbilden und erhalten, der einer parlamentarisch-politischen Steuerung der Verwaltung bis heute tendenziell zuwiderläuft.[278]
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In Großbritannien, Italien (dirigenza amministrativa)[279] und Schweden finden sich im Übrigen sogar – in jüngerer Zeit eingeführte –Konstruktionen, die die öffentliche Verwaltung dem Einfluss der Regierung absichtlich weitgehend entziehen, um einen entpolitisierten – technokratischen – Verwaltungsvollzug sicherzustellen. Demokratiedefizite werden damit (erstaunlicherweise) nicht verbunden.[280]
b) Staatsaufsicht
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In einer dezentralisierten Verwaltungsorganisation, also gegenüber rechtlich verselbständigten, mit Autonomie ausgestatteten Körperschaften, Anstalten, Stiftungen und Unternehmen des öffentlichen Rechts erfordert die Notwendigkeit demokratischer Legitimation und Steuerung der verselbständigten Verwaltungseinheiten eine hinreichend effektive Staatsaufsicht[281] durch übergeordnete, letztlich parlamentarisch verantwortliche Stellen. Als Rechtsaufsicht ist sie auf die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns beschränkt, als Fachaufsicht erstreckt sie sich auch auf dessen Zweckmäßigkeit.[282]
c) Erosionstendenzen
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Im Europäischen Verwaltungsverbund, im Agrar-, Beihilfen-, Kartell- oder Umweltrecht etwa, sind die nationalen Kontrollstrukturen in den vergangenen Jahren nachhaltig europäisiert, d.h. in eine Verbundaufsicht eingebunden worden, in deren Mitte typischerweise die auch zu Weisungen ermächtigte Kommission steht.[283] Die damit verbundenen Verantwortungs- und Rechtsschutzprobleme sind allenfalls ansatzweise aufgearbeitet; ob die Kommission mit ihren knapp 30.000 Mitarbeitern die notwendige personelle und fachliche Kapazität besitzt, diese Aufgaben auch interessengerecht zu erfüllen, wurde bislang nicht thematisiert. Die Fülle ihrer Aufgaben mit ihrem fachlichen Leistungsvermögen abzugleichen, dürfte jedoch zu einer der großen Herausforderungen für die nächsten Jahre werden.
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Auch der vor allem im Kontext der Regulierungsverwaltung vorgesehene, jedoch keineswegs auf sie beschränkte Einsatz unabhängiger Behörden und Agenturen bereitet – wie bereits dargelegt – unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Steuerung der Verwaltung Probleme. Zwar mag er der Entpolitisierung der Verwaltung dienen und unter einem technokratischen Blickwinkel plausibel oder sogar wünschenswert erscheinen;[284] dies ändert jedoch nichts daran, dass er mit erheblichen Einflussknicks, d.h. Beeinträchtigungen oder Verletzungen des Demokratieprinzips verbunden ist und letztlich auch zu einer Verletzung der auch für das Unionsrecht unantastbaren (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV) Verfassungsidentität führen kann.[285] Es gibt daher unverkennbare Versuche, die parlamentarische Kontrolle über unabhängige Behörden wieder zu intensivieren[286] oder sie mit Hilfe von Instrumenten sicherzustellen, die jenseits der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung und der mit ihr verbundenen „Legitimationskette“ liegen.[287]
4. Sonstige Instrumente der Verwaltungssteuerung
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Seit Ende der 1990er-Jahre setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass sich eine demokratische und insoweit auf Akzeptanz ausgerichtete Verwaltung unter den Bedingungen eines insgesamt deutlich gestiegenen Bildungsniveaus der Bürger und ubiquitärer Kommunikationsmöglichkeiten nicht darauf beschränken kann, auf ihre Anbindung an das demokratisch beschlossene Gesetz, den Haushalt und die parlamentarische Rückbindung der Exekutive zu vertrauen. Sie bedarf vielmehr weiterer, akzeptanzsichernder oder zumindest -verstärkender Instrumente, die auch in einem juristisch-dogmatischen Sinne durchaus zum demokratischen Legitimationsniveau des Verwaltungshandelns beitragen können.[288] Dies betrifft etwa die Bildung von Selbstverwaltungseinheiten (dazu unter a), direkt-demokratische Formen der Partizipation (dazu unter b), Transparenz (dazu unter c), den Ausbau der Öffentlichkeits-